Stille (Klangschale)
Gedicht von Christian Lehnert „Vanitas“
Ein nasser, morscher Stamm, von einem Baum nur Schalen
und lose Rinde, mürb die pilzzersetzte Seele,
dunkle Poren, fahle
Fasern, ihnen fehlen
ein jeder Halt und Form. Die Flächen hüllen weiß
das erdig kalte Holz, den achtzigfachen Kreis.
Die blinden Asseln bohren, die Tausendfüßer winden
sich in die Weichheit ein, das Mark, papierne Haut –
Stumpf der großen Linde,
leiser Röhrenlaut
verfliegt und wird vergessen, wie Atem, Rauch im Wind,
die Reiche und wie Menschen, wo keine Namen sind
Was rechne ich mir zu? Was glaube ich zu haben?
Im ungewissen Kreis, von Schritt zu Schritt im Fallen,
Rinnsal, Mulm, mein Graben,
Sickern und Verhallen?
So lass doch ein den Hauch, verschließ dich nicht im Bleiben!
Lass still den Gott in dir sein Wuchs und Strömung treiben!
2 Minuten Stille
Liturgische Eröffnung
+ Im Namen des Vaters.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
die Liebe Gottes, Vater und Mutter zugleich
und die Kraft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Liebe Schwestern und Brüder,
herzlich willkommen zum Abendgebet am Aschermittwoch 2024
Wie auch immer wir die letzten Tage verbracht haben –
froh und ausgelassen feiernd,
nachdenklich und still,
auf der Flucht vor Fastnacht und Karneval,
oder mittendrin,
ob uns Sorgen gequält haben,
ob wir allein waren – selbst gewählt oder weil es halt so ist,
ob wir mit anderen zusammen waren –
in der Freude oder in der Traurigkeit
oder ob wir einfach nur ausruhen wollten –
in den eigenen vier Wänden
oder irgendwo unterwegs:
jetzt sind hier – in unserer Kirche,
gemeinsam.
Und setzen, nehmen ein Zeichen,
ein gemeinsames Zeichen:
das Kreuz aus Asche.
Noch riecht es nach verbrannten Blättern
und verbrannten Zweigen –
und nach zwei köstlichen Fastensuppen.
Noch leuchtet hier das Licht –
der Taufe und Firmung von Nadeem Omer,
der heute morgen getauft und gefirmt wurde
und den wir in unsere Gemeinschaft der
Glaubenden, Hoffenden und Liebenden aufgenommen haben.
Seine Lebens- und Glaubensgeschichte
haut einen immer wieder um.
Eine Geschichte von Flucht und von Suche,
von Hoffnung und Aufbruch –
von Zurückweisung und dem Gefühl angekommen zu sein.
Hier bei uns.
Und wir können nur so dasitzen und zuhören –
Uns anrühren lassen.
Schweigend. Schweigend mitfühlend und dankbar.
Wir können versuchen,
zumindest geistlich schweigend aufzubrechen in den
40 Tagen, die heute beginnen.
40 Tage gehen wir Richtung Ostern,
zu dem Fest, das auch Gründonnerstag und Karfreitag einschließt.
In diesem Drama spiegelt sich unser Leben.
Es ist kein „Nachspielen“ des Lebens Jesu –
es ist die Entdeckung seiner Spuren, seiner Gegenwart
in unserem Leben – und umgekehrt.
Danken wir zu Beginn dieser 40-Tage
für die Chance,
für das Zeugnis von Nadeem
und deutschen und iranischen Menschen,
in den beiden Katechumenatsgruppen des Pastoralen Raums
die heute morgen für ihren weiteren Weg auf dem Weg
der Christwerdung gesalbt und gestärkt wurden.
Der Geist des Herrn hat uns den Anfang neu geschenkt.
Uns allen.
Gesang: Der Geist des Herrn hat uns GL 788,1-3
Tagesgebet
Gnädiger Gott,
heute beginnen wir
die 40 Tage der Österlichen Bußzeit,
eine Zeit der Umkehr und des Neubeginns.
Wir wissen,
dass wir gebrochene Menschen sind,
wir bedauern und bereuen,
was wir falsch gemacht haben.
Wir bitten dich,
schaffe uns ein neues Herz,
gib uns einen neuen beständigen Geist.
Stärke uns in unserer Abkehr vom Bösen
und ermutige uns,
zu beten, zu fasten
und denen Barmherzigkeit zu erweisen, die in Not sind.
Darum bitten wir durch Jesus Christus,
unsern Herrn und Bruder,
der mit dir lebt und wirkt,
in der Kraft des Heiligen Geistes.
Jetzt und in Ewigkeit. Amen.
Lesung 2 Kor 4 (in Auswahl)
Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth in seinem 2. Brief:
Gott sprach:
Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!
