Liebe Sredna Freund*innen,
am vergangenen Samstag haben wir unser Herz Jesu Fest im kleinen Rahmen gefeiert. Mit Freude über die Kommunionkinder, die zum ersten Mal die heilige Kommunion empfangen haben, mit Traurigkeit über den Tod von Petra und den Abschied von Marc-Bernhard.
Wir haben uns aber auch mit Marc-Bernhard gefreut über seine neue Herausforderung als Schulseelsorger im Bistum Essen. Er wird in seinem Herzen immer mit Sredna verbunden sein.
Hier einige Texte und Bilder des Gottesdienstes:
Abschied von Marc-Bernhard (Srednateam)
„Dich brennts in deinen Reiseschuhn und musst fortschreiten….“
Lieber Marc-Bernhard,
diese Zeile aus einem alten Wanderlied beschreibt wunderbar den Aufbruch, der dich nun erwartet.
Eine neue Stadt und eine neue berufliche Herausforderung lässt dich weiterziehen.
Wir spüren heute eine Mischung aus Wehmut und großer Freude.
Wehmut, weil wir dich vermissen werden in unserem Team und hier in der Gemeinschaft von Herz-Jesu. Du hast uns mit deiner Energie, deiner Kreativität und Spiritualität so bereichert. Wir sind dankbar für die Zeit, die wir mit dir verbringen durften, für die Theateraufführungen, die Queeren Nachtgebete, für die Gottesdienste, für das gemeinsame Lachen, die ernsten Gespräche und für all das, was du hier aufgebaut hast.
Gleichzeitig empfinden wir aber auch große Freude für dich. Wir freuen uns mit dir, dass du dich und deine Talente an einem neuen Ort einbringen wirst.
Es ist ein mutiger Schritt, nach Essen zu ziehen und eine neue Stelle anzutreten und wir sind überzeugt, dass du auch dort mit deinem Engagement und deiner Persönlichkeit viel bewegen wirst.
Wir wissen, dass Gottes Segen dich auf diesem Weg begleiten wird. Er wird dir neue Türen öffnen und an deiner Seite sein, damit du alle Herausforderungen meistern kannst.
Wir möchten dir heute nicht Lebewohl sagen, sondern Auf wiedersehen. Du bist hier bei uns immer herzlich willkommen, wann immer es dich wieder in unsere Richtung zieht.
Wir werden dich vermissen!
Für deinen neuen Lebensabschnitt wünschen wir dir von Herzen alles erdenklich Gute, Gottes reichen Segen, viel Freude und Erfolg an der neuen Schule und dass du dich schnell in Essen „heimig“ fühlst.
Bruni und Matthias, Jutta, Katja, Elke, Cornelia, Kathrin
Predigt von Marc-Bernhard:
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,
wir leben in widersprüchlichen Zeiten. Wir feiern heute das Herz-Jesu-Fest – ein Fest, das uns verbindet, an einem Ort, der für viele ein Zuhause geworden ist: für das Stadtviertel Barbara, die Nelson-Mandela-Schule, die Gehörlosengemeinde, die queere Community. Hier begegnen sich Menschen mit unterschiedlichen Geschichten, Erfahrungen und Hoffnungen – alle auf der Suche nach Sinn und gelebter Nachfolge.
Doch bei aller Freude über das Miteinander: Wir tragen auch Trauer in unseren Herzen. Zu viele geliebte Menschen haben uns verlassen: Ralf, Katja, Petra. Und auch ich nehme heute Abschied – vom sredna_team, mit dem ich viele Jahre diesen Ort mitgestalten durfte. Es ist Zeit für einen Neuanfang, für neue Wege, voller Herausforderungen, die Mut erfordern.
In dieser letzten Predigt möchte ich – wie früher die Gastprediger*innen hier – über das Herz Jesu sprechen, mitten in den Widersprüchen unserer Zeit.
Wenn ich an das Herz Jesu denke, dann fällt mir dieses kitschige Bild ein, das über meinem Bett hing: ein sanfter Jesus, Lichtstrahlen aus seinem Herzen. Ganz ehrlich – das war nie mein Jesusbild. Vielleicht liegt es daran, dass ich als Ostdeutscher mit dieser westkatholischen Frömmigkeit nie viel anfangen konnte. Immer wenn ich hörte: „Das macht der liebe Herr Jesus schon“, ging innerlich ein Witz los:
Nach der Wende kommt Fritzchen von einer Ost-Berliner Schule auf ein katholisches Gymnasium im Westen. Im Bio-Unterricht fragt die Lehrerin: „Was ist rot, buschig und versteckt Nüsse für den Winter?“ Fritzchen antwortet: „Ick würd ja sagen, dit is ’n Eichhörnchen, aber wie ick den Laden hier kenne, is et wieder der liebe Herr Jesus.“
Für mich war Jesus nie der „liebe“, brave, harmlose – sondern der, der aneckt. Der die Händler aus dem Tempel treibt, der sich mit den Mächtigen anlegt. Jesus, der Protestierende, der, der sagt: Das Himmelreich beginnt da, wo radikale Nächstenliebe beginnt.
