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Eröffnung (Ralf Schmitz)
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Herr, du bist gerecht, und deine Entscheide sind richtig.
Handle an deinem Knecht und deiner Magd nach deiner Huld.
Lied: Wo zwei oder drei (Jutta Thommes)
Begrüßung (Marc-Bernhard Gleißner)
Liebe Schwestern und Brüder,
wir befinden uns im Spätsommer der Befreiung: Nächste Woche wird es die letzte Predigt in dieser Reihe geben und in zwei Wochen folgt schon der kalendarische Herbst. Unser Sommer der Befreiung eifert seinem Ende entgegen, es ist aber nicht zu Ende. Eine Zeit im Dazwischen: zwischen Rückblick und der Frage: „Was kommt nach dem Sommer der Befreiung?“ Wir kennen dieses Dazwischen in unserem Alltag: Manche Dinge sind noch nicht abgeschlossen und etwas Neues ist noch nicht in Sicht oder hat noch nicht begonnen.
Im Theater nennt man dieses Dazwischen einen retardierenden Moment. Eine Verlangsamung der dramatischen Handlung. Die Handlung im Theaterstück verlangsamt sich, um in einer Phase der höchsten Spannung auf die bevorstehende Katastrophe oder auf das wunderbare Happy End hinzuarbeiten.
Der Unterschied zwischen unserem Alltag und dem Theater ist, dass da wo der Vorhang fällt, weil die Katastrophe kein weiter mehr so erlaubt oder das Happy End für sich alleine steht, wir im Alltag vor der Herausforderung stehen, weiterzumachen: Immer noch im Dazwischen stehen. Wir haben eine große Kompetenz entwickelt, dieses Dazwischen auszuhalten. Die Katastrophe auszuhalten und weiter zu machen. Nach dem Happy End wieder in den Alltag zu gehen.
Als Christinnen und Christen haben wir dieses Dazwischen sogar zum Mittelpunkt unseres Glaubens gemacht: Nach Karfreitag folgen die Tage in den Jesus Tod ist, die Hoffnung weg, ein Weitermachen, obwohl wir noch nicht wissen, ob es die Auferstehung gibt. Ein Dazwischenstehen.
Diese Spannung des Dazwischen haben wir gelernt auszuhalten, weil Jesus uns ein Geschenk gab: Die Gemeinschaft. Nicht, dass es vor Jesus keine Gemeinschaft gab. Das wäre Quatsch. Aber Gott ist in unserer Gemeinschaft. Wenn wir das Dazwischen aushalten, sind wir nicht allein. Wir haben Gemeinschaft im Glauben, in den Mitmenschen, die mehr sind, sie sind Gemeinschaft, in der Gott in dreifaltiger Gestalt mit uns ist.
Im Dazwischen, in der Verlangsamung der Handlung unseres Alltags wirkt Gott. Corona hat diese Gemeinschaft eingeschränkt, viele Menschen isoliert, aber uns doch nicht davor abgehalten, einander zu suchen, zu helfen und uns auf den anderen zu sensibilisieren. Da wirkt Gott: In diesem leisen Suchen nach dem anderen, und nicht im Geschrei und der Erstürmung des Deutschen Parlaments.
Wenn zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, das ist die revolutionäre Botschaft Christi, unsere Parole des Sommers der Befreiung. Im Dazwischensein füreinander da zu sein und zu wissen, Gott ist mit uns, wirkt durch uns und ist in diesem Dazwischen.
Kyrie (Marc-Bernhard Gleißner)
Ein reines Herz schaffe mir, Gott,
einen festen Geist erneure in meinem Innern!
Verwirf mich nicht vor deinem Antlitz,
den Geist deiner Heiligung nimm nicht von mir!
Gott, lass uns trauern lernen um die Geschundenen
und Erschlagenen deines Volkes Israel,
um die Verfolgten und zu Tode Gequälten aller Völker,
die die Anschläge der Mörder nicht überlebt haben.
Gott, lass uns lernen, zornig zu werden
mit dir und deinem Volk über Verleumdung und üble Nachrede,
mit den von Rassismus und Sexismus Bedrohten
vieler Glaubens- und Lebensformen.
