Am 9. Mai fand die erste Messe unter den Bedingungen der Schutzmaßnahmen statt. Es war eine intensive Feier. Sie hatte etwas von der Fremdheit des Ostermorgens. Vorsichtig und achtsam war der Umgang miteinander. Die Teilnehmer*innen haben diszipliniert und unaufgeregt vor der Kirche gewartet. Die Abläufe waren unkompliziert und eindeutig. Der Empfangsdienst sorgte für eine freundliche Begrüßung und eine entspannte Atmosphäre.
Österlich begann die Feier. Mit dem Feuer der Osternacht, das seitdem am Kreuz brennt, wurde die Osterkerze entzündet. So konnten wir an Ostern anknüpfen.
Begrüßung
Liebe Schwestern und Brüder,
der Herr ist auferstanden –
er ist wahrhaft auferstanden.
Halleluja!
Ich begrüße Euch herzlich heute Abend hier –
zu unserer ersten Eucharistiefeier.
2 Monate waren wir nicht zusammen.
In 2 Monaten hat sich die Welt verändert.
Das Leben von 7,8 Millarden Menschen –
und unser ganz persönliches Leben.
Ein Virus hat seine tödliche Macht entwickelt –
und wir sind dagegen machtlos. Immer noch.
Wir konnten uns nur zurück ziehen, einsperren,
körperlich Abstand nehmen und Abstand halten.
Und das werden wir noch eine ganze Weile tun müssen –
wie es aussieht.
Der Rückzug hat noch völlig unabsehbare Folgen –
menschlich, wirtschaftlich, kulturell.
Wie immer hat es die Schwachen am meisten getroffen:
Menschen, die durch ihr Alter oder Vorerkrankungen
dem Risiko einer Infektion besonders ausgesetzt sind,
Menschen, die abgeschnitten sind von der Außenwelt,
weil sie in einem Wohnheim leben –
oder allein in ihrer Wohnung –
Familien, denen ausreichend Wohnraum fehlt,
Menschen, mit kleinem Einkommen,
die als erstes ihre Arbeit verloren haben.
Kinder, die nicht in die Kita oder in die Schule gehen konnten und die zuhause nicht gefördert werden…
und viele, viele andere.
Und Europa als das geeinte Miteinander von Nationen
ist in einem jämmerlichen Zustand –
das tut heute am 9. Mai besonders weh –
nationaler Egoismus in Form der Seehofer-Politik
ist ja gerade hier an Mosel, Saar, Sauer und Our
besonders empfindlich zu spüren.
Geschlossene Grenzen sind keine Lösung,
sondern ein Problem.
Aber zur Wahrheit über die vergangenen 2 Monate gehört auch,
dass sich durch den Druck von Corona Dinge getan und entwickelt haben, mit denen keiner gerechnet hätte:
ein Volk diszipliniert sich, ist solidarisch, besonders in der Anfangszeit,
ein Staat und jetzt hoffentlich auch die Staatengemeinschaft spannen Rettungsschirme auf, zeigen – wie gut es ist, dass es den Staat gibt,
dass der Einzelne gegen das Virus keine Chance hat.
Der Wissenschaft wird wieder vertraut –
jedenfallss von den Allermeisten,
die Lügen und die Dummheit und die Gefahr den rechten Populismus
wird vielen bewusst.
Nachbarschaftshilfe und Hilfsbereitschaft funktioniert,
Arbeitsabläufe verändern sich,
nutzen moderne Technik – und schonen die Umwelt.
Und auch hier an diesem Ort,
in dieser Kirche, und um diese Kirche, in der sredna-Gemeinde
hat sich Unglaubliches getan.
Nein, diese Kirche war nicht geschlossen.
Hier war Leben – mehr denn je.
Hunderte von Kerzen und Opferlichter haben gebrannt.
Plakate an der Tür und hier drin haben vom Leben erzählt,
das hier stattfindet – oder von hier ausgeht:
Die Kirche ist jeden Tag von 8 – 20 Uhr geöffnet.