Er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet,
damit aufstrahlt die Erkenntnis des göttlichen Glanzes
auf dem Antlitz Christi.
7 Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen;
so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft
von Gott und nicht von uns kommt.
8 Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben
und finden doch noch Raum;
wir wissen weder aus noch ein
und verzweifeln dennoch nicht;
9 wir werden gehetzt
und sind doch nicht verlassen;
wir werden niedergestreckt
und doch nicht vernichtet.
10 Immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib,
damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird.
11 Denn immer werden wir,
obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert,
damit auch das Leben Jesu
an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird.
16 Darum werden wir nicht müde;
wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird,
der innere wird Tag für Tag erneuert.
Antwortgesang: Stimme, die Stein zerbricht GL 417,1-3
Evangelium: Mt 6 (vom Tag) – Christine
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
1Hütet euch,
eure Gerechtigkeit vor den Menschen zu tun,
um von ihnen gesehen zu werden;
sonst habt ihr keinen Lohn
von eurem Vater im Himmel zu erwarten.
2Wenn du Almosen gibst,
posaune es nicht vor dir her,
wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun,
um von den Leuten gelobt zu werden!
Amen, ich sage euch:
Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.
3Wenn du Almosen gibst,
soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut,
4damit dein Almosen im Verborgenen bleibt;
und dein Vater, der auch das Verborgene sieht,
wird es dir vergelten.
5Wenn ihr betet,
macht es nicht wie die Heuchler!
Sie stellen sich beim Gebet
gern in die Synagogen und an die Straßenecken,
damit sie von den Leuten gesehen werden.
Amen, ich sage euch:
Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.
6Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer,
schließ die Tür zu;
dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist!
Dein Vater, der auch das Verborgene sieht,
wird es dir vergelten.
16Wenn ihr fastet,
macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler!
Sie geben sich ein trübseliges Aussehen,
damit die Leute merken, dass sie fasten.
Amen, ich sage euch:
Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.
17Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt
und wasche dein Gesicht,
18damit die Leute nicht merken, dass du fastest,
sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist;
und dein Vater, der das Verborgene sieht,
wird es dir vergelten.
Predigt (Ralf)
Liebe Schwestern und Brüder,
Alles, was wir heute schon erlebt haben, wovon ich ein bisschen erzählen konnte – all das ist Predigt genug.
Der Lebens- und Glaubensweg von den meisten von uns ist anders verlaufen – und doch kann, wird?, irgendwann der Punkt kommen, wo jede und jeder Einzelne von uns sich entscheiden muss: trauen wir der Verheißung auf die wir getauft sind – oder tun wir, können wir das nicht?
Vor einiger Zeit ist mir ein kleines Buch in die Hand gefallen: Albert Damblon hat es geschrieben, er ist 76 Jahre alt, war lange Pfarrer in der Eifel, hat Seelsorger*innen im Predigen ausgebildet und war zuletzt Propst in Mönchengladbach. Das kleine Buch trägt den Titel „Dem Tod entgegen balancieren“. Leben mit der eigenen Sterblichkeit.
Ich habe angefangen darin zu lesen – und es wieder beiseite gelegt. Diesmal soll es meine Lektüre für die Fastenzeit werden. Die Überschriften machen neugierig – und auch etwas Angst.
Wir balancieren – auf die eine oder andere Weise – dem Tod entgegen – versuchen die Balance zu halten – zwischen Widerstand und Ergebung, zwischen dem Wissen um das sichere Ende – und der Hoffnung auf das „Danach“.
Wir versuchen die Balance zu halten zwischen dem Tun und dem Lassen, dem Geschehen lassen. zwischen Traurigkeit und Angst vor dem, was kommt und wie es kommt – und Freude am Augenblick, am Hier und Jetzt. Wir balancieren Erfahrungen des Trostes und der Hoffnungslosigkeit, Erfahrungen, selbst das Leben in die Hand zu nehmen – und gelebt zu werden. Wir balancieren dem Tod entgegen. Und der Hoffnung auf unendliches Leben.
Der Aschermittwoch bringt genau diese Balance, diese Spannung zum Ausdruck.
Die Palmzweige des letzten Jahres wurden heute morgen hier verbrannt. Sie standen für den Lobpreis Jesu, der in unser Leben einzieht und bleibt. Sie standen mit ihrem frischen Grün für die Hoffnung, die er uns anbietet – auf die wir uns vielleicht auch eingelassen haben… die Hoffnung, die aber über die Tage, Wochen und Monate des vergangenen Jahres braun und trocken geworden sind, ohne Lebenssaft.
