Das Jahr war noch keine 6 Tage alt, da erschien auf Facebook ein Bild mit Kermit, dem Frosch, der vorm US-amerikanischen Parlament steht und sagt: „Meine 7-tägige kostenlose Testversion von 2021 ist nun vorbei. Ich möchte mein Abonnement kündigen.“ Vorausgegangen waren die Erstürmung des Kapitols in den USA von einem rechten Mob. Drei Tage später endete die Weihnachtszeit mit der Taufe des Herrn: Epiphanie/Offenbarung. Eine Einstimmung auf 2021!
Wer die Hoffnung hatte, dass nach einem schwierigen Jahr 2020 nun ein ruhigeres und besseres Jahr kommen möge, den überrumpelten spätestens die Ereignisse vom 06. Januar 2021 in den USA. Ein Präsident ruft einer wütenden Meute zu, dass die vergangene Wahl ein Betrug gewesen sei und heizt die Menge auf, indem er fordert, dass das Parlament eingenommen werden solle. Was danach geschehen ist, wird wohl in die Geschichtsbücher eingehen. Die Bilder dieses Schreckens werden uns lange noch in Erinnerung bleiben.
Und machen wir uns nichts vor – 2021 wird mit der großen Herausforderung zu kämpfen haben, die Pandemie zu bewältigen. Und dann wird sich die Frage stellen: Wie geht es weiter nach Corona? Wird es ein zurück zum Normalen, zum Alltag geben? Oder müssen wir uns gesellschaftlich ganz neuen Aufgaben stellen? Wie wird Solidarität 2021 aussehen? Was wird aus unserer Kulturlandschaft? Werden Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Selbstständige sich von der Krise erholen können? Braucht es einen Neuanfang? All das wird sich zeigen müssen.
Sich zeigen, sich offenbaren ist nicht nur eine Frage, die sich Menschen gestellt haben, zur ihrer eigenen Zukunft, sondern auch in Bezug auf Gott. Für den Ausdruck Offenbarung gibt es drei theologische Grundbegriffe: Revelation, Apokalypse und Epiphanie.
Revelation enthüllt dem Menschen in einer religiösen Erfahrung, was schon immer gewesen ist und wie Gott die Welt angelegt hat. So berichtet Paulus im Epheser- und Kolosserbrief davon, dass Gott seine Welt nicht nur geschaffen hat, sondern dass er ihr auch in Jesus Christus Heil und Erlösung zugesichert hat. Diese Offenbarung ist eine Rückschau.
Apokalypse bedeutet im Griechischen Enthüllung. In ihr kommt eine Zukunftsperspektive zum Ausdruck, dass Jesus wiederkommt als Messias, als Retter und Gericht über die Welt hält, damit die Menschheit endlich von allem Bösen erlöst wird.
Epiphanie (dt. Erscheinung) ist die gegenwartsbezogene Dimension von Offenbarung. Sie zeigt auf das Zusammenwirken von Gott und Mensch.
In der Apostelgeschichte (27, 22-29) berichtet Paulus von seiner Epiphanie als er als Gefangener mit einem Schiff dem Kaiser in Rom ausgeliefert und ihm dort zur Verurteilung vorgeführt werden soll:
„22 Doch jetzt ermahne ich euch: Verliert nicht den Mut! Niemand von euch wird sein Leben verlieren, nur das Schiff wird untergehen. 23 Denn in dieser Nacht ist ein Engel des Gottes, dem ich gehöre und dem ich diene, zu mir gekommen 24 und hat gesagt: Fürchte dich nicht, Paulus! Du musst vor den Kaiser treten. Und siehe, Gott hat dir alle geschenkt, die mit dir fahren. 25 Habt also Mut, Männer! Denn ich vertraue auf Gott, dass es so kommen wird, wie mir gesagt worden ist. 26 Wir müssen allerdings an einer Insel stranden.“
Vielleicht müssen wir 2021 vieles, was uns Sicherheit gab, aufgeben. Vielleicht ist unser Schiff, Gesellschaft, wie wir es kennen, dazu bestimmt, in diesem Seesturm unterzugehen. Jedoch sind wir nicht dem Untergang geweiht. Vielleicht müssen wir stranden und uns ein neues Schiff bauen. Doch gerade bei diesem Unterfangen ruft Paulus uns zu „Nur Mut!“ Nun müssen wir Mut haben und handeln.
