Die Geschichte ist simpel: Just am Heiligenabend fallen im Mehrparteienhaus der gesamte Strom und die Heizung aus. Nur nicht in der Wohnung von Frau Krampe, die als missmutige Dame bekannt ist, die öfters mal ein Likörchen zu viel trinkt. Die BewohnerInnen des Mehrparteienhaus suchen kurzzeitig Asyl bei Frau Krampe und erleben einen Heiligen Abend, der so bunt und widersprüchlich ist, wie es die BewohnerInnen selbst sind: Zwischen Kitsch und Streit offenbaren sich zarte Lebensgeschichten am Heiligen Abend.
Hier das Hörspiel zum Nachhören:
Mit: Marie Ecarnot, Christine Hild, Birgit Kruppert, Marlies Lehnertz-Lütticken, Frieder Lütticken, Carsten Oergel, Hubert Ries, Heidi Rischner, Jutta Thommes, Petra Gerda Weiland
Das Live-Telefon-Hörspiel „Stromausfall in der WG-Gottes“ wurde von 10 ExpertInnen des Alltags in der Pfarrei St. Matthias entwickelt. Geprobt wurde per Telefon- oder Videokonferenz. In einem sehr aufwendigen Interviewverfahren unterhielt sich Marc-Bernhard Gleißner mit den beteiligten und schrieb daraus mit den Ensemblemitgliedern Episoden, die die Haltung der Ensemblemitglieder zu Weihnachten widerspiegelten. An der theatralischen Überspitzung durfte es nicht fehlen: So wurden mit Frau Krampe (Carsten Oergel) und der Vermieterin (Birgit Kruppert) zwei Frauengestalten geschaffen, vor denen man sich auch zu Weihnachten fürchten kann. Eine Antagonistin zu diesem duo infernale ist die von Petra Gerda Weiland entwicklete Gwendolina Pfafflhuber, die es mit ihrer leicht überdrehten Art schafft, Weihnachten zum einem Großereignis der Spitzenklasse werden zu lassen: Absurditäten braucht man hier nicht zu missen!
Marlies Lehnertz-Lütticken und Frieder Lütticken schrieben mit einer feinen Annhäherung an Heiligabend-Routinen Szenen, die an die Ironie Loriots erinnern. Während Heidi Rischner ihre Lebensgeschichte als Märchen verpackte, das es vermag zwischen schrulliger Erzählung und einer tiefen Weihnachtswahrheit zu pendeln.
Sehnsuchtsvolle Geschichten zu Weihnachten berichten Christine Hild und Jutta Thommes: Von Weihnachten als einem Ort zu sprechen, an dem Gott selbst anwesend ist, verlagert Christine Hild ihre Interventionen an ihren Sehnsuchtsort, den Starnberger See. Und ganz anders entwirft Jutta Thommes ein klangmalerisches Bild der Tiefe und der Nacht Schwedens im Winter. Dort ist Weihnachten kein Ort der Konturlosigkeit , sondern die Möglichkeit, in der Dunkelheit des Alltags in einem Lichtermeer schwimmen zu können.
Einen kulturellen Kontrapunkt schenkt Marie Ecarnot mit ihrem Weihnachtsvergleich zwischen Deutschland und Frankreich: Gefangen zwischen Festtagsschmaus und der Erfahrung von Weihnachten als Kriegserlebnis hält sie allen Weihnachtshassern den Spiegel vor.
Der emotionale Höhepunkt des Hörspiels wird erreicht, wenn Hubert Ries von der Tragik seiner wohl für ihn traurigsten Weihnachten berichtet.
(Regisseur Marc-Bernhard im Blättermeer von Interviews und Szenen, beim Versuch diese zu einem Hörspiel zu entwickeln.)
Regisseur Marc-Bernhard Gleißner arbeitete mit der Methode der Experten des Alltags: Jede Schauspielerin, jeder Schauspieler sollte sich darüber Gedanken machen, was sie oder ihn zum Freak zu Weihnachten macht. In den Interviews erzählten die Teilnehmenden von Alltagssituationen, Gefühlen, kuriosen Geschehnissen, aber auch von Lebensgeschichten, die von Wut, Traurigkeit und Verzweiflung geprägt waren. Diese Geschichten wurden zu theatralen Haltungen entwickelt oder zu Rollen stereotypisiert. Diese Interviews zu einem Stück zusammenzustricken, war die größte Herausforderung für den Regisseur. Nachdem alle Teilnehmenden so wunderbare Zeugnisse von ihren Erfahrungen zu Weihnachten ablegten, war es nun die Aufgabe, allen gerecht zu werden und ihre Geschichten zu einem kunstvollen Ganzem zu verbinden.
Marc-Bernhard Gleißner entschied sich nicht dafür eine Meta-Geschichte zu schreiben, sondern alle Akteur*innen in einer WG unterkommen zu lassen, die eine Notfalllösung ist, weil eben der Strom ausfällt. Was dann stattfindet ist ein Kommunizieren ohne Miteinander. Jede Haltung sucht nach Präsenz sich zum Ausdruck zu bringen, aber nicht um mit dem anderen ins Gespräch zu kommen.
Und zwischendurch kommentiert Frau Krampe böswillig, was sowieso offensichtlich ist: Weihnachten ist ein Fest, das mit seinen Erwartungen eine solche Spannung erzeugt, die weder in einer WG noch in einer Gesellschaft aushaltbar sind.
Wenn Gwendolina Pfafflhuber kurz vor Ende des Stücks fragt: „Sagen Sie mal Herr Hubert, wissen Sie worum es gerade noch geht? Ich habe irgendwie den Faden verloren?“ bricht sie nicht nur auf einer ästhetischen Ebene mit dem Hörspiel, sondern fragt auch nach dem Sinn von Weihnachten in einer Welt, in der Erwartungen und Hoffnungen wichtiger sind, als die Menschen, die mit einem sind und eigentlich die spannenderen Geschichten zu erzählen haben.
Wenn wir diesen Geschichten zuhören, dann können vielleicht viele Erwartungen zu einer Hoffnung verwebt werden…
…als Text…
…womöglich sogar zu Weihnachten.
Das Hörspiel ist eine Produktion von IKD (Initiative Kulturelle Diakonie im Trierer Süden).
Das Hörspiel beginnt am Sonntag, den 20.12.2020 um 15 Uhr. Es wird live auf Zoom übertragen und dauert 70 Minuten.
Hier die Telefonnummer: 069/ 7104 9922.
Zugang: 977 3574 9228# danach: nochmal # (kein Passwort)
Oder über ZOOM: https://zoom.us/j/97735749228
Und hier das Bonus-Material:
Einblicke ins Studio während der Aufführung:
Tolle Idee wir sind gespannt und dabei !
Danke für diese überragende Produktion. Gratulation an den Regisseur und die Sprecher, ihr habt das Ganze zu einem Erlebnis gemacht. Ab Minute 15 kam ich noch nicht mal mehr dazu, die bereitgestellten Spekulatius zu knabbern, so hat das Stück mitgerissen. Nochmal: danke, danke, danke. Habt alle ein (den Umständen entsprechendes) gutes Weihnachtsfest und macht bitte weiter so. Liebe Grüße aus Bonn.