Stärke uns und unseren Glauben!
Vergib uns unsere Schuld! Erbarme dich unser! Amen
Gloria: Ich lobe meine Gott GL 383,1-3 (Jutta Thommes)
Gebet (Marc-Bernhard Gleißner)
Gütiger Gott,
Du hast uns durch Deinen Sohn erlöst
und als Deine geliebten Kinder aufgenommen.
Sieh voll Güte auf alle, die an Christus glauben,
und schenke Ihnen die wahre Freiheit
und das ewige Erbe.
Darum bitten wir durch Jesus Christus,
deinen Sohn unseren Herrn und Gott,
der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt
und wirkt in Ewigkeit. Amen.
ERSTE LESUNG
Impuls (Marc-Bernhard Gleißner)
Das Buch Ezechiel hat eine ganz besondere Stellung in den Prophetenbüchern der Heiligen Schrift. Bei keinem anderen Propheten findet man eine so klare Einheit von Form, Inhalt und Gesellschaftskritik. Im Buch Ezechiel redet und handelt Gott ununterbrochen. Das zeigt sich in der starken Ich-Rede, die das Buch in seiner Form auszeichnet. Diese Ich-Rede ist so stark, dass der Prophet Ezechiel mit wenigen Ausnahmen vollkommen in den Hintergrund rückt. Gott wirkt durch einen Menschen in voller Power und Anwesenheit.
Das Göttliche, das Menschliche und das Soziale verschmelzen zu einer Wirkmächtigkeit. Inhaltlich ist das Buch Ezechiel sehr einheitlich gegliedert: Erst hält Gott Gericht über Israel, dann hält er Gericht über die Welt und nachdem er Gericht gehalten hat und verurteilt hat: Israel liegt in Trümmern, das Volk ist nach Babylon verschleppt und lebt dort im Exil folgt im dritten Teil die Heilsankündigung für Israel.
Der heute gelesene Texte stammt aus dieser Heilsankündigung. Aber der Text ist kein Heididei; er hat es in sich: Aus dem Exil Babylons heraus, ruft Gott den übrigen BewohnerInnen Israels, die in den Trümmer des einstigen Heiligen Landes zu: Seid Wächter füreinander!
Das ist genau die Gegenbotschaft, die Kain nach dem Sündenfall an Abel rausposaunte: „Bin ich denn meines Bruders Hüter?“ – Gottes Antwort: „Ja, bist Du! Seid Ihr! Kümmert Euch gefälligst umeinander.“
Wenn man sich die Bibelstelle anschaut, fragt man sich denn: Aber auf wen soll ich den aufpassen? – Die wortgetreue Bibelübersetzung der Elberfelder Bibel sagt: Die Gottlosen!
Uff, das sitzt. Also, handelt es sich hier um einen Missionierungsauftrag? Und warum droht Gott den gottlosen den auch noch den Tod an? Und warum, sollen wir dann den anderen überzeugen?
Das Buch Ezechiel ist aus der Erfahrung des babylonischen Exils geschrieben: Neben Götzenverehrung richtete vor allem Macht, Kriegslust, ein für damalige Zeiten vorhandener Turbokapitalismus, der die Armen verrecken ließ und die Reichen begünstigte zum Untergang Israel zu Grunde.
Gott will, dass dieses Unheil nicht noch einmal geschieht. Bevor, die Menschen sich politisch zu Grunde richten, soll sich jeder in der Gemeinschaft verpflichtet fühlen aus Solidarität für den anderen in die Bresche zu springen, damit die Sünde in ihrer sozial vernichtenden Dimension verhindert werde.
Übersetzen wir mal: Jeder von uns ist aufgerufen, dass wir Sorge für unsere Brüder und Schwester tragen, dass sie bei einer Anti-Corona-Diskussion nicht das Parlament stürmen.
Uff, ich sagte ja, die Bibelstelle hat es in sich.
Text (Bruni Werner)
Lesung
aus dem Buch Ezéchiel.
So spricht der Herr:
7Du Menschensohn,
ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben;
wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst,
musst du sie vor mir warnen.
