Lebenszeichen 28: Salbung in Bethanien – von Pfarrerin Daniela Eichhorn, Bethel

In den vergangenen Jahren haben wir am Mittwoch vor Gründonnerstag in der Herz-Jesu-Kirche die Heiligen Öle ausgeteilt, die der Bischof morgens in der Chrisammesse geweiht hat. Dabei haben wir den Text gehört von der Frau in Bethanien, die Jesus salbte.
Gedanken von Pfarrerin Daniela Eichhorn haben uns dazu erreicht. Daniela Eichhorn ist evangelische Geistliche Begleiterin der ARCHE Deutschland-Österreich. Sie war schon oft in der Herz-Jesu-Kirche zu Gast, bei der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 und bei verschiedenen Besuch danach.

Hier ihre Gedanken.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Ge-meinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen. 

Liebe Hörerinnen und Hörer von Antenne Bethel,

Markus 14, 1-9

Und als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als drei-hundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.

Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht alle-zeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus ge-salbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Ge-dächtnis, was sie jetzt getan hat.

Ist es nicht schon seltsam, dass rund ums Ostergeschehen auf einmal die Frauen eine tragende Rolle spielen und mit ihnen einhergehend der Wohlgeruch? Schließlich lebten sie zu Jesu Zeiten doch in einer Gesell-schaft, in der sie – zumindest im öffentlichen Raum – im Grunde nichts zu melden hatten.

Doch lassen Sie uns noch einmal ein wenig zurücktreten und ganz von vorne beginnen, um uns erst einmal ein wenig in jener Szene ein- und zurechtzufinden, die uns da von Markus überliefert ist.

Nicht weit von Jerusalem hat sie sich abgespielt im Haus Simons des Aussätzigen. Zu ihm waren Jesus und die Seinen, sowie einige Gäste geladen. Wer genau, das findet bei Markus keine weitere Erwähnung.

Auf jeden Fall sitzen sie da in trauter Runde beisammen beim Essen und unterhalten sich. Es ist kurz vor dem Passahfest, jenem größten jüdi-schen Fest, zu dem alljährlich viele Pilger in Jerusalem empfangen wer-den. Und so dürfte es auf den Straßen und Plätzen der Hauptstadt auch ziemlich voll gewesen sein. Wer da Freunde oder Verwandte um oder in der Stadt hatte, der wird nur allzu gerne die Gelegenheit genutzt haben, dem ganzen Getümmel für eine Weile entgehen zu können und sich bei eben diesen wieder einmal blicken zu lassen. Und so hat auch besagter Simon aus Betanien an jenem Abend das Haus voll.

Woher Jesus ihn gekannt hat, das erfährt man nicht. Aber dass er wo-möglich einer der von ihm Geheilten war, diese Vermutung liegt nahe, ist doch seine Diagnose eine der wenigen genaueren Informationen, die wir an dieser Stelle überhaupt bekommen. Doch ohnedies ist und bleibt dies eine Szene eher am Rande, eine Szene, die sich abspielt im nicht-öffentlichen Raum, und die einem darum auch nicht als allererstes in den Sinn kommt, wenn man an Jesu letzte Tage denkt.

In diesen privaten Raum dringt sie da nun mit einem Mal ein, jene Frau, die Markus noch nicht einmal beim Namen nennt. Folgt man seiner Erzählung, so klopft sie weder an, noch fragt sie, ob sie überhaupt hereinkommen darf. Vielmehr erscheint sie auf einmal auf der Bildfläche und ist plötzlich da, ganz da, in dieser allein den Männern vorbehaltenen Runde. Und ohne ein Wort einer Erklärung oder gar einer Entschuldigung für die Störung, geht sie nun zielgerichtet mit ihrem Alabasterfläschchen auf Jesus zu und tut, wozu sie von ihrem  innersten Empfinden geleitet wird. Sie bricht dem Fläschchen die Spitze ab und beginnt damit Jesu Kopf zu salben. Ein Augenblick höchster Intensität und Intimität.

Fassungslosigkeit, so könnte ich mir denken, dürfte da einen Atemaus-setzer lang den Verlauf der Zeit in Simons Haus unterbrochen haben. Fassungslosigkeit über die Dreistigkeit jener Frau, die da einfach so er-scheint, Fassungslosigkeit über die Nähe, die da mit einem Mal zwi-schen ihr und Jesus entsteht, Fassungslosigkeit in Anbetracht auch des sinnlich-betörenden Duftes, der nun den Raum durchweht.

Pause

Doch dann geht es los, das Geschrei und bricht herein über dieser Frau und ihrem Tun. Was für ein Bruch!!

Und nun prasseln sie über sie herein, die Argumente der Angemessenheit, Vernunft und Verhältnismäßigkeit. Was hätte man nicht alles mit diesem Geld anfangen können? Welch aberwitzige Verschwendung des so wertvollen Öles, und überhaupt, was soll das Ganze eigentlich und welchen sittlichen Nährwert hat es schließlich?

