RECHT HABEN WOLLEN oder GESEGNET SEIN? – 2. ADVENT am 09. Dezember

Johannes der Täufer – ein Vorbild für junge Leute (aber nicht nur) | Jesus

Lesung Jes 40

1Tröstet, tröstet mein Volk,
spricht euer Gott.

2Redet Jerusalem zu Herzen
und ruft ihr zu,
dass sie vollendet hat ihren Frondienst,
dass gesühnt ist ihre Schuld,
dass sie empfangen hat aus der Hand des Herrn Doppeltes
für all ihre Sünden!
3Eine Stimme ruft:
In der Wüste bahnt den Weg des Herrn,
ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott!
4Jedes Tal soll sich heben,
jeder Berg und Hügel sich senken.
Was krumm ist, soll gerade werden,
und was hüglig ist, werde eben.
5Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn,
alles Fleisch wird sie sehen.
Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.
9Steig auf einen hohen Berg,
Zion, du Botin der Freude!
Erheb deine Stimme mit Macht,
Jerusalem, du Botin der Freude!
Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht!
Sag den Städten in Juda:
Siehe, da ist euer Gott.
10Siehe, Gott, der Herr, kommt mit Macht,
er herrscht mit starkem Arm.
Siehe, sein Lohn ist mit ihm
und sein Ertrag geht vor ihm her.
11Wie ein Hirt weidet er seine Herde,
auf seinem Arm sammelt er die Lämmer,
an seiner Brust trägt er sie,
die Mutterschafe führt er behutsam.

Evangelium Mk 1

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn.
2Wie geschrieben steht beim Propheten Jesája –
Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her,
der deinen Weg bahnen wird.
3Stimme eines Rufers in der Wüste:
Bereitet den Weg des Herrn!
Macht gerade seine Straßen! —,
4so trat Johannes der Täufer in der Wüste auf
und verkündete eine Taufe der Umkehr
zur Vergebung der Sünden.
5Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus;
sie bekannten ihre Sünden
und ließen sich im Jordan von ihm taufen.
6Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren
und einen ledernen Gürtel um seine Hüften
und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.
7Er verkündete:
Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich;
ich bin es nicht wert,
mich zu bücken und ihm die Riemen der Sandalen zu lösen.
8Ich habe euch mit Wasser getauft,
er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.

 

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder,

da ist er: der „Wilde Mann“ – eine der typischsten Gestalten des Advents. Johannes der Täufer. Cousin von Jesus, ein halbes Jahr älter. Die Mütter: revolutionäre Seelenverwandte: Mächtige stürzt er vom Thron und erhöht Niedrige – so singt Maria beim Besuch der alten Tante Elisabeth, die ebenfalls schwanger ist, mit Johannes – dem späteren Täufer. In einem solchen Gedankengut sind er und Jesus groß geworden. Das war ihre Mitgift. Ein Teil jedenfalls.

 

Kein Wunder, dass Johannes seinen sehr eigenen Weg geht – in der Wüste, wie die großen Propheten. Er trägt den typischen Mantel aus Kamelhaar – ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig. Die Nahrungsmittel der Wüste. Er macht da „sein Ding“, wie wir heute sagen würden.

 

Auch für die damaligen Verhältnisse war er schon sehr schräg – er achtete keinen König und keine religiöse Autorität. Als die Pharisäer und Sadduzäer zu ihm an den Jordan kommen, nennt er sie Schlangenbrut und Natternzucht. Damit macht man sich keine Freunde. Aber das Volk ist begeistert – in Scharen strömt es zu diesem Sonderling in der Wüste, am Fluss – und lässt sich taufen.

 

Dann kommt eine seltsame Wendung in der Szene: Johannes sagt: „Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich. Ich taufe mit Wasser, er tauft im Heiligem Geist!“ Im entscheidenden Augenblick nimmt er sich zurück. Sie hätten ihn zum König gemacht – für viele war er der Messias. Aber er widersteht der Versuchung: Er verweist auf den, der kommt.

 

Von dem, der „nach ihm kommt“, wissen wir, dass er sich zwar von Johannes in der Wüste taufen lässt – dass er aber einen ganz anderen Weg geht: Jesus bleibt nicht den in der Wüste, sondern er geht in die Städte und Dörfer. Die Leute müssen nicht zu ihm kommen, sondern er geht zu ihnen. Er predigt nicht die richtende Gerechtigkeit Gottes, sondern die nachgehende Barmherzigkeit. Johannes ist sich nicht sicher, ob Jesus wirklich der Messias ist. Als er im Gefängnis sitzt, schickt er seine Jünger zu Jesus mit der Frage: „Bist du es, der da kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“

 

Jesus antwortet – wie so oft – nicht mit JA oder NEIN. Er sagt: Geht zu Johannes – und erzählt ihm, was ihr hört und seht… Das Reich Gottes bricht an. Es „geschieht“.

 

Es ist nicht überliefert, dass Johannes Jesus irgendwie kritisiert, ihm Vorwürfe oder seine Meinung, sein Verhalten zu ändern versucht. Johannes ist kein Petrus. Und das finde ich für so einen „Wilden Mann“ schon sehr bemerkenswert.