8Wenn ich zum Schuldigen sage:
Schuldiger, du musst sterben!
und wenn du nicht redest,
um den Schuldigen vor seinem Weg zu warnen,
dann wird dieser Schuldige seiner Sünde wegen sterben;
sein Blut aber fordere ich aus deiner Hand zurück.
9Du aber, wenn du einen Schuldigen vor seinem Weg gewarnt hast,
damit er umkehrt,
und er sich nicht abkehrt von seinem Weg,
dann wird er seiner Sünde wegen sterben;
du aber hast dein Leben gerettet.
Antwortgesang: Sonne der Gerechtigkeit GL 481,1-4 (Jutta Thommes)
ZWEITE LESUNG
Impuls (Marc-Bernhard Gleißner)
Paulus‘ Briefe an die Gemeinde in Rom haben eine besondere Qualität: Er kennt die Gemeinde nicht persönlich, weiß aber dass sie ein Problempool an Christen sind, weil ihre soziale, ökonomische und politische Stellung schwierig ist und von Marginalisierung, Diskriminierung und Unterdrückung betroffen sind.
Paulus muss hier das Verhältnis zum Staat klären und das ist schwierig: „Frauen, die einen Großteil der Gemeinde in Rom ausmachen, haben keine Rechte wie Männer. Sklaven und Freigelassene Sklaven müssen Steuern in Rom zahlen, die ein Römer nicht zahlen muss. Das ist ungerecht bis ins letzte. Dagegen muss man doch etwas tun.
Doch Paulus schreibt: „Seid niemanden etwas schuldig.“ Also, übersetzt: Zahlt Eure Schulden, nehmt Eure gesetzliche Pflicht auf Euch, lasst Euch unterdrücken.
Stattdessen: „Liebt!“ Damit wird Paulus zum Erfinder des politischen Stockholm- Syndroms: Der Gefangene, der Unterdrückte soll mit seinem Täter, mit seinem Unterdrücker sympathisieren.
Gut, das war jetzt eine böswillige Unterstellung. Aber dahinter stehen legitime Fragen, die sich Paulus auch mal gefallen lassen muss.
Paulus antwortet: Jedes Gesetz zu befolgen und damit bezieht er die 10-Gebote mit ein, funktionieren nur, wenn sie letztendlich im Sinne des Gebotes der Nächstenliebe erfüllt werden.
Denn die Liebe tut nichts Böses. Wenn das Gesetz aber nun Böse ist, lieber Paulus, wie kann es dann der Liebe dienen? Paulus denkt eben nicht wie ein Revolutionär, das ärgert uns. Er denkt wie ein Philosoph: Wenn die Liebe das Böse besiegt und das haben wir in Jesus erfahren, dann kann die Entgegnung des Gesetzes, dass unterdrückt mit Liebe zur Solidarität und Liebe zu begehen, subversiv sein. Denn sie sagt dem Gesetz: Ich bin Dir nichts schuldig, aber dem Unterdrückten, ich bin Dir in Liebe verbunden.
Wir sind eben doch die Hüter unserer Geschwister in unserer unmittelbaren Nähe, in der Kirche und in der Politik. Auch wenn wir sie nicht mögen: Lieben wir einander!
Text (Ralf Schmitz)
Lesung
aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom.
Schwestern und Brüder!
8Niemandem bleibt etwas schuldig,
außer der gegenseitigen Liebe!
Wer den andern liebt,
hat das Gesetz erfüllt.
9Denn die Gebote:
Du sollst nicht die Ehe brechen,
du sollst nicht töten,
du sollst nicht stehlen,
du sollst nicht begehren!
und alle anderen Gebote
sind in dem einen Satz zusammengefasst:
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
10Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.
Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.
Antwortgesang: Liebe ist nicht nur ein Wort (Jutta Thommes)
Halleluja GL 483,1 (Jutta Thommes)
Evangelium (Matthias Werner)
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
15Wenn dein Bruder gegen dich sündigt,
dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht!
Hört er auf dich,
so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.
16Hört er aber nicht auf dich,
dann nimm einen oder zwei mit dir,
damit die ganze Sache
durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen
entschieden werde.
17Hört er auch auf sie nicht,
dann sag es der Gemeinde!
Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht,
dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.
