Begrüßung
Liebe Schwestern und Brüder,
der November hat es in sich – er ist nicht nur der Totenmonat,
er bringt uns auch mit großen und wichtigen Lebensthemen in Verbindung – schweren wie schönen.
Alles soll heute hier in unserem Gottesdienst seinen Platz haben.
Der 9. November ist dabei kaum zu überbieten:
1918 ruft Philipp Scheidemann die erste deutsche Republik aus, 20 Jahre später bricht der Antisemitismus mit voller Wucht aus, Deutsche stecken die Synagogen ihrer jüdischen Mitbürger*innen in Brand – und der Weg zur Schoa mit der Ermordung von 6 Millionen Menschen jüdischen Glaubens beginnt. Am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer.
Heute ist am 11. November, ist der Gedenktag einer der populärsten Heiligen: Martin von Tours, den wir gern am Ende der Messe und danach bei der Begegnung würdigen.
Den Beginn der fünften Jahreszeit übergehen wir… und bitten um Nachsicht bei denen, die das anders erwartet hätten. Nur Geduld die kommt, wenn sie dran ist….
Heute Abend feiern wir unseren Gott,
der über unserem Leben und in unserem Leben steht,
der war und ist und kommt
möglicherweise zu einer Stunde, in der wir es nicht erwarten.
Evangelium
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
In jener Zeit
erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis:
1Mit dem Himmelreich
wird es sein wie mit zehn Jungfrauen,
die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen.
2Fünf von ihnen waren töricht
und fünf waren klug.
3Die törichten nahmen ihre Lampen mit,
aber kein Öl,
4die klugen aber nahmen mit ihren Lampen
noch Öl in Krügen mit.
5Als nun der Bräutigam lange nicht kam,
wurden sie alle müde und schliefen ein.
6Mitten in der Nacht aber erscholl der Ruf:
Siehe, der Bräutigam!
Geht ihm entgegen!
7Da standen die Jungfrauen alle auf
und machten ihre Lampen zurecht.
8Die törichten aber sagten zu den klugen:
Gebt uns von eurem Öl,
sonst gehen unsere Lampen aus!
9Die klugen erwiderten ihnen:
Dann reicht es nicht für uns und für euch;
geht lieber zu den Händlern
und kauft es euch!
10Während sie noch unterwegs waren, um es zu kaufen,
kam der Bräutigam.
Die Jungfrauen, die bereit waren,
gingen mit ihm in den Hochzeitssaal
und die Tür wurde zugeschlossen.
11Später kamen auch die anderen Jungfrauen
und riefen: Herr, Herr, mach uns auf!
12Er aber antwortete ihnen und sprach: Amen, ich sage euch:
Ich kenne euch nicht.
13Seid also wachsam!
Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.
Mt 25,1-13
Predigt
Liebe Schwestern und Brüder,
um es gleich vorweg zu sagen: Es geht in diesem Gleichnis nicht um die sogenannte „Frauenfrage“ – wie Kirchenobere das gern nennen. Das Gleichnis sagt keineswegs, dass Frauen, besonders junge Frauen, unbedacht und planlos sind. Zum einen gibt es ja die fünf anderen, die sehr wohl strukturiert und weitsichtig ans Werk gehen. Zum anderen ist das Evangelium voll von Geschichten mit törichten Männern – die sich planlos und dumm verhalten: Männer, die ihr Haus auf Sand bauen, Männer, die ihr Vermögen vergraben ohne es zu nutzen, Männer, die geldgierig immer neue Scheunen bauen, ohne zu bedenken, dass Gott das Leben von ihnen zurückfordern könnte. Als um das Frauen-Männer-Thema geht es nicht.
Worum geht’s? Was war denn jetzt so töricht, so „dumm“ an den „Dummen“? Offensichtlich haben sie sich ganz naiv und unbedarft auf ein Abenteuer eingelassen, das sie nicht wirklich zu Ende gedacht haben – ein Abenteuer, das weit über ihre Möglichkeiten hinaus geht und sie letzten Endes überfordert.
Voller Begeisterung haben sie den Job übernommen: Sehr schön, Brautjungfer, macht Spaß, ich bin dabei. Mitten in der Nacht kommt das böse Erwachen: das Öl reicht nicht. Sie kriegen ihr Licht nicht mehr an. Die anderen sind erstaunlicherweise nicht solidarisch: Teilen bringt nichts, dann reicht es für keine – und die Händler liegen im Bett, Nachschub kaufen ist unmöglich. Die Karre fährt an die Wand. Mit voller Wucht… Der Bräutigam ist erbarmungslos: „Ich kenne euch nicht!“ Keine zweite Chance. Sie sind draußen.
Warum ist die Sache schief gegangen? Warum wurde aus der Begeisterung, dem guten Vorsatz, so ein Desaster?
Haben sie sich im Vorfeld nicht genug informiert, was „ihr Job“ bei diesem Unternehmen sein würde? Haben sie ihre eigenen Möglichkeiten, Ressourcen nicht genug gekannt? Haben sie die Aufgabe einfach unterschätzt und die eigenen Möglichkeiten überschätzt?