 

Obwohl er sicher total von dem überzeugt war, was er sagte und tat, war er nicht „rechthaberisch“. Er stellte sich mit seiner Meinung, seiner Botschaft, seiner Praxis dem Messias nicht in den Weg. Ich hätte von so einem Typen etwas anderes erwartet. Ich hätte mir gut vorstellen können, dass er sagt: „Es gibt nur einen Weg – und das ist meiner! Geht ihn – oder lasst es! Ihr werdet schon sehen! Recht und Gerechtigkeit – das gibt es nur bei mir, nur auf meine Art.“

Jehuda Amichai, deutsch-jüdischer Lyriker, wurde 1924 in Würzburg geboren, immigrierte 1935 mit seiner Familie nach Israel und starb in Jerusalem im Jahr 2000. 2 Jahre vor seinem Tod schrieb er dieses Gedicht:

Yehuda Amichai - Griffin Poetry Prize

 

An dem Ort, an dem wir recht haben,
werden niemals Blumen wachsen
im Frühjahr.

Der Ort, an dem wir recht haben,
ist zertrampelt und hart
wie ein Hof.

Zweifel und Liebe aber
lockern die Welt auf
wie ein Maulwurf, wie ein Pflug.

Und ein Flüstern wird hörbar
an dem Ort, wo das Haus stand,
das zerstört wurde.

 

An dem Ort, an dem wir recht haben,
werden niemals Blumen wachsen im Frühjahr.
Der Ort, an dem wir recht haben,
ist zertrampelt und hart wie ein Hof.

Die Worte trafen mich, als ich sie las. Bin ich rechthaberisch? Müssen die Dinge immer so laufen, wie ich es will? Werde ich zum Wilden Mann, wenn die Dinge nicht so laufen? Ich habe mich ertappt gefühlt. Ja, es stimmt – ich bin rechthaberisch. Oft.

Aber ich habe dafür ja auch meine Gründe. Meine Argumente.
Es sind ja nicht nur Stimmungen oder unbedachte Meinungen.
Meistens habe ich mir ja gut überlegt, was ich sage oder schreibe. Meistens, nicht immer. Oft kann ich dann auch nicht anders.
Es passiert mit bester Absicht.

Und trotzdem ist der Ort, wo ich recht hatte und mich mit guten und richtigen Argumenten durchgesetzt habe, danach manchmal zertrampelt und hart wie ein Hof. Da wachsen niemals Blumen im Frühjahr. Das ist so. Manchmal. Ja. Und das ist traurig.

Wir haben am Montagabend hier in der Kirche einen neuen, anderen Ort eingeweiht. Genauer gesagt, einen Raum. Das Segenszelt an St. Barbara. Drinnen stehen Worte des Segens – aus der Wüstenwanderung des Volkes Israel und vom Berg der Verklärung. Ein Raum, in dem Blumen wachsen – wo die Welt aufgelockert ist, wo ein Flüstern hörbar wird. Ein Flüstern aus Zweifel und Liebe, wie Jehuda Amichai sagen würde. Manchmal. Flüchtig. Vielleicht.

Im Segen erlebe ich mich geliebt. Gemeint. Ich erlebe GOTT – mit starkem Arm und zärtlichem Herzen. GOTT – die Herde weidend und die Lämmer an der Brust tragend. So sang der Prophet Jesaja dem Volk in der Verbannung – wir haben es eben in der Lesung gehört. Im Gesegnet werden gibt es nicht richtig und falsch. Der GOTTES Segen umfängt – durchdringt. Ich konnte es erleben in dieser Woche…. Gesegnet zu werden… und ich konnte erleben, wie Liebe den zertrampelten und harten Boden im Hof auflockerte. Und wie ein Flüstern hörbar, fühlbar wurde. Da wurde Segen wie ein Kuss. Ein Kuss GOTTES. So sagte es unsere Predigerin Schwester Michaela Wachendorfer von der Insel Juist aus, über Internet. Gesegnetsein und Rechthabenwollen gehen nicht zusammen.

Liebe Schwestern und Brüder,

ob es mir, uns gelingt, das „Rechthabenwollen“ loszulassen? Gelingt es uns, uns segnen zu lassen, die Weite und Größe des Segens GOTTES anzunehmen und in sie einzutreten?

Wir können heute Abend darum bitten, dass uns das gelingt, in diesem Advent. Ein Gedicht zum Segenszelt kann uns für diese Bitte Worte leihen:

sehnsucht nach segen

auf dem weg
im wüstenland
im reißenden fluss

vor der mauer
im schatten des todes

sehnsucht nach segen

dass da jemand ist
mich anrührt
behutsam
stark

sehnsucht nach segen
dass eine stimme spricht
du
du bist
gehüllt in licht
behütet in zuneigung
gesegnet mit frieden

sehnsucht
nach segen
dass eine stimme spricht
steh auf
hab keine angst

ich bin da

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