In den Dünen von Bergen und Egmond in Nordholland eine Gratwanderung. Auch im Urlaub nimmt man sich und seine Themen mit. Kirchen-Dämmerung. Ich hatte den Namen „Dillinger“ noch nie gehört. Solche Typen waren nicht mein Umgang – nicht im Studium und später nicht. Und jetzt diese neue Misere – für die von Gewalt Betroffenen und für die, die das NOTWENDIGE unterlassen und nicht getan haben. Ein Kirche, die untergeht – wie in einer schummrigen Gracht.
Eine Kirche, die mal Wegweiser zum Leben sein sollte und sein wollte – alle Wegweiser zeigen von ihr weg…
Ich finde keine Worte – und doch müssen wir miteinander reden, um die Monster zu vertreiben – so dichtet Huub Osterhuis frei zu einem Psalm.
In Bergen habe ich dann die „Ruinenkirche“ entdeckt. Diesmal protestantisch. Die Ruine ist gepflegt – und drinnen kam ich aus dem Staunen nicht raus: eine Theke, Stehtische unter der Empore, etwas zum Essen und zum Trinken – allerdings gegen Cash. Es gab doch Unterschiede zu sredna-herzjesu in Trier.
Wir kamen mit einer Verantwortlichen ins Gespräch. Ja, Gottesdienste werden hier auch noch gefeiert – aber es geht um menschliche Begegnung und Beziehung – beim Essen und Trinken, in der Musik, der Kultur und Kunst. Das ist das einzige, was bleibt: die Beziehung mit Gott und untereinander.
Karl Rahner sagte: „Am Ende bleiben Gott und der/die Einzelne“.
Oder mit den Worten Jesu nach Johannes: „Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ (Joh 4,24).
Also: Im Geist. Und nicht im Marmor und Stein, nicht in Brokat und Seide. Nicht im Tempel und nicht im Dom. In Beziehungen.
Und in der Wahrheit. Nicht in falschen Selbstbildern an der Oberfläche, sondern in der Tiefe der Existenz, wo auch die Schuld sitzen, die Scham und die Sehnsucht – die Gott kennt. In ehrlichen, wahren Beziehungen können wir Gott anbeten, im Geist und in der Wahrheit.
Diesen völlig anderen Zugang zum Johannesevangelium habe ich bei Jean Vanier kennen gelernt, in 3 Wochen Bibelarbeit in Trosly-Breuil/Frankreich, vor ca. 15 Jahren. Jean Vanier hat mit anderen die ARCHE-Bewegung gegründet. Kurz vor und nach seinem Tod kamen schlimme Geschichten über ihn ans Tageslicht: er hat den geistlichen und sexuellen Missbrauch an erwachsenen Frauen durch seinen geistlichen Führer P. Thomas Philippe OP gedeckt und auch persönlich beim Missbrauch mitgewirkt. Es ist zum Weglaufen. Dennoch glaube zutiefst, dass seine Lesart des Johannes-Evangliums richtig ist: am Ende bleibt nur die Liebe, nur die Beziehungen. Jesus starb in der Öffentlichkeit und wird lebendig in Beziehungen – am Grab, im Garten, am Tisch, unterwegs. Dieser Zugang von Jean Vanier wird nicht dadurch falsch, dass er ihn selbst in seinem Leben nicht gelebt hat – sondern in schlimmster Weise das Gegenteil getan hat: Vertrauensvolle Beziehungen wurden zerstört – kein Geist. Und keine Wahrheit. Trotzdem kann und will ich weiter glauben und weiter leben – der Menschen wegen, und Gottes wegen.
Zurück in die Protestantische Ruinenkirche in Bergen. An der Tafel mit Jesus – lautet ein Buchtitel, der auf der Theke unter der Empore steht. Daneben ein Glas mit bunten Schokoladenostereiern. Wir werden neue Wege gehen – in der Suche nach der Beziehung zu Jesus, neue Symbole und Zeichen finden. Dass am Ende die Liebe bleibt, das ist der Glaube an den Auferstandenen.