18Amen, ich sage euch:
Alles, was ihr auf Erden binden werdet,
das wird auch im Himmel gebunden sein,
und alles, was ihr auf Erden lösen werdet,
das wird auch im Himmel gelöst sein.
19Weiter sage ich euch:
Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten,
werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.
20Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen.
Halleluja (s. oben)
3 Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt, suchet zuerst Gottes Herrschaft/und alles andere erhaltet ihr dazu./Halleluja, halleluja! /Kv/
Predigt (Marc-Bernhard Gleißner)
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
ich stelle mir gerade vor, dass mir eine Gesprächsnotiz vom Sozialdienst zwischengöttlicher Dienste zugetragen wurde, aus der hervorgeht, dass Jesus dringend eine Mediation zwischen seinem Evangelisten Matthäus und ihm verlangte. Aus dem streng vertraulichen Dokument lese ich kurz vor:
Mediator: „Herr Jesus, Sie fühlen sich von Herrn Matthäus falsch wiedergegeben und haben das Gefühl, dass der Evangelist seiner Aufgabe als ihr persönlicher Biograph nicht richtig nachzukommen scheint. Sie fühlen sich politisch instrumentalisiert. Können Sie das mal als Ich-Botschaft und ohne Vorwurf so schildern, dass der Herr Matthäus das nachvollziehen kann.“
Herr Jesus: „Ja, wissen Sie, eigentlich wollte ich mit meinem Kreuzestod vor 1987 Jahren ja Schluss machen mit Tod, Schuld und Sünde. Das war ja damals so ein langer Prozess in der Dreifaltigkeit, dass wir beschlossen haben, wir haben die Menschen so lieb, wir wollen das gar nicht mehr. Mein Vater war damals sehr motiviert aus dem Gespräch raus gegangen und sagte: Ich gründe jetzt die Initiative Happy Schöpfung Forever, also Glückliche Schöpfung für immer (Anmerkung der Redaktion). Damit wurde ja dann auch meine Geburt, mein Tod, meine Verkündigung und meine Wiederauferstehung in einem geplant. Wir wollten klar machen, dass die gesamte Menschheit, egal ob Mann oder Frau, ob sie JHWH, Allah, die Dreifaltigkeit, Brahma oder den Fußball anbeten, egal welcher Hautfarbe oder wen die lieben oder ob die arm oder reich sind, also das wirklich alle eingeladen sind, mit uns in der Dreifaltigkeit glücklich zusammenzuleben. Wir haben damals auch zum großen Abendbrot mit Wellnesserfahrung für die Füße eingeladen, um einfach klar zu machen: Die Dreifaltigkeit hat Euch lieb! Und wenn der Sohn wieder zum Vater geht, dann soll die Menschheit eines Geistes glücklich im Geist sein. Aus vorbei mit Schuld, Sühne und Sünde.“
Mediator: „Herr Jesus, das kann ich mir vorstellen, dass das ein riesiger Kraftakt gewesen sein muss. Und davor möchte ich auch wirklich meinen Respekt vor äußern, aber ich habe jetzt mal ihre Biographie von Herrn Matthäus gelesen und muss sagen, dass hat der Herr Matthäus schon sehr imposant geschildert. Ich habe ja auch gehört, dass ihre Biographie nach Herrn Matthäus auch verfilmt werden soll und dass die Sprache von Herrn Matthäus so gewaltig ist, dass man Richard Wagner für die Filmmusik angefragt hat und als Regisseur für die Special Effects niemand anderes als Roland Emmerich anfragte, der ja schon Independence Day, Godzilla und andere Kinofilme auf die Leinwand brachte. Ich verstehe Ihre Unzufriedenheit mit Herrn Matthäus nicht.“
Herr Jesus: „Ja, sehen Sie. Genau darin liegt ja das Problem. Unsere Initiative Happy Schöpfung Forever war nicht als imposanter Kinofilm angelegt. Der Herr Matthäus, der bauscht das alles so auf. Es war geplant, ich werde geboren, wenn ich im Erwachsenenalter bin, rede ich etwas mit den Menschen, erkläre ihnen, was Gott denkt, zeigen den Menschen mit ein paar Wundern, wie sehr sie Gott liebt und dann feiern wir noch einmal eine große Sause und dann sterbe ich durch Kreuzigung. Ich sollte ganz normal, undramatisch all das durchleben, wo jeder einzelne Mensch auch durch muss. Und dann sollte es die große Erleuchtung geben: Ich erstehe von den Toden auf. Und zwar nicht als Special Effect, sondern als Zeichen, dass Gott die Menschen so lieb hat, dass er für sie durch Tod und Hölle geht. Und all das können die Menschen auch, wenn sie sich nur selbst und gegenseitig lieb haben. Unser Slogan damals lautete: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Damit haben wir keine seltsamen Versprechen gemacht, sondern gesagt: „Ihr Menschen im Lieben istdie göttliche Dreifaltigkeit mit Euch und ihr dürft Gott selbst erfahren.“
Mediator: „Herr Jesus, ich verstehe Ihren Vorwurf immer noch nicht. Das hat der Herr Matthäus doch geschrieben und gleichzeitig, diese erstklassige Formulierung der Weltliteratur eingebracht: „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind.“ Das kann heute jedes Grundschulkind im Kanon alleine mitsingen. Das ist doch wunderbar.
