Links ist Elisabeth Germscheid, rechts Bill von Buren aus der Arche Daybreak, Richmond-Hill/Kanada zu sehen. Bill war zu Gast zur Hochzeit von Volker und Corinna. Elisabeth war eine glühende Verehrerin der Arche. Ihre Verbindung war nur „im Herzen“. Sie würde niemals selbst nach Kanada reisen.
Sie sprach kein Englisch und Bill kein Deutsch – und trotzdem war es, als würden sie sich ewig kennen…. Auf seiner letzten Reise nach Deutschland hat Bill sie im Altenheim besucht. Seit 2009 sind beide im Himmel vereint.
In der Offenen Gemeinde Heilig Kreuz Neuwied werden sie und ihre Schwester als Mütter der Gemeinde gewürdigt… Sie waren stets bereit, von der Hoffnung zu erzählen, die sie erfüllt… vgl. 1 Petr
Predigt zum 6. Sonntag in der Osterzeit A, 13. Mai 2023, Herz-Jesu
Liebe Schwestern und Brüder,
heute morgen ist mir nochmal so richtig deutlich geworden, wie alt ich bin. 2 Ereignisse haben mir das vor Augen geführt.
Zum einen gab es einen Beitrag bei Facebook aus der Offenen Gemeinde in Neuwied, unserer sredna-Schwester auf der rechten Rheinseite. Die feiern morgen einen ganz besonderen Muttertag: zum einen wird eine Mutter predigen – eine großartige Frau, die als Klinikseelsorgerin und Dichterin arbeitet – oder gearbeitet hat. Catrina Schneider. Und sie erinnern an 2 Frauen, 2 leibliche Schwestern – unverheiratet – die ihr ganzes Leben für die Pfarrei Neuwied-Heilig Kreuz eingesetzt haben: die eine als Kindergartenleiterin und die andere als Gemeindeschwester. Sie war auch das betende Herzen der Gottesdienstgemeinde. Und wenn es so richtig schön war, sagte sie anschließend nur mit leuchtenden Augen „Taborstunde“.
In der Einladung werden sie als „Mütter der Gemeinde“ geehrt – was ich nur unterschreiben kann. Beide waren weit entfernt von „heilig“, hatten ihre Ecken und Kanten, haben die einen angezogen, die anderen abgestoßen, die einen gesammelt und die anderen zerstreut – wie richtige Mütter halt eben. Ja, Namen hatten sie auch: Sophie und Elisabeth Germscheid. Elisabeth habe ich beerdigt: Eine Ehre!
Das alles war vor über 20 Jahren – und hat mir gezeigt, dass ich alt werde. Damals war ich für eine Gemeinde von 1.700 Gläubige zuständig – da waren Seelsorge und Gemeindearbeit noch möglich. In der offenen und freien Atmosphäre Neuwieds. Die Zeit hat Spuren hinterlassen. Eine Kirche, die es so nicht mehr gibt – außer hier, versteht sich.
Und das zweite Erlebnis führt mich noch ein bisschen weiter zurück – in die Würzburger Synode von 1972 – 1975. Diese großartige Kirchenversammlung, die nachher immer wieder klein geredet und schlecht gemacht wurde, besonders von bestimmten Bischöfen und von anderen restaurativen Kreisen. Diese Synode hat den wunderbaren Text: „Unsere Hoffnung“ verfasst und verabschiedet. Eine großartige Vision von Kirche im Horizont des Reiches Gottes – in unserer Zeit, an unserem Ort.
Allein die Gliederung liest sich wie eine To-Do-Liste, von der noch nicht viel abgearbeitet ist:
- Zeugnis der Hoffnung in unserer Gesellschaft
- Das eine Zeugnis und die vielen Träger der Hoffnung
- Wege in die Nachfolge
- Sendungen für Gesamtkirche und Gesamtgesellschaft
Nichts dergleichen hat es danach nochmal gegeben: In unserer Bistumssynode suchen wir etwas Vergleichbares vergeblich. Die Texte des Synodalen Weges habe ich nicht so auf dem Schirm – da war die Fragestellung aber auch eingeschränkter. Vieles in der Kirche war und ist seit Papst Johannes Paul II: geprägt von der Angst, gegen irgendwelche Regeln zu verstoßen – und andererseits von der Flucht in die Organisationsentwicklung, als könnten neue Strukturen es richten und den Glaubwürdigkeitsverlust ausgleichen.
Unsere Hoffnung. „Eine Kirche, die sich erneuern will, muss wissen, wer sie ist und wohin sie zielt. Nichts fordert soviel Treue, wie lebendiger Wandel… Wir müssen versuchen, uns und den Menschen, mit denen wir leben, „Rechenschaft zu geben über die Hoffnung, die in uns ist.“
Da haben wir sie: die Aufforderung des Apostels Petrus, die möglicherweise gar nicht angekommen ist, als wir sie eben gehört haben – verschüttet unter Hinweisen zur Auseinander-setzung mit Gegnern. Da hieß es:
Seid stets bereit, jedem und jeder Rede und Antwort zu stehen, die Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt. Und weiter: Antwortet aber bescheiden und ehrfürchtig.