„Verliert nicht den Mut!“ unter dieser Überschrift steht auch die Musik, die Bernd und Doris Diedrich für den letzten Soli-Gottesdienst ausgesucht haben: Programmatisch können hier die ausgesuchten Lieder John Rutters Gott segne und behüt Dich und Geh unter der Gnade verstanden werden. Mit Amazing Grace und Smile, aus dem Film Modern Times mit Charlie Chaplin, zeigt sich das Glaube und Populärkultur schon immer Harmonien in der Erbauung und des Mutmachens gefunden haben: Der Song Smile aus dem Jahre 1936 wurde von Charlie Chaplin für seinen Filmklassiker Moderne Zeiten zunächst ohne Text komponiert. Im Film erklingt die Melodie in der Schlussszene des Filmes, als Chaplins Tramp und seine Gefährtin (Paulette Goddard) auf einer Straße mit Optimismus einer harten Zukunft entgegengehen.
Mit Over the Rainbow wurde ein Stück gewählt, dass zeigt, welche wunderbare Rezeption eine Hymne erfahren kann, die Mut machen will: Over the Rainbow wurde 1939 von Judy Garland in dem Film der Zauberer von Oz gesungen und drückte eigentlich nur die Sehnsucht eines kleinen Mädchens, Dorothy Gale, aus, wieder zurück nach Hause nach Kansas mit ihrem Hund Toto zu kommen. Das Lied wurde in den 40er Jahren in den USA von Jazzlegenden wie Ella Fitzgerald und Louis Armstrong aufgegriffen und wurde subversiv als Widerspruch gegen die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung in den USA uminterpretiert. Selbst die deutsche Techno-Legende Marusha coverte diesen Song und offenbarte, was das Lied in den 80er Jahren schon längst geworden ist: Eine kraftvolle Hymne der Schwulen- und Lesbenbewegung in ihrem Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung.
Verliert nicht den Mut! Eine kraftvolle Aussage zu Offenbarung und unserem letzten Soli-Gottesdienst für Kulturschaffende.
– Marc-Bernhard Gleißner
Infobox
Über sich selbst schreiben der Pianist und Organist, Bernd Diedrich, und die Sängerin, Doris Diedrich:
Wunderbare Orgelklänge und eine gefühlvolle Stimme …
Bernd und Doris Diedrich lieben und leben die Musik. Diese Leidenschaft begleitet beide seit ihrer Kindheit.
Die ausgebildete Sängerin Doris Diedrich fühlt sich nicht nur in der Kirchenmusik und der Klassik zu Hause. Daneben schlägt ihr Herz sowohl für gefühlvolle Balladen als auch für Musical- und Operetten-melodien. Nach langjähriger Zugehörigkeit zu bekannten Chören wird sie heute überwiegend für Ihren Sologesang engagiert.
Zu gemeinsamen Auftritten des Künstlerehepaares zählen neben weltlichen Konzerten auch regelmäßig die musikalische Gestaltung von kirchlichen Anlässen wie Trauungen, Taufzeremonien sowie Trauerfeiern.
Bernd Diedrich ist seit mehr als 30 Jahren als Organist in zahlreichen Kirchen in Trier und Umgebung tätig. Gleichzeitig gilt seine Leidenschaft der stilvollen Klaviermusik. Als Pianist begleitet er Veranstaltungen verschiedenster Art. Sein breit gefächertes Repertoire umfasst viele bekannte Titel aus den Stilrichtungen Jazz, Pop, Balladen und Evergreens.