Ich spüre den Eifer nahezu körperlich, der sich da hitzigschwitzig im Raum ausbreitet und dem wertvollen Öl den erlesenen Duft streitig machen will.

Aber, halt, ehe wir alle zu schnell urteilen über diese zweifellos nicht sehr freundliche Unterbrechung. Denken wir bei Licht betrachtet, nicht im Grunde unseres Herzens am Ende doch eher alle so?

Schließlich sind die Argumente der hier versammelten Männer trotz allem ja nicht so einfach – mir nichts, Dir nichts – von der Hand zu weisen. Denn es ist ja in der Tat so, dass dieses kostbare Öl ein unendliches Vermögen gekostet haben soll. Die Narde kam von weit, kam aus dem Himalaya und war eben nicht so einfach zu beschaffen. Da muss es dann schon auch einmal erlaubt sein, die Kosten-Nutzen-Rechnung aufzumachen, zumal, wenn man – ethisch ganz hochwertig -und in untadeliger Gesinnung die Armen dabei im Blick hat. Oder etwa nicht?

Was immer diese Männer dazu bewegt haben mag, so ganz von der Hand zu weisen sind ihre Argumente nicht. Und Jesus versagt sie ihnen ja auch nicht. Aber er wendet ihren Blick in eine andere Richtung, fordert sie zum Perspektivwechsel heraus, macht ihnen deutlich, dass ihre Argumentation zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht die angemessene ist. Für die Männer damals wird das schwer nachzuvollziehen gewesen sein, und ich kann es ihnen nicht verdenken, denn was da auf Jesus zukommen würde, das war ja gerade für sie so auch kaum vorstellbar und ist ja doch in gewisser Weise bis heute anstößig geblieben.

Was aber hat es mit dieser Frau auf sich, die da tut, was sie meint tun zu müssen und sich in ihrem Tun vom Geschrei der Männer nicht beirren lässt? Die kommt einfach und ist da und tut, worauf sonst kein anderer kommt. Sie salbt und segnet Jesus. Sie berührt ihn und kommt ihm nahe. Sie stärkt sein Leben im Angesicht des Todes und verleiht ihm die Königswürde, die die Welt ihm versagt. In diesem Augenblick – einen Atemaussetzer lang -, wird Jesus zum ganz und gar Empfangen-den. Welch eine Wohltat für ihn in Anbetracht des nahenden Todes und einsamen Ringens zuvor im Garten Gethsemane!

Denn auch von seinen Freunden wird er schon bald nichts mehr zu erwarten haben. Die sind restlos überfordert von der Situation. Die verschlafen die Nacht des Ringens und ausgerechnet sein glühendster Anhänger gibt vor, ihn noch niemals gekannt zu haben. In seiner Todesstunde ist keiner von ihnen mehr da. Und auch von Gott fühlt Jesus sich ganz verlassen.

Als aber der Ostermorgen naht, sind es wieder die Frauen, die sich zu ihm auf den Weg begeben. Die kommen, um ihn zu salben. Und wieder tragen sie köstliches Salböl bei sich. Und so sind  es die Frauen mit ihren Düften und Wohlgerüchen, die die Passion und Ostern umrahmen.

Was aber hat es mit diesen Frauen auf sich, dass ausgerechnet sie zu Schlüsselfiguren rund um das österliche Geschehen werden?

Als Gebärerinnen des Lebens, die sie von Natur aus sind, haben sie womöglich noch einmal einen ganz eigenen Zugang zum Leben, erfassen und begreifen es mit der ihnen eigenen Intuition und sind darum in diesen letzten Tagen Jesu auch dem Geheimnis seines Lebens ganz nah. Nicht dass sie besser verstehen würden, als die Männer das damals taten. Aber sie haben eine Ahnung, ein inneres Verstehen und Empfinden für das, was ihm wohl tut und vermögen ihn zu nähren und ihm die Kraft zu geben, die er jetzt braucht, wie jene unbekannte und unge-nannte Frau im Haus des Simon.

Der Wohlgeruch, der da mit ihrem Erscheinen auf einmal durch die Räume weht, überdeckt schon jetzt den Leichengeruch der kommenden Tage. So kündet er geheimnisvoll und unter dem Gegenteil verborgen bereits jetzt von dem neuen Leben, das sich mit Jesu Auferstehen Bahn bricht.

Und so sind es hinwiederum die Frauen, die das am Ostermorgen als erste erfahren, als sie mit ihren kostbaren Ölen am Grab erscheinen, um Jesus zu salben.

Ostern, das Fest des Geheimnisses des neuen Lebens. Wir können es mit unserem Verstand nicht ergründen, aber uns mit hinein nehmen lassen in die nun kommende Woche, in der wir den Weg vom Dunkel ans Licht in unseren Gottesdiensten durchschreiten, um am Ende dieses neugeschenkte Leben zu feiern, das auch uns verheißen ist. Möge uns das empfänglich dafür machen, zu erahnen, wie kostbar diese Gabe Gottes für uns ist und sie dankbar annehmen im Vertrauen auf ihn. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.  Amen

 

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