Herr Jesus: „Aber haben sie sich mal die Stellen davor durchgelesen? Da steht, wenn einer von Euch Schuld aufgeladen hat, dann soll man diese Person zur Rede stellen und wenn das nicht hilft, dann soll man noch mehr Menschen dazunehmen. Und wenn dann der Betroffene nicht zuhört oder seine Schuld gesteht, soll man das vor die Gemeinde bringen. Und wenn dann keine Einsicht beim „Sünder“ steht, soll man ihn wie einen Gottlosen oder Betrüger behandeln. Also ausgrenzen oder verurteilen? Ich möchte mit dieser Besserwisserei nicht in Zusammenhang gebracht werden. Wissen Sie, ich bin kein Jurist oder Staatsrechtler und auch kein Mediator wie sie. Meine Botschaft war doch nur „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen, bin ich in ihrer Mitte.“ Ich wollte doch nur Vorbild sein und dass die Menschen selber einander Vorbild ist. Stellen Sie sich mal vor, wenn einer von der Dreifaltigkeit nach der Kommunion den Kelch nicht aufgewaschen hat oder Toastbrot wieder in die Tüte gepackt und dann käme der Vater zu mir und sagte: „Jesus, Du hast das Brot nicht in den Brotkorb zurückgelegt.“ Und ich würde sagen: „Doch habe ich!“ und dann Gott Vater: „Hast Du nicht!“ und das ginge hin und her. Dann würde Gott Vater den Heiligen Geist einschalten und der würde sagen: „Aber Jesus, Du standst ganz eindeutig auf Plan, um das Brot wegzuräumen.“ Und wenn es dann keine Einigung gäbe, würde die Jungfrau Maria und die Gemeinschaft der Heiligen hinzugezogen werden. Meinen Sie, ich würde dann meinen Fehler eingestehen? Ich meine, wenn so viele Menschen besserwisserisch auf mich einquatschen, ich wäre ja ganz vernagelt! Und wissen Sie was Gott Vater macht, wenn ichvergessen habe das Brot wegzuräumen, er räumt das Brot selber auf und fragt, ob ich ihm helfen könne. Er ist da einfach Vorbild! Und nichts anderes wollte ich den Menschen auch sagen.
An dieser Stelle endet leider die Gesprächsnotiz. Ob sie authentisch ist oder nur eine Notiz für ein Theaterstück ist, lassen wir mal an der Stelle offen. Offen aber ist nicht, dass Gott sein Heilshandeln an uns immer durch Menschen erfahren ließ. Wir sind sein Volk, berufen in die Gemeinschaft der Heiligen, aufgerufen zu seiner Nachfolge. Und diese Nachfolge besteht nicht im Belehren, Vorhaltungen machen oder Besserwissen, sondern im gegenseitig aufeinander achten, füreinander Vorbild sein und im gegenseitigen Verständnis füreinander. Und genau dann, dann sind wir nicht alleine, sondern zwei oder drei und in diesem Handeln sind wir in Gottes Namen zusammen und dann ist Gott unter uns, wirkt durch uns und ist bei uns.