Wie passt dieses rebellische Jesusbild zum Herz Jesu? Ich versuche es in drei Bildern:
- Gebrochene Herzen
Als ich vor 22 Jahren nach Trier kam, war mein Herz gebrochen. Ich war traurig, unsicher, suchte nach Liebe, Anerkennung, meinem Platz im Leben. Ich glaube, viele hier kennen gebrochene Herzen. Geschichten von Trauer, Verlust, gescheiterter Liebe, Enttäuschung.
Wir alle sind Menschen mit gebrochenen Herzen: Jede und jeder von uns hat ihre, hat seine Geschichte der Traurigkeit. Von Menschen, die wir verloren haben, von Lieben, die uns abgewiesen und stehen lassen haben. Geschichten von Trauern und Scheitern. Es ist gerade diese Geschichte von Getsemani, die mich immer zutiefst berührt. Jesus verhandelt mit Gott, er weint, er ist wütend, er kann mit der Ungerechtigkeit seiner Verhaftung, seines anstehenden Todes nicht umgehen. Er will es nicht wahrhaben und weiß, dass es doch nicht zu ändern ist. Wie oft bricht Jesus unter dem Kreuz zusammen? Wie oft ist seine Leidensgeschichte durchdrungen vom Zusammenbrechen…und ganz am Schluss steht da das Scheitern: Jesus stirbt am Kreuz und seine Botschaft von Nächstenliebe und Gerechtigkeit wird mit gekreuzigt. Scheitern auf ganzer Ebene. Wie sehr war Jesus Herz wohl in diesem Moment gebrochen? Am Ende steht selbst bei Jesus nur noch die Frage: Hilft mir mein Glaube über dieses Scheitern.
- Sich ein Herz fassen
Noch bevor er stirbt – so erzählt es Johannes – fasst sich Jesus ein Herz: Er vertraut seine Mutter dem Jünger an, den er liebt. Eine neue Gemeinschaft entsteht.
Jesus Antwort auf Scheitern ist: Haltet zusammen. Seid füreinander da. Liebt einander. Und was ihr den Geringsten tut, das tut ihr mir.
Auch wir haben hier oft gemeinsam ein Herz gefasst:
– In der Coronazeit, als viele verzweifelt waren, haben wir das Betphon glühen lassen, virtuelle Gottesdienste gefeiert, Hoffnung geteilt.
– Mit Ivan aus der Ukraine haben wir Leid gehört, gespürt, ausgehalten – und nie aufgehört, von Frieden zu reden.
– Mit unseren iranischen Freund*innen haben wir gezittert, wenn Abschiebung drohte – und Stellung bezogen.
– Nach Ralfs Tod haben wir weitergemacht – mit Tränen, aber auch mit Kraft. Und das werden wir auch nach Petras Tod.
Als wir mit der Nelson-Mandela-Schule „20 Minuten Kirche“ feierten – einen Tag nach der Amokfahrt – waren die Schüler*innen wütend. Und wir haben ihre Wut ausgehalten. Aber wir hatten auch ein Gegenbild: das Lied „Love shines a light“, gesungen beim ESC 2021 als Botschaft gegen Isolation. Dieses Lied hören wir heute nach der Kommunion. Es sagt: Liebe kann die dunkelsten Ecken erhellen.
Like the mighty river, flowing from the stream
Let our love shine a light in every corner of my dreams
Sich ein Herz fassen heißt: sich entscheiden – für Licht statt Dunkelheit, für Hoffnung statt Resignation. Hoffnung ist kein Rechenergebnis, sie ist eine Entscheidung.
- Öffnet die Herzen
Wir haben in Herz Jesu immer die Welt reingelassen. Wir haben nicht die Augen zugemacht vor Missbrauch, der ökonomischen Krise, dem Schicksal unserer Geschwister aus der Ukraine, in Israel, Gaza, Syrien und dem Iran. Wir haben die Herzen und die Türen geöffnet für die, die von unserer Gesellschaft gerne mal ins Abseits gestellt wurden: Wir haben die Schönheit der Gebärdensprache in den inklusiven Gottesdiensten gesehen. Wir haben das Zeugnis von Glauben und Missachtung der queeren Community einen Ort gegeben. Wir haben Geflüchteten in unseren Gottesdienst einen Ort der Wertschätzung und des Ankommens gegeben. Weil wir daran glauben, dass wir alle zusammengehören in der Liebe.
