Erhöhung des Kreuzes – am Montag, 14. September 19:30

Predigt (2019)

Liebe Schwestern und Brüder,

unser Thema in der sredna-Zeit war: Das Kreuz mit dem Kreuz. Wir haben aus verschiedenen Richtungen auf das Kreuz geschaut – und immer neue Blickwinkel entdeckt.

– Wir haben die Geschichte dieses Kreuzes in Erinnerung gerufen – die Geschichte des Ökumenischen Jugendkreuzweges. Wir haben an den Tod dieses Projekts erinnert, an den Tod vieler Projekte, ja sogar vieler Kirchengebäude – die katholische Pauluskirche ist für den Gottesdienst geschlossen… es werden noch einige folgen in den nächsten Jahren – und die evangelische Christuskirche ist ganz abgerissen und hat einem Wohnblock Platz gemacht.

– Wir haben in den Ostertagen die Geschichte Jesu neu wahrgenommen – die Geschichte des Gekreuzigten und Auferstandenen…

– Wir haben auf das Kreuz aus der Sicht von Menschen geschaut, die nicht glauben – und die unsere vielen Trierer Kreuze und Kirchen in der Stadt als belastend und belästigend empfinden, als übergriffig…

– Wir haben überlegt und damit gerungen, was wir denn diesem Viertel, dem Barbaraviertel und der Stadt und ihrer Gesellschaft zu sagen haben – im Zeichen des Kreuzes.

Wir haben gespürt, dass die Verkündigung mit der vorurteilsfreien Begegnung anfangen muss, mit der Liebe zu den Menschen, der Neugier auf andere Lebensentwürfe und –formen. Und in diesem Suchen nach unserem neuen, anderen Platz im Viertel sind wir noch lange nicht zu Ende….

– Wir haben uns auch ganz behutsam den Kreuzen genähert, die Menschen in unserer Nachbarschaft tragen müssen… zum Beispiel an dem bewegenden Gang durchs Viertel am Karfreitag. Wir haben an „Stationen des Leids“ halt gemacht – und haben versucht, uns diesem Leid zu nähern, mit unserem Verstand, unseren Herzen und unserem Gebet.

– Für mich persönlich gab es aber ein Ereignis in den vergangenen Wochen, das mich tief bewegt hat. Seitdem zieht es mich noch mehr zu diesem Kreuz.

– Pater Doug McCarthy war Jesuit. Ich habe ihn in meiner Zeit in Kanada in der Arche kennen gelernt. Er hat mich geistlich begleitet und mir geholfen, den Weg zu verstehen, den Gott mit mir gehen will – und auf den er mich ruft. Er war ein Geschichtenerzähler – und ich habe schon einige Geschichten von ihm in Predigten hier nacherzählt.

Vor 6 Wochen haben wir uns in Toronto getroffen, zusammen gefrühstückt, nach der Messe, viele Geschichten erzählt und auch viel gelacht. Und wir haben uns verabschiedet, wie so oft in den vergangenen Jahren – bis zum nächsten Frühstück.

Unerwartet erreichte mich kurz danach die Nachricht, dass Doug in seinem Zimmer tot aufgefunden wurde. Sein Herz hatte versagt. Sein Tod hat mich angerührt – aber nicht wirklich traurig gemacht. Er kam in meinem Alltag zuhause nicht vor – er schrieb nicht gern Mails, er telefonierte nicht gern, Telefongespräche mit dauerten nur wenige Minuten.…. Er liebte Begegnungen von Angesicht zu Angesicht. So werden wir uns nicht bei mehr bei „Eggsmart“ zum Frühstück treffen, sondern beim Großen Frühstück, das Jesus den Seinen macht – mit Fisch und Brot, am Kohlenfeuer.

– Dann las ich die Predigt von Dougs Beerdigung. Ein langjähriger Freund und Weggefährte  P.  Robert Foillot erzählte aus seinem Leben mit Doug – an verschiedenen Stationen seines Ordenslebens. Humorvoll und witzig – Doug hätte seine Freude gehabt.

Dann sagte er:

Doug verbrachte viel Zeit im Gebet. Er begann die Feier der Eucharistie oft mit den Worten „Versammeln wir uns unter dem Kreuz. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!“ Was meinte er damit?

 Unterm Kreuz sehen wir ein heiliges Herz, ein durchbohrtes Herz, ein gebrochenes Herz. Nur dieses gebrochene Herz Gottes kann heilen. Doug hat oft nach oben geschaut, Ausschau gehalten. Er hat gesehen, dass dieses Herz uns so sehr geliebt hat, dass es all das für uns erlitten hat. Das Herz Jesu war für uns gebrochen. Doug hat uns eingeladen, unsere eigene Gebrochenheit, Zerbrechlichkeit, Angst, Verletzung und Einsamkeit zu diesem Herz zu bringen.