Bert Brecht schrieb – 1949 in seinem Gedicht „Wahrnehmung“:
„Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns,
vor uns liegen die Mühen der Ebenen.“
Im Bild des Evangeliums: hinter uns liegen die Mühen des Tages –
vor uns die Mühen der Nacht.
Auf unseren Glauben übertragen: An Jesus glauben, mit Jesus gehen, ist ein Langstrecken-Projekt. Kein Sprint. Es dauert ein ganzes Leben. Und es kann mühsam werden – die Mühen der langen Ebenen.
Ich kenne die Erfahrung ja auch. Mit großem Enthusiasmus fange ich etwas an – dann kommen die Mühen der Ebene: Widerstände, Probleme, neue Themen und Herausforderungen, ich verliere die Kraft und die Lust – und wenn es dann drauf ankommt, habe ich nichts zum Abliefern.
Wir sollten also früh genug überlegen, woher Nachschub kommt, dass es reicht – für die Nacht, für die lange Nacht, bis in die frühen Morgenstunden vielleicht.
Was könnte denn mein „Öl“, mein Brennstoff sein? Was hält mich „am brennen“? Wach? Lebendig? Aktiv? Leidenschaftlich? Das wird alle für sich selbst persönlich beantworten müssen und das wird sich unterscheiden.
Wenn ich – persönlich – zurückblicke, auf das vergangene Jahr, aber auch auf die Jahre zuvor, dann sind es vor allem Freundschaft, Zuwendung, Liebe. Es sind Gespräche, die mich hellhörig machen – in denen „Weisheit“ aufblitzt – ein Gedanke, der in eine andere Richtung geht, der weiter führt.
Am brennen hält mich auch dieser Ort, die „Herz-Jesu-Kirche“, diese Gemeinschaft von Leuten, die Menschen, die hier zum Beten und Feiern zusammen kommen – die Gemeinschaft, die bunt ist und viele verschiedene Sprachen spricht – und in verschiedenen Kulturen lebt.
Es ist aber auch die Feier der Sakramente – allen voran die Eucharistie, das Teilen von Brot und Wein – das uns deutlich macht: wir sind Teil des Leibes Christi – gerufen und befähigt, sein Werk in unserer Zeit und an diesem Ort fortzusetzen. Zusammen.
Es ist auch die – seltene, aber intensive – Feier der Firmung. Ich freue mich, dass ich dieses Sakrament mit Erwachsenen ab und zu feiern darf, mit Menschen, die über den Katechumenatskreis zu uns kommen. Die Salbung mit dem Öl, dem Chrisam, berührt und ergreift auch mich immer wieder. Sie will Menschen auf ihrem Lebensweg stärken – und ihn ermutigen, ihren Weg zu gehen. Die Handauflegung und die Salbung stärken „von innen“: Gottes Kraft liegt in ihnen – Weisheit, Stärke, Ausdauer, Offenheit, Freude, Mitgefühl – was auch immer. Und von außen liegt die Hand des Paten oder der Patin auf der Schulter. Ein wichtiger Mensch an ihrer Seite – der/die mitgeht durch dick und dünn, der/die auch mal den entscheidenden Schritt voraus ist.
In 14 Tagen ist es wieder so weit:
Sebastian, dann darf ich dich firmen. Du bist Deinen Weg seit Deiner Kommunion gegangen – immer wieder auch mal hier, in Herz-Jesu. Ihr kommt extra aus Saarburg, weil es Euch hier so gut gefällt. Ich habe extra heute das Öl, das Chrisam mitgebracht und hier vorn schon hingestellt….
(Gemeinsam anschauen, riechen, erklären…)
Und wir alle werden mit Dir feiern und für dich beten – dass dir diese Salbung, diese Firmung die Kraft zum Leben gibt.
Liebe Schwestern und Brüder,
also: mit dem Pragmatismus der klugen Frauen das Projekt „Nachfolge Jesu“ anschauen – und sich entscheiden: packe ich das? Und was brauche ich an Unterstützung?
Dann die „Zapfsäulen“ des Öls der Begeisterung und der Sehnsucht herausfinden und sich gut merken – Herz-Jesu ist sicher eine –
und dann mit Zuversicht und Hoffnung dem Tag entgegen, an dem der Herr kommt – und dessen Stunde wir nicht wissen.
Das klingt doch nach einem Programm! Amen.
Fürbitten
Szenenwechsel.
Am Donnerstag war ich bei der Gedächtnisfeier der Reichsprogram-Nacht vor 85 Jahren – am Mahnmal für die frühere Trierer Synagoge am Zuckerberg. Auch sie wurde in dieser Nach durch Trierer Nazis in Brand gesetzt. Stadt, Polizei und jüdische Gemeinde waren in großer Sorge, ob es zu antisemitischen Vorfällen kommt. Gottseidank blieb es friedlich.
