AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL – 15. August 2022, Predigt in St. Matthias

Predigt (rs)

Liebe Schwestern und Brüder,

das Evangelium des heutigen Festes führt uns an den Anfang des Lebens von Jesus und seiner Mutter. Über ihr Ende findet sich in der Heiligen Schrift nichts – ihre Spur verliert sich – wir lesen noch einmal von ihr – im Zeugnis des Lukas am Anfang der Apostelgeschichte, als die Apostel im verschlossenen Saal beieinandersaßen – bevor die Kraft aus der Höhe sie ergriffen und hinausgetrieben hat. Im Evangelium des Johannes stiftet Jesus unter dem Kreuz eine Beziehung zwischen seiner Mutter und seinem Lieblingsjünger, der sie „als ihr neuer Sohn“ in sein Haus aufnimmt. Wie Marias Leben zu Ende geht, erfahren wir nicht.

Dennoch wurden Geschichten und Legenden über ihr Ende erzählt – sie entspringen dem völlig selbstverständlichen Glauben, dass Gott sie am Ende gewürdigt hat – die Frau, die seinem Sohn das Leben geschenkt hat – die sich mit Haut und Haar dem Kommen seines Reiches zur Verfügung gestellt hat.

An ihrem Ende ereignet sich das, was sie am Anfang, zu Beginn ihrer Schwangerschaft besingt:

Gott ist ihr Herr, ihr Retter, den sie bejubelt.

Auf ihre Niedrigkeit hat er geschaut –

die Generationen, die nach ihr kommen, preisen sie selig.

Großes tut der Mächtige – auch in dem Augenblick,

in dem er ihre Augen für immer schließt und sie entschläft.

Sein Erbarmen bleibt für immer – und die neue Ordnung, in der Mächtige vom Thron gestürzt und Niedrige erhöht werden.

 

Am Ende ihres Lebens stehen der neue Himmel und die neue Erde – verbunden mit der Hoffnung, dass Gott „alles in allem“ sein wird.

Ob die formale Verkündigung des Dogmas „der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele“ im Jahr 1950 durch Papst Pius XII. nötig war oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. Die einen waren hocherfreut, für die anderen war es eine Selbstverständlichkeit, die nicht eigens hätte betont werden müssen und die die Koordinaten verschiebt: bei aller Wertschätzung ist und bleibt Maria ein Menschenkind, Teil der Schöpfung –  eine Frau, die sich ganz für Gott entschieden hat.

Für die Kirchen in der Ökumene war die Definition des Dogmas schwierig. Das hat wohl mehr mit dem Selbstverständnis des Papstes in der Verkündigung eines Dogmas zu tun – als mit dem Inhalt selbst. Schwierig bleibt die Sprache – die definiert, einschließt und ausgrenzt, klarstellt, unterscheidet – in einer Wirklichkeit, von der Jesus selbst eigentlich nur erzählt hat, mit Geschichten, die ermutigen, die auch mal den Ernst der Lage zum Ausdruck bringen und die weiterdenken lassen – hinter den Horizont, den wir Himmel nennen.

 

1974 hat der Priester und Dichter Willem Willms aus dem Bistum Aachen großes Aufsehen erregt mit seinem Singspiel „Ava Eva – der Fall Maria“, auch hier in Trier. Wenn ich das richtig behalten habe, war eine Aufführung in der Heiligkreuzer Kirche geplant und wurde auf Druck von oben abgesagt. Wahrscheinlich erinnern sich einige von Ihnen daran.

Willem Willms hat sich der Überlieferung in einer anderen zeitgenössischen, poetischen Sprache angenähert und den Protest und die Hoffnung, die mit Maria verbunden sind, den Menschen der 70 Jahre angeboten. Dabei verwebt er die Lebensgeschichte Marias mit der Lebensgeschichte Jesu und stellt sie in den Kontext des bürgerlichen Lebens und seiner Wertmaßstäbe. Er hält den Leuten den Spiegel vor – und macht deutlich, dass die „hochverehrte jungfräuliche Gottesmutter“, würde sie heute leben, auch keine Chance hätte – genauso wenig wie ihr Sohn.

 

Im Zwischenspiel „die legende vom tod mariens“ heißt es:

mariens tod –

eine legende, die da hinreicht,

wohin astrophysikalische formeln nicht hinreichen

eine legende, dass wir im bilde sind.

 

als maria gestorben

da haben die apostel ein grab erworben

und sie hineingelegt

bekleidet mit einem hochzeitskleid

kleid gewoben aus leid

für das fest über alle fest weit

und sie haben den abschied betrauert

nach altem zeremoniell

dunkel war’s an jenem tag

nicht hell nach altem zeremoniell

 

und als sie nach drei tagen

zum grab kamen

sie zu salben

mit kostbarkeiten

da war das grab ein blumenbeet

das duftete nach blumen

die es auf der erde nicht gibt

blumen aus einem garten,

den auf der erde nicht gibt

 

sie hat sich verduftet

die schönste blume

auf dem feld der welt

maria

 

kein leichengeruch

kein frommer spruch

sie hat sich verduftet

maria

 

sie liegt in der luft

und nicht in der gruft

sie hat sich verduftet

 

die schönste blume

auf dem feld der welt

ein betörender duft

sie hat sich verduftet

maria

 

Liebe Schwestern und Brüder,

solche Worte und Bilder sind keine Dogmen. Sie haben nicht den Anspruch „geglaubt“ zu werden – im Sinne des „für wahr“-haltens“. Aber Hoffnung wollen sie wecken, die Phantasie beflügeln – die Bewunderung für Maria und das, was Gott ihr Gutes tut – und die Sehnsucht wollen solche Worte wecken,  dass sich auch unser Weg beim Gott des Lebens vollendet – so wie der Weg von Maria, der ersten von uns Menschenkindern. Der einen oder dem anderen tut Maria als Begleitung und als Inspiration gut.

Die Blumen- und Kräutersträuße, die wir bei der Gabenbereitung segnen, unsere Hoffnung stärken, dass sich auch unser Weg bei Gott in seiner Welt vollendet. Ihr kraftvoller, intensiver Duft kommt vielleicht nicht aus einer anderen Welt, sondern aus den Gärten in der Pfarrei – aber der Duft kann unsere Gedanken dorthin führen, wohin Worte nicht reichen.

Noch einmal Willem Willms:
so eine wie sie

gewinnt durch den tod

neue blüte

so eine wie sie

sie lebt und stirbt
sie stirbt
und lebt.

 

Amen.

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