Das war neu.
Gerade in den ersten Tagen und Wochen hatten wir das Gefühl, dass das Viertel die Kirche neu entdeckt, als einen Ort,
wo man hingehen kann, wenn man nirgendwo hingehen kann,
als einen Ort, an dem man immer mal wieder jemanden trifft.
Mit viel Kreativität wurde die Kirche neu gestaltet –
die Kar- und Ostertage waren optisch und stimmungsmäßig erlebbar.
Auch unser Garten an der Kirche hat Leute angezogen –
der beginnende Frühling war für viele ein echtes Hoffnungszeichen.
Das Netzwerk der sredna-Gemeinde hat sich gefestigt und weiterentwickelt.
Lebenszeichen aus der Gemeinde und für die Gemeinde wurden geschickt und verschickt – per Newsletter und Website.
Einige warten immer noch auf ihre Veröffentlichung….
Klar, vieles geht über das Internet –
aber auch das gute alte Telefon wurde neu entdeckt –
und für das Gebet und die Gemeinschaftsbildung genutzt.
Ein Gebetsleben am Telefon ist entstanden.
Morgens und abends beten Menschen zum Geläut unserer Kirche – und zeigen damit ihre Solidarität. Jeden Tag.
Diese Form der Solidarität ist mindestens so wertvoll wie das Glockenläuten.
Gleich um 19 Uhr feiern wir den 12. Telefongottesdienst.
40 – 60 Menschen nehmen teil, eine neue Art von Gemeinde ist entstanden.
Menschen sind dabei, die sich Herz-Jesu und sredna verbunden fühlen – auch wenn sie nicht in der Nähe wohnen.
Unglaubliche Dinge haben wir am Telefon erlebt –
die Johannespassion am Karfreitag als live-Hörspiel,
die Schöpfungsgeschichte als Klangteppich in der Osternacht…
diejenigen, die dabei waren, werden das nie mehr vergessen.
Das Wort Gottes hat eine völlig neue Aufmerksamkeit bekommen.
Wir werden die Gottesdienste weiterführen.
Sie werden auch in der Gottesdienst-Ordnung aufgeführt.
Am Telefon und im Internet haben wir
die WOCHE DES LEBENS miteinander gefeiert –
mit einem Telefongottesdienst und einem Filmgespräch.
Und auch die SREDNA-OSTERZEIT hat angefangen,
mit einem Marienlob am ersten Mai, einem Impulsgottesdienst am Telefon am letzten Sonntag… weitere Veranstaltungen folgen….
Soziale Initiativen gab es auch –
das gemeinsame Nachdenken mit dem Südpol und der Schulsozialarbeit an der Nelson-Mandela-Realschule plus vom Palais e. V. – und eine ganze Palette von Beratungsangeboten –
der sredna-Mittagstisch zusammen mit der Mattheiser Jugend (MaJu) –
Gesprächsmöglichkeiten mit Seelsorger*innen aus der Pfarrei, dem Dekanat und von den Weißen Schwestern in der Nachbarschaft.
Sredna und Herz-Jesu waren nicht allein in der bunten kreativen Kirchenlandschaft – in unserer Pfarrei hat auch das Kirchenteam St. Valerius auch einiges auf die Beine gestellt. In den Nachbarpfarreien und im Bistum gibt es noch viel mehr.
Nein, wir wurden in unserer Religionsausübung nicht eingeschränkt –
wie das rechte Kirchenkreise behaupten. So kann nur der denken, für den Christsein nur „Messe feiern“ bedeutet.
Jetzt, nach 2 Monaten kommen wir hier zur ersten Feier der Eucharistie zusammen – unter seltsamen neuen Bedingungen.
2 Monate habe auch ich keine Eucharistie gefeiert.
Das war meine persönliche Entscheidung – in meiner Verantwortung vor Gott..
Wenn das Volk nicht kommunizieren kann, nicht wirklich teilhaben am Brot des Lebens und am Kelch des Heiles, dann tue ich das auch nicht – aus Solidarität. Zur Übung der „Geistlichen Kommunion“ habe ich keinen Zugang.
