Aus der Predigt an Christi Himmelfahrt (in St. Valerius)
Jesus geht endgültig weg. Zu seinem Vater in den Himmel. Schön für ihn. Hat er sich redlich verdient – nach seinem Werk auf der Erde. Aber – ist denn wirklich auch schon alles vollbracht, so wie es Jesus – erhöht am Kreuz – im Johannesevangelium sagt?
Nun, es gäbe noch einige zu tun, Jesus – nicht nur, aber auch in diesen Corona-Zeiten. Geht bitte nicht jetzt – lass uns nicht allein mit diesem Virus – das wir nicht kennen, das wir nicht verstehen, das uns große Angst macht. Es ist weit davon entfernt, die häufigste Todesursache zu sein…. Trotzdem: wenn man die Geschichten von Menschen liest, die an Covid 19 erkrankt sind, kann man es schon mit der Angst zu tun bekommen. Jesus, lass uns nicht allein mit dem Virus!
Und lass uns nicht allein mit den Menschen, die an Verschwörungen glauben, an die geheimen Mächte, die die Strippen ziehen. Lass uns nicht allein mit denen, die glauben, alles besser zu wissen – mit den „Covidioten“… wie sie schon genannt werden.
Lass uns nicht allein mit Politikern, vor allem männlichen, auf der Welt – deren Unfähigkeit gerade jetzt offen zu tage tritt – und die sich nur noch in der Suche nach Schuldigen ergehen, auf sich selbst kommen sie dabei natürlich nicht.
Lass uns nicht allein mit diesem Bombenfund am Mattheiser Weiher, den nun wirklich gar keiner gebraucht hätte, zu dieser Zeit. Auch wenn da nichts Großes zu befürchten ist, es macht Angst – und bringt Unruhe – als gäbe es nicht schon genug.
Lass uns nicht allein, Jesus! Auch nicht uns selbst. Mit unserer diffusen Angst – mit der Angst vor dem Tod und dem Sterben.
Nein, Herr, es ist noch nicht vollbracht! Du kannst noch nicht gehen! … beten, ja flehen wir.
Wir müssen das Evangelium vom letzten Satz her denken, von Matthäi am letzten. Da sagt Jesus den entscheidenden Satz, da macht er die Zusage, nach der wir uns so sehnen:
„Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt!“
Er ist mit uns. Das klingt wie der Name, den Jahwe dem Moses genannt hat, am Brennenden Dornbusch. Es klingt wie die wunderbaren Verse im Propheten Jesaja:
„Jetzt aber – so spricht der Herr, der dich geschaffen und geformt hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich beim Namen gerufen. Mein bist du. Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort… Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich der Heilige Israels, bin dein Retter… Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe, gebe ich für dich ganz Länder und für dein Leben ganze Völker. Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir… (Jes 43,1-6)
Dieses „Mit-Uns-Sein“ hat eine andere Gestalt, als die physische, körperliche Gegenwart des Herrn. Es ist eine andere Art und Weise – eine innerliche, er ist in unserem Herzen, in unserer Seele. Geist, Heiliger Geist – nennt Jesus dieses Kraft.
Wir haben in den letzten Wochen erleben müssen, dass die körperliche Gegenwart von Menschen ein Segen ist – aber auch ein Fluch sein, kann – dass gerade der feuchte Atem, der Lebensatem, den Gott seiner Schöpfung im Paradies eingehaucht hat – den Jesus seinen Jüngern am Osterabend wieder eingehaucht hat – dass genau diese feuchte Atem der Übertragungsweg für das Corona-Virus ist.
Wir haben viel lernen müssen – in den letzten Wochen, und wir sind immer noch dabei. Wir haben lernen müssen, wie man unter den Bedingungen körperlichen Abstands trotzdem noch menschliche Wärme und Nähe und Hilfe vermitteln kann. Wir haben gelernt, wie wir in Kontakt bleiben können – durch das Telefon, das Internet, durch einen Brief, oder auch mal ein Gespräch auf der Straße – auf Abstand.
So mussten die Jünger auch lernen, dass Jesus anders bei ihnen ist und sein wird als vorher, als er mit ihnen durch Palästina gezogen ist.
Am letzten Samstag habe ich mit meiner Mutter per Skype gefrühstückt. Sie hat mir ihre neue Frisur gezeigt – und ich habe sie auf meinen Balkon mitgenommen. Mein Bruder hatte sie mit der nötigen Technik versorgt. Natürlich ist das nicht dasselbe wie ein Besuch – aber es ist ein Ausdruck dafür, dass sie da ist – und dass ich da bin – und dass wir miteinander und füreinander da sind.
Wir haben bisher 13 wunderbare Telefongottesdienste gefeiert. Da ist so einfach wie ein Telefonat mit einer Freundin oder einem Verwandten. 40 – 50 Menschen machen dabei mit. Immer noch. Wir haben im Laufe der Zeit die Chancen und die Grenzen dieser Kommunikationsform gespürt. Aber sie ist eine Weise, miteinander menschlich und geistlich in Verbindung zu sein.
Um diese Erfahrungen zu machen, muss man sich auf Neues einlassen. Wer nur am Alten festhält und will, dass alles so bleibt, wie es ist – obwohl das nicht geht, – der oder die hatte wochenlang „nichts“. Auch das hat es gegeben, bei gläubigen Christinnen und Christen. Die Eucharistiefeier ist zwar der Höhepunkt und Quelle – aber auch sie ist nicht alles. Wenn sie das Einzige wäre, müsste der Glaube in anderen Teilen der Erde längst gestorben sein.
In den kommenden Tagen bis Pfingsten haben wir Zeit, um diese andere Gegenwart Gottes zu bitten – um seinen Geist. Der hat natürlich keine Chance, wenn wir uns nicht ändern, und nicht bereit sind, loszulassen und neue Formen von Gemeinschaft und Gottes Gegenwart anzunehmen und zuzulassen. Komm, Heiliger Geist! Erfülle die Herzen deiner Gläubigen! Entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!