Später in der Synagoge hörten wir – nach der Begrüßung der Vorsitzenden Frau Bakal und Oberbürgermeister Leibe – eine historische Schallplatten-Aufnahme: der letzte Trierer Oberrabiner Dr. Altmann hatte vor seiner Immigration in die Niederlande einige Gebete gesungen und einige Worte an seine Trierer Gemeinde gerichtet. Altmann wurde 1943 kurz nach Vollendung seines 64. Geburtstages mit seiner Familie gefangengenommen und in die KZs Westerbork, Theresienstadt und Auschwitz verschleppt. Dort starb er nach wenigen Wochen an Hunger und Entkräftung. Die Aufnahme war bewegend. Sie führte in eine dunkle Zeit, die überwunden schien – und der wir uns dennoch anzunähern scheinen.
Unsere Fürbitten sollen heute der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde, dem Israelischen Volk und all den Opfern des Terrors der Hamas gewidmet sein. Deshalb leuchten die Kerzen auf der Menorah, dem siebenarmigen Leuchter.
Wir singen das Schalom chaverim.
Bitten
Gott, in unvordenklichen Zeiten du hast Israel zu deinem Volk gemacht – und es aus den Völkern herausgerufen. Durch Unterdrückung, Tod und Vernichtung, ist dein Volk dir treu geblieben.
Wir denken an alle Menschen, die sich heute zu dir bekennen – weltweit, im Staat Israel, in Deutschland und hier in Trier, unsere älteren Schwestern und Brüder im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe.
Schalom chaverim
Am 9. November 1938 brannten die Synagogen und Geschäfte. Menschen jüdischen Glaubens wurden eingeschüchtert, gedemütigt und Opfer von Gewalttaten. Der Schoah wurde der Weg bereitet. Wir denken an alle Menschen jüdischen Glaubens, die heute Opfer von antisemitischen Hass werden – auch hier in Deutschland.
Schalom chaverim
Am 7. Oktober hat die Terror-Organisation Hamas Menschen im Staat Israel angegriffen, getötet, verletzt, als Geiseln genommen. Seitdem verstummen die Geschosse der Hamas nicht. Trotz der Selbst-Verteidigung Israels gehen die Angriffe weiter. Die Geiseln sind immer noch nicht frei.
Überall im Gazastreifen benutzt die Hamas die unbeteiligte palästinensische Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde. Ihre Kommandozentralen befinden sich in Tunneln unter Krankenhäusern und Kindergärten. Sie verhindern die Flucht ihrer eigenen Landsleute.
Wir denken an die palästinensische Bevölkerung, die direkt und indirekt Opfer von Hamas werden.
Schalom chaverim
Heute fühlen sich unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wegen der antisemitischen Gewalttaten zunehmend unsicherer. Sie setzten auf den Staat Israel, wenn sie wirklich nicht mehr hier bleiben können.
Ihnen wird bewusst, wie sehr Israel bedroht ist – und dass auch der Staat Israel und seine Regierung keine Garantie für Sicherheit und Zukunft abgeben können.
Schalom chaverim
In unseren persönlichen Anliegen bitten wir,
die wir mit den meisten Menschen teilen: die Sehnsucht nach Frieden, nach Sicherheit, Wohlergehen, Glück, nach einem erfüllten Leben. Möge die gemeinsame Sehnsucht unser Tun inspirieren.
Schalom chaverim
Gott, allerbarmend und gnädig,
halte deine Hand über uns alle und sei uns gut.
Stärke in uns Glaube, Hoffnung und Liebe.
Sei gepriesen in Ewigkeit. Amen.
Schluss
Die Feier in der Synagoge endete damit, dass ein Rabbiner die Tikva sang, die israelische Nationalhymne. Danach war die deutsche Nationalhymne zu hören. Das trieb mir die Tränen in die Augen. Was für ein Zeichen. Auch wenn der Text sich geändert hat – die Melodie ist gleich geblieben. Was für ein Zeichen des Vertrauens, dass jüdische Menschen, überwiegend aus Osteuropa, uns Deutschen die Hand entgegen strecken – und mir uns zusammen Teil eines anderen, besseren Deutschlands sein wollen – an dem zu zweifeln wir gerade allen Grund haben.
Als Zeichen unserer Solidarität, unserer guten Nachbarschaft, in Erinnerung an wunderbare gemeinsame Feiern haben wir eine Grußkarte vorbereitet. Ich bitte alle sehr sehr herzlich, durch ihre Unterschrift ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Wir werden die Karte in der nächste Woche der jüdischen Gemeinde überbringen.
Nach der Kommunion: St. Martin.
Die Geschichte ist bekannt – ihr Charme ungebrochen.
Wir werden sie singen – die ganze Geschichte, mit allen Strophen
und danach in seinem Geist die Weckmänner essen
und vielleicht teilen und mit nach Hause nehmen um sie weiter zu geben.
Diesmal in der rheinischen Tradition der Weckmänner,
nicht der moselländischen Brezel.
Und bitte nicht vergessen:
Ein Zeichen der Solidarität setzen durch ihre/eure Unterschrift.
Lied: Sankt Martin