…..

Weiter sagte er:

Schau auf zu Jesus. Gib ihm die Chance, dass er dir zeigen kann: Du bist ein geliebter Sünder, eine geliebte Sünderin! Höre, wie er sagt: Vater, vergib ihnen. Sie wissen nicht, was sie tun.“ Und dann höre Gottes zärtliche Antwort: „Ich vergebe dir. Ich liebe dich. Du bist mein. Nimm meine Hand. Geh in Frieden. Sündige nicht mehr, mein geliebtes Menschenkind.“

Ohne Zweifel kam Doug selbst unter das Kreuz. Vielleicht hat er zu Jesus gebetet: „Jesus, mit deiner Hilfe konnte ich mit dem Rauchen aufhören. Ich habe 50 Jahre lang geraucht, aber es bedrohte meine Gesundheit. Mit deiner Hilfe bin ich diese Gewohnheit losgeworden. Ich habe mit dem Rauchen aufgehört. Danke.

 Aber ich habe auch diesen unstillbaren Durst nach einem Drink, nach Alkohol. Ich werde davon ständig davon gequält. Ich will nicht trinken. Ich habe versucht, nicht zu trinken. Ich weiß ja noch nicht mal, warum ich trinke. Ich bin aber immer wieder gefallen, wieder und wieder. Immer warst du da.

Ich habe Kuren gemacht. Ich bin zu den Anonymen Alkoholikern gegangen, manchmal täglich. Du hast mir gute Unterstützer geschickt, gute Freunde, die mir geholfen haben. Ich habe gebetet. Und immer wieder hast du mir aufgeholfen…

Jesus, du und ich – wir sind immer wieder gemeinsam aufgestanden, trotz der schweren Last des Kreuzes. Aber der Feind unserer menschlichen Natur hat niemals aufgehört mit seinen Angriffen. Jetzt greift er auch mein Priestertum an. Aber ich bin ein Priester durch und durch. Das ist der Kern meines Wesens. Ich bin als Priester geboren. Und diese Berufung wird angegriffen.

Am letzten Freitag habe ich die Messe um 12 Uhr übernommen. Aber ich bin am Altar hin und her geschwankt. Ich war verwirrt und sprach die falschen Gebete. Den Nachmittag habe ich mit einem guten Freund verbracht. Am Abend kamen 2 meiner besten Freunde mit zum Treffen der Anonymen Alkoholiker.

 Um 10 Uhr nachts bat ich um Hilfe und rief einen guten Freund an. Am Samstag wollte ich eine Beerdigung halten – jemand aus unserer Pfarrei war gestorben. Ich habe mit ihm bei der „Rot-Kreuz-Tafel“ zusammen gearbeitet. Ich habe ihn oft im Krankenhaus besucht. Wir waren Freunde.

 Ein indianisches Sprichwort sagt: „Wenn Du versprochen hast, zu einer Beerdigung zu gehen – dann geh, außer Du wirst durch deine eigene Beerdigung davon abgehalten.“

Ich konnte die Beerdigung nicht halten, weil mein eigenes Herz, mein gebrochenes Herz, aufgehört hatte zu schlagen. Mein gebrochenes Herz konnte den Leib nicht mehr vom Bett erheben. Mein gebrochenes Herz hatte aufgehört.“

 Jesus sagte zu ihm: „Doug, Doug, komm unter das Kreuz!

Es mag für dich so aussehen, als hättest du versagt. Aber weißt du noch, was du den Leuten gesagt hast? Unser Gott ist „ein Gott der Überraschungen! Ein Gott der Überraschungen“. Die Schlacht ist geschlagen, Doug, und du hast gewonnen! Tod, wo ist dein Stachel? Ich lebe, Doug, und du lebst! Ich bin von den Toten auferstanden. Jetzt siehst du Gott von Angesicht zu Angesicht. Danach hast du doch immer gedürstet. Hebe deine Augen, schau und staune!

Liebe Schwestern und Brüder,

seit diesen Worten sitze ich hier nochmal anders, unter diesem Kreuz. Es erzählt mir die Geschichte von diesem Freund, der es nie gesehen hat.

Es hört mir zu, ER hört mir zu, das, was mich bedrückt und das, was ich falsch gemacht habe, was ich falsch mache… immer wieder. Es spricht zum meinem gebrochenes Herz, gebrochenes Menschsein. ER spricht zu mir. „Unterm Kreuz“.

Ich will mich häufiger hierhin trauen, unter das Kreuz. Mit ihm reden. Ihm die Chance geben, zu mir zu reden.

Trauen wir uns unter das Kreuz. Hier sind wir in bester Gesellschaft.

 

 

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