Die Liebe hat mich im letzten Jahr dazu gebracht, mit vielen jungen Menschen über das Glaubensbekenntnis zu reden und darüber Theater zu machen. Herauskamen so tolle Geschichten, wie wir füreinander da sein können. Ganz besonders hat mich der Satz in einem Stück berührt: „Wir glauben an die Liebe, dass jeder aufstehen und wieder auferstehen wird.“
Ein ganz besonderes Glaubensbekenntnis hat mir eine Gruppe von Schülern aus Koblenz und Saarbrücken mit auf dem Weg gegeben. Es war eine Gruppe mit und ohne Fluchterfahrung, die sich darüber auseinandersetzen, was geschehe, wenn heute ihr letzter Tag wäre. Es kamen sensible Bekenntnisse hervor: Und alle waren sie sich einig, dass sie ein letztes Mal zusammen feiern wollten.
Während Mershad und Samir aus dem Iran und Afghanistan von der Freiheit jenseits des Terrors sprachen, sprach Kai von der Freiheit, dass er seine Geschlechtsangleichung machen konnte, ohne dass ihm dieses Recht genommen wurden. Und dann feierten alle drei zu dem Lied von Udo Lindenberg und Apache: Wie ein Komet.
Glaube, Hoffnung und Liebe sind die größten Geschenke, die uns Jesus mitgegeben hat, sie sind Geschenke, die wir trotz gebrochener Herzen erfahren, die wir erhalten, wenn wir uns ein Herz fassen und unsere Herzen öffnen. Ja, dann ist trotz aller Verzweiflung und Trauer eine Liebe und unbändige Kraft, die wir im Glauben erfahren, die wie ein Komet gleich zweimal einschlägt. Amen,
Fürbitten von Katja
Mit vielen verschiedenen Gefühlen sind wir heute hier am Herz-Jesu Fest zusammen. In der Spannung zwischen Freude und Traurigkeit, Dankbarkeit und offenen Fragen, deren Antworten nur Gott alleine kennt. Mit all dem kommen wir zu dir Gott und bitten dich:
Wir freuen uns mit Ellen, Lea, Anna und ihren Familien und Freunden, die heute das Fest ihrer Erstkommunion feiern. Begleite du sie in ihrem Heranwachsen – in allem, Schönen, was sie erleben aber auch dann, wenn etwas mal nicht so gut läuft und sie enttäuscht oder traurig sind.
Zu Dir Gott rufen wir: Wir bitten dich Gott
Wir sind dankbar für diesen Ort hier, an dem so viele Menschen in ihrer Vielfalt und Buntheit zu ganz unterschiedlichen Gelegenheiten zusammenkommen:
- Unsere Gottesdienstgemeinde, die sich auch nach Ralfs Tod treu weiterhin zum Gebet und zur Feier der Eucharistie versammelt.
- Die gelebte Nachbarschaft im Herz-Jesu Viertel, mit dem Gartenteam, der Nelson-Mandela-Schule und dem Ortbeirat.
- Die enge Verbindung und Freundschaft mit der Gehörlosengemeinde
- Und alle Gruppen, de sich hier treffen, weil sie merken, dass diese Kirche und dieser Ort offen, inklusiv und gastfreundlich ist.
Wir bitten dich, dass dieser Ort noch lange mit gelebtem Glauben erfüllt ist und erhalten bleibt.
Zu Dir Gott rufen wir: Wir bitten dich Gott
Wir sind zutiefst traurig, dass Petra heute nicht hier bei uns sein kann – und dass sie nie mehr mit ihrer fröhlichen Art zur Tür hereinkommen wird. Auf unsere Frage des „warum mussten sie und ihr Mann Fritz bei diesem schrecklichen Unfall ums Leben kommen“ gibt es jetzt keine Antwort – und wir müssen sie aushalten – im Vertrauen darauf, dass Gott alle unsere Wege führt.
Wir fühlen uns verbunden mit ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn, ihren Enkeln und der ganzen Familie – aber auch mit allen, die unmittelbar in den Unfall involviert waren oder geholfen haben.
Zu Dir Gott rufen wir: Wir bitten dich Gott
Abschiedssegen für Marc-Bernhard
Es sei mir dir der Segen Gottes,
warmherzig wie ein Lächeln der Freundschaft,
nah wie ein liebevoller Blick,
spürbar wie ein herzliche Umarmung.
Es sei mit dir der Segen Gottes
im Träumen und Wachen,
im Schmerz, in der Freude,
im Denken und Tun,
im Atemholen und Innehalten,
beim Fortgehen und Neuanfangen.
Es sei mit dir der Segen Gottes,
wie eine Hand auf Deiner Schulter,
die dir Kraft gibt und Stütze,
die dich führt und hält
und dich ermutigt
auf dem noch unbekannten Weg,
der vor dir liegt.
Amen