Ein bunter Gottesdienst zum 4. Advent. Pfadfinder bringen das Licht von Betlehem – „Teenie-Maria“ gibt Einblicke in das Denken und Fühlen einer jungen Frau, die ein besonderes Kind erwartet… Gebete und Lieder zum 4. Advent. Und eine Spende für das sredna-Projekt aus der Nachbarschaft…
Melanie Telle, nach ihrem Selbstverständnis als Künstlerin gefragt, antwortet, dass Mut für sie ein wichtiges Thema sei. Melanie und ihr Interviewer kennen sich gut: Als Theaterpädagogin will sie die volle Kraft derjenigen entfalten, mit denen sie arbeitet. Und sofort kommt dem Autor eine Geschichte in den Sinn, als vor beiden ein Mädchen im Rahmen eines Workshops ein Referat hielt, das beide fesselte und sie mit traurigen Augen erzählte: Ihr Lehrer hätte ihr gesagt, sie sei spröde und farblos beim Erzählen. Melanie Telle hat damals diesem Mädchen eine brutale Rückmeldung gegeben: „Du hast uns eben ganz konzentriert und ruhig in Deinen Bann gezogen und alles, was Du erzählst, war wie ein Tropfen, der in einer Schale einen Klang erzeugt. Leise, aber kraftvoll. Lass Dir nie wieder einreden, Du seist farblos.“ Als Regisseurin stellte sie in ihrem Projekt Mutiges Herz berühmte Frauen ungewohnt kraftvoll und zerbrechlich zugleich dar. Und nun wendet sie sich dem Mut Marias zu. Ein spannendes Gespräch mit einer freievangelischen Christin und ihr Verhältnis zu Maria.
(Probeausschnitt von Teenie-Maria, Foto: Jörg Snijder
links: Yvonne Braschke, rechts: Melanie Telle)
Bob Snook ist einer der vielen US-Playwright-Autoren, die ihr Geld mit dem Schreiben von Theatertexten verdienen. Sein Text Teenie-Maria ist wenig bekannt und doch wird er am vierten Advent in Herz Jesu eine wichtige Rolle spielen. Dies liegt vor allen an der Tiefe, die Melanie Telle dem Text zuspricht: „Ich liebe die Weihnachtsgeschichte bei Lukas und sie spielt in meinen Glauben eine wichtige Rolle. Aber ich finde, der biblische Text lässt Maria etwas konturlos erscheinen. Man muss sich mal vorstellen, welche Skandalgeschichte dort erzählt wird. Junges Mädchen, heute sagt man Teenagerin, ist schwanger und trifft die Entscheidung Gottes Kind auszutragen. Diese biblische Geschichte wird gerne verkitscht. Doch welche Ausgrenzung hätte Maria erfahren müssen, wenn Josef sie nicht unterstützt und ihre Eltern nicht hinter ihr gestanden hätten. Wäre Josef nicht ein Engel erschienen, wäre er aus Marias Leben verschwunden. Die Story beinhaltet einen Bruch mit sozialen Konventionen zu dieser und auch zu unserer Zeit. Wenn Maria „Ja“ zu Gottes Plan sagt, lässt sie sich damit auf ein sehr schwieriges Leben ein: Geburt im Stall, nach heutigem Forschungsstand war es wohl eher eine Höhle, Flucht nach Ägypten, dann wird ihr Sohn der bedeutendste Prediger Israels, er ist DER Messias und nach kurzem Leben ihres Sohnes muss Maria seinen Tod betrauern. Das ist Mut, der wenig mit einer süßlichen Weihnachtsgeschichte zu tun hat, als vielmehr eine Entscheidung zu einem Leben ist, das soziale Kälte, Trauer und Einsamkeit kennt oder kennenlernen wird.“
Als Mutter von vier Kindern interpretiert Melanie Telle mit Bob Snooks Teenie-Maria deren mutige Entscheidung auch auf Jesu Tod am Kreuz hin, die die Brutalität des Lebens nicht leugnet: „Marias Entscheidung hat einen hohen Preis. Gottes Kind auszutragen, heißt, dass ihr Leben auf den Kopf gestellt wird. Dieser Schritt ist radikal und mutig! Die Unterstützung ihrer Familie zu verlieren, hätte für Maria den sicheren Tod bedeutet.“ Melanie Telle betont, dass Maria den Rückhalt ihres Umfelds brauchte, um ihre Rolle als Mutter ausführen zu können. Sie allein musste sich jedoch ein Herz fassen, das Kind auszutragen.