Der 1. Petrusbrief, so sagte es der Trierer Bibelwissenschaftler Hans-Georg Gradl einmal, ist ein „Knigge für Außenseiter“, für Christ*innen, die in einem nicht-christlichen Umfeld leben. Sie müssen immer wieder ausbalancieren, wo sie mitmachen können – um nicht größer aufzufallen – und wo sie sich abgrenzen müssen und „Farbe bekennen“ – auch mit dem Risiko der Ausgrenzung und Vernichtung.
Das steckt auch in diesem Satz aus dem 1. Petrusbrief: es geht hier nicht um öffentlichkeitswirksame missionarische Aktionen auf dem Hauptmarkt – sondern um das Gespräch von Mensch zu Mensch: Wenn mal jemand fragt: Warum bist Du, wie Du bist? Warum tust Du, was Du tust? Welche Hoffnung erfüllt Dich? Dann sollen wir antworten – und von dieser Hoffnung erzählen, die uns erfüllt. Bescheiden – und ehrfürchtig.
Wie so etwas gehen kann, macht Jesus uns in dem Abschnitt aus den Abschiedsreden vor, den wir als Evangelium gehört haben.
Jesus steht vor der endgültigen Hingabe seines Lebens – und ihm ist natürlich bewusst dass diese Hingabe aus Liebe nach außen wie ein Scheitern aussehen wird. Er versucht, seinen Liebsten eine Deutung „vom Ende her“ anzubieten:
Am Ende, ganz am Ende, wird nur noch Liebe sein. Gemeinschaft. Gemeinschaft in Gott, Gemeinschaft Gottes mit den Menschen – und Jesus selbst ist der Weg dorthin. Diese Aussicht einer ewigen, intensiven Liebe – lieben und geliebt werden – das ist die Wahrheit über Gott – und über uns.
Es wird die Zeit kommen, wo er „physisch“ nicht mehr so da sein wird wie bisher. Aber das ist nicht das Ende. Er vertraut auf seine innere Kraft, die Ruach, die Geistkraft – den Lebensatem Gottes.
Wenn Jesus sich den Jüngern entzieht – durch seinen Tod genauso wie durch seine Himmelfahrt, dann lässt er sie nicht hilflos zurück, wie Kinder, die ihre Eltern verlieren, sondern er atmet seine Lebensatem aus – hinein in diejenigen, die mit ihm gehen. Es ist die Kraft Gottes, die Wahrheit, den Trost, die Gemeinschaft.
Was unser Glaube kann, was er ist – und welche Hoffnung er wecken will, erleben wir am stärksten in diesen existentiellen Momenten des Abschieds – am Kranken- und am Sterbebett, nach einer schwierigen medizinischen Diagnose, nach einem anderen Schicksalsschlag, wenn wir irgendwo in ein tiefes „Schlamassel“ geraten sind.
Dann braucht es diese gläubigen und hoffenden Menschen, die die Fragen und die Traurigkeit und die Verzweiflung aushalten können, die bereit sind, ganz vorsichtig und behutsam „nach vorn“ zu schauen, die einen Schritt voraus sind – und vor allem keine Angst haben vor dem, was kommt – aus Hoffnung.
Menschen wie Sophie und Elisabeth Germscheid, und Catrina Schneider – Menschen, die in Ihren und Euren Lebenskreisen als Hoffnungserzähler*innen vorgekommen sind.
Ich selbst habe in den letzten 4 Monaten Unzählige erlebt – nur ganz ganz wenige von ihnen waren professionelle Seelsorger*innen. Die einen haben mich getröstet, die anderen haben versucht, mit auf andere Gedanken zu bringen – wieder andere waren bereit, mit mir nach vorn zu schauen – auch in die Dunkelheit und die Angst – und es da mit mir aushalten. Ohne vertröstende Floskeln. Da mit mir zu sein – ohne Erklärungen und Ratschläge, das hat mir am meisten Hoffnung gemacht.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir sind auf dem Weg nach Pfingsten. Die Bitttage von Montag bis Mittwoch, Christi Himmelfahrt am Donnerstag, die Pfingstnovene können ein Geländer sein, unsere Sehnsucht nach Hoffnung zuzulassen und sie vor Gott ins Wort zu bringen.
Lassen wir zum Schluss die Würzburger Synode noch mal zu uns sprechen:
Alle unsere Initiativen messen sich letztlich am Maße der einen Hoffnung, zu der wir berufen sind…
Sie macht uns immer neu zu Menschen, die inmitten ihrer geschichtlichen Erfahrungen und Kämpfe ihr Haupt erheben und dem messianischen Tag des Herrn entgegenblicken:
„Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde… Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein… Der Tod wird nicht mehr sein, nicht Trauer noch Klage noch Mühsal. Neu – mache ich alles!“ Amen.