Wie der Leib eine Einheit ist – Queeres Nachtgebet am 2. Oktober, 20:30

Bert Brecht: Kinderhymne 1950

Anmut sparet nicht noch Mühe,
Leidenschaft nicht noch Verstand,
dass ein gutes Deutschland blühe,
wie ein andres gutes Land.
Dass die Völker nicht erbleichen
wie vor einer Räuberin,
sondern ihre Hände reichen
uns wie andern Völkern hin.

Und nicht über und nicht unter
andern Völkern wolln wir sein,
von der See bis zu den Alpen,
von der Oder bis zum Rhein.Und weil wir dies Land verbessern,
lieben und beschirmen wir’s.
Und das liebste mag’s uns scheinen
so wie andern Völkern ihrs.
Bert Brecht, Kinderhymne (1950)

Begrüßung

Liebe Menschen,
herzlich willkommen, heute Abend, hier in der Herz-Jesu-Kirche.

Morgen wird Deutschland 30 Jahre alt – der Staat in dem wir jetzt leben.
Grund zum Danken – viele Menschen möchten hier leben.
Grund zur Selbstverpflichtung: die Einheit, die Inklusion voran zu treiben,
nach innen und nach außen,
wie wie Bert Brecht in der Kinderhymne geschrieben hat.

Wir Deutsche sind nur ein Puzzlestück der Menschheit.
Die Menschheit, die Erde ist ein Leib – aus vielen Teilen.

Wir leben in geteilten Welten.
In Staaten, Nationen, Kulturen, Sprachen, sexuellen Identitäten,
Religionen, Konfessionen, Kirchen.

Und doch sind wir eins.
Eine Verheißung – wie wir gleich hören und sehen werden.
Und schon Realität – wie uns COVID 19 lehrt:
7,8 Millarden Menschen  sitzen in einem Boot – namens Erde.
Das kann nicht mehr ignoriert werden.

Wir sind alle Teile und gehören zusammen zu einem Leib.
Unsere Gaben sollen wir teilen.
Möge die Kraft der Liebe uns einen,
die Liebe, die wir teilen,
den Zweifel und die Hoffnung,
das Kreuz, das wir tragen.

We are many parts
We are all one body.
And the gifts we have,
We were given to share.
May the spirit of love,
make us one indeed;
One, the Love that we share;
One, our hope and despair;
One, the cross that we bear.

Gebet

Wir sind viele Teile und doch ein Leib.
So sind auch wir heute Abend hier, in all unserer Vielfalt,
zu einem gemeinsamen Gebet zusammengekommen.
Du Herr unterscheidest nicht zwischen den Menschen,
für dich sind alle gleich wertvoll.

Du unterscheidest nicht nach Status, Herkunft oder Aussehen
und auch nicht nach Geschlecht oder sexuelle Orientierung.
Herr erfülle uns mit dieser Liebe,
damit wir immer mehr den Menschen so begegnen können wie du es tust.

Sei du mit deinem Geist heute Abend mitten unter uns.
Öffne unser Herz, unseren Geist für dein Wort und für alle Menschen,
denen wir heute hier begegnen.
Amen.

1 Kor 12,12-27

Der Körper des Menschen ist einer und besteht doch aus vielen Teilen. Aber all die vielen Teile gehören zusammen und bilden einen unteilbaren Organismus. So ist es auch mit Christus: mit der Gemeinde, die sein Leib ist.
Denn wir alle, Juden wie Griechen, Menschen im Sklavenstand wie Freie, sind in der Taufe durch denselben Geist in den einen Leib, in Christus, eingegliedert und auch alle mit demselben Geist erfüllt worden.
Ein Körper besteht nicht aus einem einzigen Teil, sondern aus vielen Teilen.
Wenn der Fuß erklärt: »Ich gehöre nicht zum Leib, weil ich nicht die Hand bin« – hört er damit auf, ein Teil des Körpers zu sein?
Oder wenn das Ohr erklärt: »Ich gehöre nicht zum Leib, weil ich nicht das Auge bin« – hört es damit auf, ein Teil des Körpers zu sein?
Wie könnte ein Mensch hören, wenn er nur aus Augen bestünde? Wie könnte er riechen, wenn er nur aus Ohren bestünde?
Nun aber hat Gott im Körper viele Teile geschaffen und hat jedem Teil seinen Platz zugewiesen, so wie er es gewollt hat.
Wenn alles nur ein einzelner Teil wäre, wo bliebe da der Leib?
Aber nun gibt es viele Teile, und alle gehören zu dem einen Leib.
Das Auge kann nicht zur Hand sagen: »Ich brauche dich nicht!« Und der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: »Ich brauche euch nicht!«
Gerade die Teile des Körpers, die schwächer scheinen, sind besonders wichtig.
Die Teile, die als unansehnlich gelten, kleiden wir mit besonderer Sorgfalt und die unanständigen mit besonderem Anstand.
Die edleren Teile haben das nicht nötig. Gott hat unseren Körper zu einem Ganzen zusammengefügt und hat dafür gesorgt, dass die geringeren Teile besonders geehrt werden.
Denn er wollte, dass es keine Uneinigkeit im Körper gibt, sondern jeder Teil sich um den anderen kümmert.
Wenn irgendein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen mit. Und wenn irgendein Teil geehrt wird, freuen sich alle anderen mit.
Ihr alle seid zusammen der Leib von Christus, und als Einzelne seid ihr Teile an diesem Leib.