Gebet für die Menschen, die mir anvertraut sind, braucht nicht meine private Eucharistiefeier – unter Ausschluss des Volkes Gottes. Die Gebetszeiten am Telefon und die Feier der Telefongottesdienste waren für mich echte Formen von Gemeinschaft – und Ort meines priesterlichen Dienstes.
Ich habe das von Anfang an deutlich gemacht. In allen Gesprächen zu diesem Thema wurde ich von den Gläubigen bestätigt.
Ich weiß, dass unsere Kirche und viele Priester das anders siehen. Das wäre also ein größeres Thema….
Ich habe sehr auf diese erste gemeinsame Eucharistiefeier gefreut – auch wenn sie ganz anders ist, als ich mir das am 15. März vorgestellt habe.
Wir waren sicher alle sehr gespannt, wie es sein wird.
Wir feiern Eucharistie in der neuen Normalität,
die unser Leben auf eine längere Zeit hin bestimmen wird.
Physischer Abstand, soziale und geistliche Nähe,
das ist die neue Herausforderung.
Die Ostergeschichten ergeben in diesem Jahr einen ganz anderen neuen Sinn. „Halt mich nicht fest!“ sagt Jesus zu Maria Magdalena am Ostermorgen.
Rühr mich nicht an – halt Abstand – 1,5 m.
„Denn ich bin noch nicht hinaufgegangen zu meinem Vater und zu Eurem Vater, zu meinem Gott und Eurem Gott….“
Andererseits, auch im Johannes-Evangelium, gibt es die Erfahrung und die Verheißung von geradezu intimer, körperlichen Nähe:
„Empfangt den Heiligen Geist – aus meinem feuchten Lebensatem… „- sagt Jesus, als er sie anhaucht am Abend des ersten Tages der Woche…
Wir müssen uns vor dem feuchten Atem der anderen schützen – wir müssen andere vor unserem feuchten Atem schützen…
Leg die Hand in die Wunde, Thomas… – hochriskant – schießt es uns durch den Kopf….
Wir müssen uns einen neuen Reim machen auf das, was wir uns als Evangelium angeboten wird, als Gute Nachricht,
wir müssen neue Formen der Gemeinschaft und des Gottesdienstes entwickeln… Eine wirklich österliche Herausforderung.
Sie beginnt damit, dass Maria Magdalena und die anderen erleben:
mitten im Tod ist Leben.
Auf Leben und Tod – und leben…. so steht es auf unserer Osterkerze.
Es beginnt mit Lebenszeichen, die die Angst, die Panik, die Resignation unterbrechen. Auch in diesem Jahr brannte in der Osternacht das Feuer vor der Kirche, von dem dieses Licht immer noch stammt….
auch in diesem Jahr künden die Blumen am Bauzaun von der Hoffnung, die uns zugesagt ist.
Und auch in diesem Jahr singen wir unsere Osterbotschaft:
Christ ist erstanden. Er will unser Trost sein. Halleluja.
Lied: Christ ist erstanden GL 318
Predigt
Liebe Schwestern und Brüder,
die Anweisung für den Gottesdienst sehen vor, dass die Predigt nur kurz sein soll. Daran halte ich mich. Es gab ja schon eine ausführliche Begrüßung – und 2 Einführungen in die Lesungen. Ich kann mich auch kurz fassen, denn die Predigt steht hier im Mittelgang. Sie haben die ganze Zeit schon drauf geschaut.
Ein Tisch, festlich gedeckt – mit Blumen und Kerzen. Manch einer von Ihnen hat vielleicht gedacht: Was soll das denn jetzt? Gerade das ist uns doch verwehrt, das Zusammensein im Gottesdienst, die Nähe zu den anderen in der Bank, das Händeschütteln beim Friedensgruß, das Trinken aus dem Kelch… noch nicht mal eine Berührung der Hand beim Austeilen des Heiligen Brotes ist erlaubt. Und singen dürfen wir auch nicht… Was soll da ein festlich gedeckter Tisch in der Mitte?