Es ist spannend mit einer freievangelischen Christin so intensiv über Maria zu diskutieren: „Maria ist ein Vorbild im Glauben. Aber im Gegensatz zu vielen Katholik*innen bete ich sie nicht an. Ich muss nicht über Maria den Umweg zu Gott gehen. Er ist für mich direkt in Jesus ansprechbar und zentraler Inhalt meines Glaubens. Als Vorbild ist für mich Maria dennoch interessant. Ohne sie wäre Jesus nie geboren. Sie musste ausharren, hatte Zweifel und war im Gegensatz zu Jesus nie in den göttlichen Plan eingeweiht. Ihr Mut liegt vor allem darin begründet, dass sie trotz allem Zweifel glaubte.“
Auch der feministische Aspekt ist für Melanie Telle hier wichtig. Als Frau führte Maria ein gesellschaftliches Schattendasein, aber Gott teilt diesen öffentlichen und gesellschaftlich-ausgrenzenden Blick auf Frauen nicht: Er erwählt genauso Frauen zur Vollendung des Heils wie Männer. Gott holt sie aus der Dunkelheit heraus, in die sie die gesellschaftlichen Zwänge bringen.
Gerade bei diesen gesellschaftlichen Zwängen setzt Bob Snooks Teenie-Maria an: „Wie soll man seinen Eltern klar machen, dass ein Teenagerpaar ein Kind bekommt, aber der Freund nicht der Vater ist?“ Bob Snook lässt seine Maria selbst sagen: „Mama, das wirst du mir nie glauben, das klingt alles so verrückt…“ Gerade diese Spannung öffnet einen Zwischenraum, in dem Maria mutig gegenüber ihrer Mutter bekennen muss: „Ich bin schwanger.“ Ein Raum, der von Zögern, Zweifeln und Ausharren geprägt ist. Diesen Raum inszeniert Melanie Telle: „In Snooks Text wird Maria als Teenagerin in der heutigen Zeit mit all den Widersprüchen unserer Gegenwart porträtiert. Maria kann sich nur ihrer Mutter öffnen und Gottes Plan annehmen, wenn Mut brutale Hoffnung im Leben bedeutet!“ Telle leugnet damit nicht die möglichen Konsequenzen von sozialer Ausgrenzung, sondern setzt dem Mut das Prinzip Hoffnung voraus, dass Menschen verstehen, empathisch sein und in schwierigen Lebenslagen unterstützen können.
In der Musicaldarstellerin und Kostümdesignerin Yvonne Braschke hat sie ihre Besetzung für die Teenie-Maria aus dem Jahr 2020 gefunden: „Yvonne hat eine wunderbare Ausstrahlung, die Menschen mit ihrer Herzlichkeit einnimmt. Sie bringt Liebe zum Detail mit, die unsere Teenie-Maria mit ihrer mutigen Entscheidung vom Schauspiel bis ins Kostüm aufleuchten lassen wird. Obwohl wir wunderbar harmonieren, gibt es eine produktive Spannung zwischen uns beiden. Während für mich ein naiver Glaube an die biblische Geschichte unproblematisch ist, hat Yvonne hat durchaus auch Zweifel an der biblischen Geschichte. Das ist gut so.“
Dies öffnet einen theologischen Zwischenraum mit allen Widersprüchen, der Zweifel, Zögern und Ausharren, einen brutalen und hoffnungsvollen Mut zum Leben sichtbar macht und Marias Mut nicht verkitscht.
Melanie Telle hat ihrer Inszenierung zu Teenie-Maria eine Überschrift gegeben. Dabei bedient sie sich einem Zitat der Christin Corrie ten Boom, die viele Juden vor dem Holocaust rettete:
„Mut ist Angst, die gebetet hat.“
Infobox
Melanie Telle (Regisseurin)
(Foto: Stefan Seffrin)
Melanie ist seit 2005 Teil der Freien Theaterszene in Trier. Sie ist als Theaterpädagogin, Regisseurin und Schauspielerin tätig. Ihre Ausbildung als Theaterpädagogin BUT® absolvierte sie an der aisthetos akademie in Neuwied. Melanies jüngste Inszenierungen Geschlossene Gesellschaft und Dreck waren 2019/2020 im Kasino Kornmarkt zu sehen. Mit ihren beiden theaterpädagogischen Projekten Mutiges Herz und Der kleine Prinz sorgte sie im Druckwerk Trier-Euren für Begeisterung. Des Weiteren bietet sie Workshops im Bereich Kommunikation & Körpersprache und Achtsamkeits-Trainings an. Weitere Infos unter www.telleme.de
Yvonne Braschke
Yvonne Braschke absolvierte 2005 ihre Musicalausbildung an der renommierten Stage School in Hamburg. Seitdem spielte sie unter anderem in Tarzan, Tanz der Vampire, West Side Story, Evita, 3 Musketiere, Hair und Jesus Christ Superstar und etablierte sich zusätzlich als Choreographin. Parallel studiert sie Modedesign und betreibt ihr eigenes Upcycling Label unter www.knup-fashion.de