Welcome, Misha!
Wie wir gehört haben, besteht der Leib nicht aus einem Glied:
nicht nur Kopf, nicht nur Hand, nicht nur Fuß.
Ebenso sind wir, die wir zusammenleben – in einer Stadt oder als Menschheit auf dieser Welt –, wir sind sehr unterschiedlich, aber gehören doch zusammen.
Marc-Bernhard wird nun mit einer Frau über ihre Geschichte des Andersseins, der Zugehörigkeit und Integration, aber auch der Ausgrenzung sprechen.
Mit Misha. Herzlich willkommen, Misha.

Fürbitten

Heute Abend, einen Tag vorm Tag der Deutschen Einheit kommen wir zusammen aus unterschiedlichen Ecken der Welt, mit unterschiedlichem Glauben, mit unterschiedlichem Leben, Ängsten und Hoffnungen zu Dir Gott, der uns in Einheit verbindet.

Misha: Ich bitte für meine Familie in Malaysia, dass es ihnen gut geht und sie gesund sind. Für meine Schwestern und Brüder, die in meiner Heimat Rassismus, Homo- und Transphobie ausgesetzt sind.

Gott, der uns verbindet, sei Du mit uns.

Anas: Ich bitte für alle, die vor den Grenzen Europas auf Einreise warten, für alle, die ihr altes Zuhause auf den Schultern tragen. Ich bitte für alle Träume vom Ankommen, obwohl der Weg lang ist.

Gott, der uns verbindet, sei Du mit uns.

Mohamed: Ich bitte für alle Geflüchteten, die im Moment in Moria das Schlimmster erleben müssen, nur weil sie auf der Suche nach einer neuen Heimat sind.

Gott, der uns verbindet, sei Du mit uns.

Misha: Für alle Geflüchteten, dass sie in Europa und Deutschland eine bessere Zukunft finden. Segne sie mit einem starken Willen, dass sie ihre Ziele erreichen können und wir eins sind als eine Gesellschaft.

Gott, der uns verbindet, sei Du mit uns.

Anas: Ich bete für alle Familien, die zurückblieben und ihre Kinder, die auf der Flucht sind, im Herzen tragen.

Gott, der uns verbindet, sei Du mit uns.

Mohamed: Ich bete für all die Geflüchteten, die auf der Suche nach einer neuen Heimat nie ankamen und gestorben sind.

Gott, der uns verbindet, sei Du mit uns.

Abschließende Bitte aller Vortragenden:

Gott spricht in vielen Sprachen,
aber nur mit einer Stimme.
Er spricht in der Sprache der Hoffnung, des Vertrauens und der Leidenschaft.
Es ist die Sprache des Herzens und die der Seele.
Aber immer ist es die gleiche Stimme.
Es ist die leise, anhaltende Stimme, die sagt
Wir sind E I N S.
Weder das Blut, noch die Hautfarbe: Wir sind E I N S.
Weder der Schmerz, die Dunkelheit, der Verlust oder die Furcht:
Wir sind E I N S.
Hier kommen wir zusammen in der einen Wahrheit,
dass wir gut zueinander sein müssen.
Denn jede Stimme stärkt uns und jede verloren Stimme schwächt uns.
Wir sind Gottes Stimmen, die Seele der Schöpfung, die mit einer Stimme sagt:
Wir sind E I N S.

True colors

You with the sad eyes
Don’t be discouraged
Oh I realize
Its hard to take courage
In a world full of people
You can lose sight of it all
And the darkness inside you
Can make you feel so small

But I see your true colors
Shining through
I see your true colors
And that’s why I love you
So don’t be afraid to let them show
Your true colors
True colors are beautiful
Like a rainbow

Show me a smile then
Don’t be unhappy, can’t remember
When I last saw you laughing
If this world makes you crazy
And you’ve taken all you can bear
You call me up
Because you know I’ll be there

And I’ll see your true colors
Shining through
I see your true colors
And that’s why I love you
So don’t be afraid to let them show
Your true colors
True colors are beautiful
Like a rainbow

If this world makes you crazy
And you’ve taken all you can bear
You call me up
Because you know I’ll be there

And I’ll see your true colors
Shining through
I see your true colors
And that’s why I love you
So don’t be afraid to let them show

Your true colors
True colors
True colors
Shining through

I see your true colors
And that’s why I love you
So don’t be afraid to let them show
Your true colors
True colors are beautiful
Like a rainbow

 

Am Abend vom dem Tag der Deutschen Einheit laden wir herzlich zum Queeren Nachtgebet ein. Während am 3. Oktober die Deutsche Einheit gefeiert wird, machen wir die Einheit aller Glaubenden erlebbar. „So wie der Leib eine Einheit ist, so hat er doch viele Teile.“ (1. Kor 12, 12). Queere geflüchtete Menschen bringen ihre Erfahrungen mit.

„We are many parts!“ – so die englische Übersetzung – ist ein kraftvoller Aufruf in unserer Community die Vielfalt zu feiern und zu würdigen und queeren Geflüchteten die Möglichkeit zu geben, mit ihren Lebensfragen sichtbar zu sein und ihre Fürbitten in unserer Gemeinschaft vorzutragen. Mit den Worten von Paulus: „Wenn ein Teil leidet, leiden alle mit!“ 1 Kor 12, 26.

Wir beten in Deutsch, Englisch und Gebärdensprache.

Es sind alle herzlich eingeladen. Im Anschluss ist unter Corona-Schutzbedingungen Begegnung in und vor der Kirche möglich.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.