Am 26.09.2021 haben Sie die Wahl, wer für die nächsten vier Jahre unser Land regiert. Es ist eine Gewissensentscheidung, die uns alle nach unseren Werten fragt. Keine leichte Frage! Die Fachstelle Jugendpastoral hat deshalb junge Menschen dazu aufgerufen, sich an der Aktion #DEMOKRATIE WÄHLEN zu beteiligen und Plakate zu erstellen. Die Ausstellung ist in der Stadtbücherei Trier am Domfreihof noch bis zum 30.09.2021 zu sehen.
Aus der Pfarrei St. Matthias Trier hat sich die Initiative Kulturelle Diakonie mit der studentischen Theatergruppe Kreuz&Quer an der Ausstellungseröffnung am 09.09.2021 beteiligt: mit einer Performance, die es in sich hatte.
(alle Fotos: Mohamed Kushari)
Das Publikum sitzt im Stuhlkreis. Das sieht aus und wirkt wie Gruppentherapie. Martin Meuser beginnt und stellt mit sonorer Stimme Richard vor, der als Deutsch-Brite Teil eines demokratischen Experiments geworden ist, das wohlbekannt zum Brexit führte. Doch bevor Martin Meuser seine Gedanken ausführen kann, stürmt Laura Cinderella Morin als die Verkörperung der Wutbürgerin in die Szene und streckt Richard mit einer Papierkeule nieder. Die Papierkeule als Zeichen der Massendesinformation des neuen Medienzeitalters steht im Vordergrund: nicht informieren, sondern draufschlagen.
Laura beschwert sich. Wenn Wahlen etwas bringen würden, wären sie verboten. Sie hat Angst vor Menschen, die aus Unwissenheit wählen und den Autokraten Putin, Trump usw an die Macht verhalfen. Als Martin Meuser sie zu beruhigen versucht, interveniert ein unbekannter Mann aus dem Publikum:
„Sie machen es sich mit ihrem auswendig gelernten Theaterstück viel zu einfach!“ Einige aus dem Publikum sind aufgrund dieser Störung überrascht, einige wollen schon den Störenfried rauswerfen. Aber Michael Ron Stallwood als advocatus diaboli weiß zu provozieren und weist darauf hin, dass Demokratie nicht nur bedeutet, alle vier Jahre zu wählen, sondern sich an jedem Tag in der Demokratie zu engagieren.
Martin Meuser gewinnt trotz der vielen Störungen wieder die Oberhand und hält seinen didaktisch aufgebauten Monolog: „Lassen Sie uns ein Experiment wagen und schließen Sie die Augen. Wer von Ihnen schafft es blind bis zum Ausgang?“ Sein Appell: Wenn man einen Raum kennt, den Fluchtplan studiert hat, kommt man sicher aus dem Gebäude und so sollte es auch bei Wahlen sein: sich informieren, sich informieren, sich informieren. Nur so funktioniere eine Demokratie.
Bei so viel Erziehung mittels Theater platzt Michael Ron Stallwood wieder der Kragen. Er unterbricht erneut die Szene und schimpft auf die Politiker*innen, die die Not der Otto-Normal-Verbraucher nicht kennen und nie finanzielle Probleme erlebt haben und fordert einen Denkzettel.
Beim Denkzettel wird der Deutsch-Brite Richard Dannenberg leicht hysterisch: „Wenn man in der Demokratie den Politiker*innen einen Denkzettel verpassen will, verpasst man den sich doch nur selbst.“ Das zeige der Brexit. Das Volk gespalten. Neid und Zorn bestimmen die Politik. Von diesen Ausführungen bestärkt, fordert Laura Cinderella Morin, dass Menschen, die sich nicht informieren, das Wahlrecht zu entziehen sei.
Und dann ist da noch Claire Reiss: Chic angezogen, mit dem Publikum flirtend, wirkt sie oberflächlich betrachtet, reichlich desinteressiert. Aber nach Laura Cinderella Morins Forderung des Entzugs des Wahlrechts, rastet sie aus: „Also jetzt reicht’s! Was kommt als nächstes die feierliche Erklärung der Diktatur? Das Wahlrecht für Adelige? Alleiniges Wahlrecht für gebildete Männer? Mensch, da waren wir doch schon. Das waren doch keine goldene Zeit. Ich meine, wollen wir zurück zu einer Einschränkung von Wahlrechten. Vor 100 Jahren haben Frauen dafür gekämpft, wählen zu dürfen und heute fordern wir den Entzug des Wahlrechts, nur weil uns eine Bühne dafür geboten wird?“
Nach einem Plädoyer für die Repräsentation aller Menschen in der Sprache, damit ein soziales Miteinander möglich werde, ist für Claire Reiss klar, jeder muss auch das Wahlrecht haben. Und dann verrät sie augenzwinkernd ein Geheimnis: „Die Demokratie ist weiblich.“ Und mit dem gleichnamigen Lied von Ex-Prinzen-Sänger, Sebastian Krumbiegel, endet das Stück.
Regie führte Marc-Bernhard Gleißner. Informationen zur Aktion der Fachstelle Jugendpastoral finden sich hier:
https://www.fachstellejugend-trier.de/angebote/aktionen-projekte/plakatwand-aktion/
Der gesamte Text der Performance als pdf:
Marc-Bernhard Gleißner