Persönliche Gedanken zum „Frühstück am See“ Joh 22
Ihr Lieben,
es ist schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war. Eigentlich war es schon das vierte Mal, wenn man die Begegnung Jesu mit Maria Magdalena am Grab dazu zählt.
Dreimal, viermal…. So ganz oft ist das eigentlich nicht. Vor allen Dingen ist seine Offenbarung, seine Erscheinung nicht von Dauer. Es gibt Momente, Augenblicke – sie beginnen mit Fremdheit, so ist es auch diesmal… Dann sagt oder tut Jesus etwas, an dem die Jünger ihn erkennen, ihn identifizieren. Dann kommt Freude auf, dann ist es auch schon wieder zu Ende.
Diese Augenblicke sind fast erschreckend alltäglich. Zweimal im Wohnzimmer – im verschlossenen Saal, irgendwo Zuhause, wohin sich die verstörten Jünger zurückgezogen, versteckt hatten – und jetzt am See, sozusagen auf der Arbeit.
Hierher, nach Galiläa, waren sie zurückgekehrt. In ihren Alltag. Das Öffentliche Wirken in Jerusalem, die Auseinandersetzungen mit den jüdischen und römischen Autoritäten waren zu Ende. Der ganz normale Alltag war wieder da. Fischen am See. Und das auch noch ohne irgendeinen Fang. Frust am Arbeitsplatz.
Hier begegnet ihnen Jesus – zweimal.
Die erste Begegnung ist ganz eigenartig: Jesus fragt die Jünger nach Nahrung: „Habt Ihr nicht etwas zu essen?“ Für wen? Für ihn, für sie selbst? Nein. Wir haben nichts. Unsere Netze, unsere Köpfe, unsere Hände und Herzen sind leer.
Er schickt sie noch mal raus… mit einem „guten Rat“: „Werft das Netz auf der anderen Seite aus!“ Das klingt wie der blanke Hohn: „Was soll denn die Seite des Bootes ändern? Der gleiche See, die gleiche Stelle – und dazu noch in den Morgenstunden, wo die Sonne bald aufgeht und die Fische wieder in die Tiefe abtauchen… Die „andere Seite“ – die soll den großen Unterschied machen?
Ja. Manchmal. Einfach mal die andere Seite. Eine andere Perspektive. Die Jünger machen die Erfahrung, dass ihr Fang reicht, 153 große Fische. Der Fang reicht nicht nur, sie erleben den Überfluss, so viel, dass sie den Fang kaum bewältigen können…
Als sie ans Ufer zurückkommen, macht Jesus ihnen Frühstück. Einfacher und menschlicher geht es nicht. Es wird nichts geredet. Kein Wort über das, was geschehen ist, kein Wort über das, was sein wird. Es wird noch nicht mal gebetet vor dem Essen. Einfach nur zusammensitzen, ausruhen, ins knisternde Feuer schauen, den gebratenen Fisch riechen, das Brot – und „frühstücken“. In der kleinen Gemeinschaft – von Kollegen und Freunden – mit dem Herrn.
Diese völlig alltägliche und gleichzeitig intensive, intime Begegnung mit ihm, die keine Worte braucht, bestätigt das, was Jesus vor seinem Tod getan und gesagt hat.
Alles, was er ihnen mitgegeben hat, war der Auftrag, einander zu lieben und so Zeug*innen der Herrlichkeit Gottes zu sein.
Er hat bis zum Schluss selbst vorgemacht: Am Kreuz hat er Maria und Johannes einer anvertraut, dass sie sich umeinander kümmern sollen. Und dann war alles vollbracht. Vollendet.
Jetzt geht es genau in dieser Spur weiter, allerdings nicht mehr in der Öffentlichkeit. Die Freund*innen Jesu sollen und können selbst einander und vielen anderen Frühstück machen. Und es wird reichen. Weil ER sie ernährt. Weil sie – auf sein Wort hin – Dinge anders machen.