Im Spätsommer der Befreiung verstehen wir Kirche vielleicht besser als ein Ensemble, dass mit vielen Stimmen miteinander, gegeneinander diskutiert, aber geeint ist, in der Nächstenliebe. In der Pfarrgemeinde St. Matthias gehen wir diesen Weg spirituell, diskursiv und kulturell. In der Initiative Kulturelle Diakonie, die am 01. September 2020 startete, laden wir alle ein, als Experten des Alltags ihre Ideen für Theaterprojekte einzubringen, um Kirche zu einem Ensemble der vielen Stimmen zu formen, die eins in der Nächstenliebe und der Anerkennung des Anderen. Wir wagen uns auf, in einen Zwischenraum zu gehen, Kunst aus unseren Erfahrungen zu machen und damit zu experimentieren, was Gemeinschaft aus uns macht. Und das Befreiende: In diesem Dazwischen und Miteinander wird Gott dabei sein und er wird uns zeigen, wie wir die Mauern unseres Alltags überspringen können. Amen.
Lied: Mit meinem Gott (Jutta Thommes)
Glaubensbekenntnis – von Dorothee Sölle (Ralf Schmitz)
Ich glaube an Gott, / der die Welt nicht fertig geschaffen hat /
wie ein Ding, das immer so bleiben muss.
Ich glaube an Gott, / der den Widerspruch des Lebendigen will /
und die Veränderung aller Zustände /
durch unsere Arbeit und Politik.
Ich glaube an Jesus Christus, / der recht hatte, /
als er genau so wie wir / an der Veränderung der Zustände arbeitete /
und darüber zugrunde ging. /
Ich glaube an Jesus Christus, / der aufersteht in unser Leben, /
dass wir frei werden von Angst und Hass / und seine Revolution weiter treiben.
Ich glaube an den Geist, / an die Gemeinschaft aller Völker /
und unsere Verantwortung für das, / was aus unserer Erde wird. /
Ich glaube an den gerechten Frieden, /
an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens / für alle Menschen./
Ich glaube an die Zukunft dieser Welt Gottes und des Menschen. Amen
Fürbitten (Marc-Bernhard Gleißner)
Jesus, der Du bei uns bist, in allem, was wir tun. Du hast das Volk Israel, das Gott sich auserwählt hat, zu einer neuen vielfältigen und bunten Gemeinschaft gemacht, in der alle eingeladen sind, willkommen und zu Hause zu sein.
Für alle, die durch Corona isoliert wurden, ob in Quarantäne, sozial oder psychisch.
(Stille)
Jesus Christus, sei Du unter ihnen.
Für alle, deren berufliche Existenz auf dem Spiel steht und die um ihre Zukunft bangen. Für alle, die nach neuen Wegen suchen unter den veränderten Umständen zu leben.
(Stille)
Jesus Christus, sei Du unter ihnen.
Für unsere Gesellschaft, die im Streit ist über die Corona-Auflagen. Für unsere Gesellschaft, die sich gerade teilt und auseinanderlebt. Sei Du Vorbild für uns, dass wir uns gegenseitig achten, dass wir solidarisch miteinander sind und das hohe Gut unserer Demokratie und Freiheitsrechte nicht dem Hass und der Angst unterwerfen
(Stille)
Jesus Christus, sei Du unter uns.
Für unsere Kirche, dass wir uns nicht belehren, sondern Vorbild füreinander sind. Dass wir uns helfen und lieben, wie Du es uns vorgelebt hast.
(Stille)
Jesus Christus, sei Du unter uns.
Jesus Christus, Du hast Gemeinschaft gelebt, in ihr den Menschen geliebt und uns alle darin geheiligt. Lass uns und unsere Stillen Gebete stets von Dir erhört werden und sei, ob wir alleine oder, wenn wir zu zwei oder drei in Deinem Namen zusammen sind, uns immer Deine Gegenwart erfahren. Amen
Vaterunser (Bruni Werner)
Vater unser im Himel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Gebet und Segen (Marc-Bernhard Gleißner)
Gott, unser Leben ist geprägt von Exil und Diaspora, von Verworfenheit und Zerrissenheit.