Wir haben sie heute morgen verbrannt – unsere erloschene Hoffnung wird zur Asche. Jetzt, am Ende des Tages, lassen wir uns ehrlich mit dieser Asche bezeichnen, ungeschminkt, und vertrauen darauf, dass das Wasser der Taufe, mit dem die Asche gemischt wird, unsere Hoffnung neu entzündet. Heute morgen war es das Wasser, mit dem Nadeem getauft wurde – sein und unser Weg und der Weg unserer Taufbeweber*innen sind in Christus verbunden.
Wir balancieren dem Tod entgegen – in der Hoffnung auf Leben.
(Stille)
Gebet über die Asche (Ralf)
Gott unser Schöpfer,
diese Asche erinnert uns an die Erde,
von der wir genommen wurden
am Morgen der Schöpfung.
Sie erinnert auch an die Erde,
zu der wir zurückkehren,
in der Nacht des Todes.
Durch das heilende Wasser der Taufe
erfülle uns mit neuem Leben
und erschaffe uns ein neues Herz.
Wecke in uns den Geist der Umkehr
und der Hinwendung zu deiner Guten Nachricht.
+ Segne diese Asche,
und segne uns deine Geschöpfe,
wenn wir unseren Weg der Österlichen Bußzeit
beginnen.
Das gewähre uns durch Christus unsern Herrn.
Amen.
Zur Austeilung der Asche: Bekehre uns GL 266
(solange wie die Austeilung dauert)
Friedensgruß
Nun sind wir gezeichnet-
als Sünder und als Hoffende.
Eine Gemeinschaft der Sünderinnen und Sünder,
die eingeladen sind,
Gottes Vergebung und Gottes Frieden zu empfangen.
Teilen wir ihn mit der Welt,
die sich nach Vergebung und Frieden sehnt.
Herr Jesus Christus….
Der Friede des Herrn….
Gesang: Selig seid ihr GL 458,1-4
Fürbitten
Gott, Herr über Licht und Dunkel,
mit dir schauen wir auf unsere Welt,
auf die Menschen, die mit uns leben,
auf deine Schöpfung.
Die Gegensätze in der Welt verschärfen sich –
Reichtum. Und Hunger.
Absicherung „all inclusive“. Und größte Ungewissheit.
Frieden. Und tödliche Gewalt.
Lass uns umkehren, Herr.
Lass uns umkehren, Herr.
Hass, Gewalt und Zerstörung unseres Zusammenlebens
nehmen immer subtilere Formen an.
Hass und Herabsetzung in Sozialen Netzwerken.
Falschinformationen
durch Menschen in politischen Ämtern und Parteien.
Zerstörung von Vertrauen zwischen Ländern und Völkern.
Lass uns umkehren, Herr.
Lass uns umkehren, Herr.
Menschen verlieren Lebensmut und Lebensfreude –
der Umgebung fehlt oft Verständnis und Mitgefühl.
Wenn eine Krankheit über die Maßen belastet.
Wenn Beziehungen zerbrechen.
Wenn die Kraft fehlt, das Leben und den Alltag zu bewältigen.
Wenn finanzielle Probleme nicht zu bewältigen sind.
Lass uns umkehren, Herr.
Lass uns umkehren, Herr.
Du schwindest immer mehr
aus unserem öffentlichen Leben, Gott.
Kirchengebäude sind verschlossen.
Christliche Gemeinden haben kaum noch Strahlkraft und Anziehung.
Deine Botschaft ist kaum wahrnehmbar in den Diskussionen und der Suche nach Lösungen für die Probleme unserer Zeit.
Lass uns umkehren, Herr.
Lass uns umkehren, Herr.
Gott,
wir sind zerbrechliche Gefäße –
und doch kann deine Gnade in uns wirken.
Lass unsere Umkehr irgendwo beginnen
Und stärke uns mit deinem Segen.
Sei gepriesen in Ewigkeit. Amen.
Vaterunser
Gedicht von Christian Lehnert « Vanitas »
Ein nasser, morscher Stamm, von einem Baum nur Schalen
und lose Rinde, mürb die pilzzersetzte Seele,
dunkle Poren, fahle
Fasern, ihnen fehlen
ein jeder Halt und Form. Die Flächen hüllen weiß
das erdig kalte Holz, den achtzigfachen Kreis.
Die blinden Asseln bohren, die Tausendfüßer winden
sich in die Weichheit ein, das Mark, papierne Haut –
Stumpf der großen Linde,
leiser Röhrenlaut
verfliegt und wird vergessen, wie Atem, Rauch im Wind,
die Reiche und wie Menschen, wo keine Namen sind
Was rechne ich mir zu? Was glaube ich zu haben?
Im ungewissen Kreis, von Schritt zu Schritt im Fallen,
Rinnsal, Mulm, mein Graben,
Sickern und Verhallen?
So lass doch ein den Hauch, verschließ dich nicht im Bleiben!
Lass still den Gott in dir sein Wuchs und Strömung treiben!
Schlusssegen (Ralf)
Schluss: Bewahre uns Gott 453,1-4