„Aan Tafel met Jezus“ – An der Tafel mit Jesus. So heißt ein Buchtitel, den ich auf einem edlen Büffet gehen habe, in der letzten Woche – in einer protestantischen Kirche, die sich „Ruinenkirche“ nennt. Das stimmt auch – nur der Chorraum der Kirche wird noch genutzt, der Rest sind gut gepflegte Ruinen in dem Ort Bergen in Nordholland.
Vieles hat mich an „Herz Jesu“ erinnert – nicht zuletzt das Büffet unter der Empore – und den Versuch, dem Leben einen Raum zu geben im Gotteshaus, nicht irgendwo draußen, das Leben einzuladen – und sich nicht nur in religiösen Feiern in der Gegenwart des Auferstandenen zu wissen – sondern auch bei Konzerten und Gesprächen, vor allem aber beim gemeinsamen Essen und Trinken.
Ob das erlaubt ist? Nun, das heutige Evangelium gibt die Antwort: das Essen und Trinken selbst ist ein Sakrament – ein Zeichen der Gemeinschaft mit dem, der lebt.
Auf dem Büffet stand ein Glas mit bunten Schoko-Ostereiern, direkt neben dem Buch. „An der Tafel mit Jesus“. Beides zusammen war für mich so etwas wie eine Einladung: nach zeitgenössischen Sakramenten, Zeichen der Gegenwart Jesu zu suchen – auf der Spur dessen, was wir gerade gehört haben: eine Gemeinschaft mit Jesus, irgendwo am Ufer des Sees – jenseits von Kirchen und Domen, ohne Stein und Beton – ohne Gewänder aus Brokat und Seide, ohne höfische Zeremonien mit Herrschern und Lakaien, ohne Trennung von Männern und Frauen und Menschen, die sich anders fühlen…. Da wo sein Geist wirklich weht und wirkt – in der Sorge füreinander und umeinander, da wo sich Menschen darum kümmern, dass alle Schafe etwas zum Fressen finden….
Vielleicht ist dieser Zugang der einzige, der uns aus einer Kirche befreit, die diese „Edmund Dillingers“ möglich gemacht hat, vielleicht sogar „gezüchtet“ – die sie „dekoriert“ und „estimiert“ hat – mit Ansehen und Macht ausgestattet. Die ihnen „freie Hand“ gelassen hat – in ihrem menschenverachtenden Umgang mit Kindern und Jugendlichen. In dieser Kirche leidet und stirbt Jesus – in den Opfern – durch Kirchenmänner. Sie haben die Lämmer nicht geweidet, sondern missbraucht – oder den Missbrauch gedeckt, vertuscht.
Gib, gebet meinen Schafen das, was sie zum Leben brauchen, ganz besonders den Lämmern, den Kleinsten. An ihnen werden wir uns orientieren müssen, wenn mit „mit Jesus zu Tisch sitzen“ – irgendwo, zuhause, unterwegs, hier.
Ihr Lieben,
für mich war der Blick auf die Theke in der Ruinenkirche ein Augenblick der Auferstehung, der Befreiung: an der Tafel mit Jesus, auf der Suche nach anderen Wegen – vielleicht auch mit Schoko-Ostereiern. Er zeigt sich – nährt mich, nährt uns, führt uns zusammen als Gemeinschaft des Dienstes – und entzieht sich wieder, weil er im Tod seinen Geist aushauchte – sozusagen in uns hinein. Er hält uns für „erwachsen“ – und wir können unseren Weg gehen, unser Leben bestehen, eine Gemeinschaft des Dienstes sein.
Ab und zu tut es gut, wenn wir ihn als lebendig erleben, wenn unser Glaube, unsere Hoffnung und unsere Liebe gestärkt wird – durch Erfahrungen, Begegnungen, Gedanken.
Vielleicht auch mal durch Schoko-Ostereier. Amen.