Dieser Tisch ist ein Zeichen. Ein Sakrament.
Er zeigt, woher wir als Gemeinschaft von Christinnen und Christen kommen:
aus dem Abendmahlssaal, vom Mahl am Kohlenfeuer, aus den vielen Mahlgemeinschaften, die Jesus mit seinen Freundinnen und Freunden gefeiert hat – und die sich verdichtet haben in der Deutung, dass Brot und Wein seine geheimnisvolle, reale Gegenwart bezeichnen, von seiner Hingabe am Kreuz bis zur Wiederkunft in Herrlichkeit.
Der Tisch zeigt auch, wohin wir gehen: In das Haus des Vaters, wo es viele Wohnungen gibt. Und Jesus ist der, der die Wohnung vorbereitet – oder den Tisch und das Mahl, wie es im Lukasevangelium heißt. Es wird ein Tisch sein, an dem wir alle Platz haben – in unsere Unterschiedlichkeit und Buntheit – mit unseren unterschiedlichen Bedürfnis nach Nähe und nach Abstand.
Da steht ein Tisch, an dem jede*r mit seiner Geschichte Platz hat – ob sie nun gradlinig verlaufen ist – oder „queer“ velaufen ist. Da wird es kaum so geordnet sein wie auf unserem Tisch heute Abend. (Aber auch dieser Tisch wird sich im Laufe des Abends noch verändern und bunt füllen).
Am Ende wird nur noch Gemeinschaft sein, nur noch Liebe sein. Das Himmlische Jerusalem wird keinen Tempel haben, keine Kirche. Es wird keine Priesterschaft mehr geben wird. Der Tisch ist eine Verheißung, ein Zeichen, ein Sakrament für das, was kommt.
Der Weg zu den Wohnungen, zu dem Tisch, hat einen Namen: Jesus Christus.
Er ist der Weg, die Wahrheit, das Leben. Er geht uns voraus, er geht hinter uns her, er nimmt uns bei der Hand, sein Geist erfüllt uns – gerade in schweren Zeiten.
Vielfältig ist die Art, wie Jesus „Weg, Wahrheit und Leben ist.
So ist unsere Tafel ausgespannt 2 anderen Tischen:
unserem Ambo hier am Kreuz – dem Tisch des Wortes,
und dort am anderen Ende unserem Sredna-Altar, dem Tisch des Brotes.
Das Wort Gottes begleitet und führt uns in den letzten Wochen und Monaten – mehr denn je. Und die Sehnsucht nach dem Tisch des Brotes – nach dem Heiligen Sakrament erfüllt sich heute Abend.
Wir versuchen, uns auch in unseren neuen Lebensumständen und Lebensweisen zu ihm zu bekennen. Unsere Fragen, unseren Sorgen, in unserer Angst, unsere Verwirrung schocken ihn nicht. Aber er sagt: „Lasst sie nicht Überhand gewinnen, ich bin doch der Weg, die Wahrheit und das Leben“.
Er wird uns an den Platz holen, den er für uns bereitet hat, wenn die Zeit gekommen ist.
Auf Leben und Tod. … und leben!
Welch eine große Freude ist es nach so langer Abstinenz sich wiederzusehen und nicht nur sich zu hören. Auch wenn alles nach den vorgeschriebenen Coronaregeln geschah, es ist einfach nur schön, wieder gemeinsam Eucharistie zu feiern, dabei den Herrn im Sakrament zu empfangen und wieder gemeinsam die frohen Osterlieder zu singen begleitet von Jutta an der Orgel.
Sogar ein kurzer Plausch auf Abstand war nach der Messe noch möglich.
Danke an das ganze Team, dass so schnell und mit großem Einsatz, zusätzlich zu den durch Corona verstärkten diakonischen Aufgaben uns dieses Erlebnis ermöglicht hat.
Heidi Rischner