Gott, unser Leben ist geprägt von Gemeinschaft und intimer Nähe, von Mut und Stärke. Sei Du bei in der Vielfalt unseres Lebens, helfe uns zu uns zu kommen, damit wir Dich finden.
Lied zum Schluss: GL 852 Wo Menschen sich vergessen (Jutta Thommes)
Verabschiedung (Ralf Schmitz)
Einfach spitze! Vielen Dank für diese Gedanken und Impulse zu den biblischen Texten
Danke für diesen Gottesdienst mit seinen besonderen Impulsen und Auslegungen, ebenso auch für die vergangenen Gottesdienste und die Betphon-Gottesdienste mit der kleinen offenen Gemeinschaft am Morgen und auch am Abend . Man fühlt sich dazugehörig, ohne Verpflichtung teilnehmen zu müssen. Man wird auch mit liebevollem Nachfragen vermisst. Es darf auch gesungen oder auch Texte alleine oder im Wechsel vorgetragen werden. Eine Frage: Ist bei dem angekündigten Theaterprojekt eine Teilnahme möglich oder die Teilnahme an einer Probe?
Liebe Magdalena, das Projekt Initiative Kulturelle Diakonie wird demnächst einen Aufschlag machen und die Projekte fürs nächste halbe Jahr vorstellen. Alle Theaterprojekte sind zum Mitmachen gedacht. Auch wird es Formate von offenen Proben geben. Die Theatergruppe Kreuz&Quer, die seit letzter Woche eine Kooperationswunsch mit Sredna beschlossen hat, wird Anfang nächsten Jahres eine Probe aus dem Stück „Hymnen für Europa“ vorstellen. Für weitere Fragen kannst Du Marc-Bernhard Gleißner unter marc-bernhard@sredna-herzjesu.de erreichen.
Sommer der Befreiung: Auch ich sage herzlichen Dank allen, die diese Gottesdienste trotz vielfältiger anderer Aufgaben für samstägliche Betphongemeinde möglich machen. Mit dem Zeitpunkt der erneuten Öffnung unserer Kirchen für Teilnahme an der Hl. Messe, ist es ein Kraft forderndes Zusatzangebot. Danke für die sehr interessanten und tiefgehenden Impulse und Auslegungen des Wort Gottes von ganz unterschiedlichen Personen, jeweils aus ihrer speziellen Alltagssituation heraus. Das ist sehr bereichernd.i
Sommer der Befreiung, leider hat nach dem Frühling in unserer Kirche, der Mut zum Sommer nicht mehr gereicht. Da wurde die alles erneuernde Hl. Geistkraft gehindert durchzuschlagen. Beten wir für die, die unter großem persönlichen Einsatz nach neuen Wegen in der Seelsorge suchten und mit uns gehen wollten, die sich nun ausgebremst fühlen, dass sie nicht resignieren und die sie erfüllende Aufgabe finden.
Sommer der Befreiung, dass dazu gehört, Gottes Wort im Menschenwort infrage zu stellen und einfach schwierige, sperrige, herausfordernde Passagen wegzulassen, fühlt sich für mich nicht gut an. Wo fangen wir dabei an und wo hören wir auf? Ich sehe das heutige Evangelium nach Matthäus vorneherein so, wie es in der Quintessenz der Predigt heißt: Im gegenseitig aufeinander achten, füreinander Vorbild sein und im gegenseitigen Verständnis füreinander.
Der Überlieferung nach war der Evangelist Matthäus selbst Zöllner, als er von Jesus berufen wurde. Er hat also die heilende, neues Leben schenkende Zuwendung seines Herrn am eigenen Leib erfahren Mt9,9-12. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das im 15. Kapitel bereits vergessen hat. Daher kann ich nur annehmen, dass er seiner Gemeinde klarmachen will, dass jedes Gemeindemitglied Verantwortung trägt im Mit- und Füreinander, besonders aber für die Schwierigen und Ausgegrenzten. Dazu macht Matthäus seiner Gemeinde die wunderbare Zusage, dass sie dabei nicht alleine steht, sondern dass Jesus selbst in ihrer Mitte sein wird, auch wenn sie nur zu zweit oder dritt sind.