Den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen geoffenbart“ Mt 11,25-30. Telefongottesdienst am Samstag, 04. Juli 19:00

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Eröffnung (Marc-Bernhard)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Deiner Huld, o Gott, gedenken wir in deinem heiligen Tempel.
Wie dein Name, Gott, so reicht dein Ruhm bis an die Enden der Erde;
deine rechte Hand ist voll von Gerechtigkeit.

Lied: Wo Menschen sich vergessen GL 852,1-3 (Kathrin)

 

Begrüßung (Marc-Bernhard)

Liebe Schwestern und Brüder,

herzlich willkommen zu unserem zweiten Telefongottesdienst in der Reihe „Sommer der Befreiung“.

Und fühlen Sie sich schon seit dem letzten Telefongottesdienst schon etwas befreiter? Die Frage ist ganz ernst gemeint. Mir geht es nicht so. Die letzten Tage waren wieder geprägt von Termindruck. In den Konferenzen, in denen ich war, hatte ich das Gefühl, dass die Menschen einen Rededrang hatten. Alles, was man in den Corona-Monaten nicht sagen konnte, musste raus und dahinter war ein emotionaler Druck. Da waren Aggressionen zu spüren, da war ein ganz unentspannter Grundton. Ich hatte das Gefühl da lagen die Nerven blank.

Und nach diesen Sitzungen ging es mir genauso. Bei mir lagen die Nerven blank. Man redet heute so gerne von toxischen Beziehungen, von einem Miteinander das vergiftet ist oder vergiftet. Ich fühlte mich nach diesem Redeschwall geduscht, aber eben toxisch geduscht.

Wir Menschen haben die Angewohnheit, dass wir mit vielen schwierigen Situationen umgehen können, das ist Stärke. Wir können einiges ertragen. Aber meistens leben wir doch nicht mit uns im Reinen. Da sind zu viele ungeklärte Konflikte, da ist viel Ungeklärtes in uns.

Manchmal bearbeiten wir es, aber manchmal schläft da in uns auch ein dunkler Riese, dem wir entgehen wollen. Und zu Recht! Eine Schauspielerin hat mir mal gesagt: „Wir haben alle unsere Leichen im Keller und wenn wir uns um jede dieser Leichen kümmern würden, würden wir ein Dasein wie eine Mumie führen und kämen nie aus unserem Keller aus. Die Kunst ist es, einfach mit dieser Leiche zu leben. Sie zu akzeptieren.“

Recht düstere Worte für einen Sonntag, der sich dem Sommer, also dem Licht, der Sonne der Befreiung widmet. Aber sei es drum, nehmen wir mal heute in den Gottesdienst all das Halbfertige, all die Unausgegorenheiten, die unterdrückten Konflikte mit in den Gottesdienst und hoffen auf Gottes Liebe, der uns in dieser zerrissenen Ganzheit voll und ganz liebt. Deswegen lasst uns voll Vertrauen, das Kyrie, das Herr erbarme Dich beten:

Kyrie  (Bruni)

Wenn wir uns klein fühlen und erschrecken vor uns selbst oder vor dem, was andere sagen und tun,
wenn wir uns selber nichts zutrauen und eine Last uns niederdrückt,
dann bist du unsere Rettung, Gott.

Denn du achtest uns, auch wenn wir schwach sind.
Du schenkst uns deine Kraft, die unser Leben verwandelt.
Darum rufen wir zu dir:

Herr, erbarme dich.
Christus, erbarme dich.
Herr, erbarme dich.

Gloria: Ich lobe meinen Gott GL 400,1-2 (Ralf)

Gebet (Marc-Bernhard)

Geheiligt werde dein Name
nicht der meine,
dein Reich komme
nicht das meine
dein Wille geschehe
nicht der meine.
Gib uns Frieden mit dir,
Frieden mit den Menschen,
Frieden mit uns selbst,
und befreie uns vor Angst.
(Dag Hammarskjöld, UN-Generalsekretär 1953-1961)

 

ERSTE LESUNG

Impuls (Marc-Bernhard)

Einige Jahrzehnte nach der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil wurde der zweite Tempel in Jerusalem errichtet. Angeblich wurde der Zweite Tempel auf den Fundamenten des zerstörten Vorgängerbaus errichtet. Man baute also den Ersten Tempel in schlichter Form wieder auf. Allerdings stand im Allerheiligsten kein Kerubenthron mehr, sondern dies war ein völlig leerer, durch einen Vorhang abgeteilter Raum.

So schlimm das Exil in Babylon auch war, erlaubte es den Juden doch ihre Religion auszuliefern und führte zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung mit dem eigenen Glaube. Heute würde man sagen, die Krise wurde als Chance genutzt. Mit dem Ende des Babylonischen Exils konnte der langersehnte Wunsch der Juden wieder einen Tempel, als zentralen Ort des Glaubens, erfüllt werden. Jedoch hatte das Exil auch Veränderung mit sich gebracht. Der Tempel war nicht mehr der Ort der Macht, sondern er war ein leerer Raum, in dessen Zentrum nicht ein Thron stand, sondern die Leere. Das Exil wirkte im Glauben nach und schuf starke Bilder. Die Erkenntnis, dass das Exil überstanden wurde und Machtlosigkeit Teil des Glaubens war, genauso wie der Triumph zeigte sich in dieser neuen Tempelgestaltung. Und gleichzeitig war die Leere im Hauptraum des Tempels auch Zeichen, dass es für den Glauben keinen zentralen Ort mehr geben kann. Aber der Mangel an Zentralität führte dazu, dass die Juden unterschiedlichen Synagogen hatten und neue Gemeinden aufbauten. Das Exil und die Heimatlosigkeit führte dazu, Gott überall zu suchen und zu finden und dort Gemeinden zu erreichten.

Das Buch Sacharija berichtet von der Wiederauferrichtung des Zweiten Tempels. Es ist eine Hoffnungsbotschaft, das bald die Friedensherrschaft des Heilands anbricht. Das Exil, die Krise ist nicht das Ende. Es ist der Weg in eine neue Zukunft mit der Hoffnung das in Gott alles gut wird. Hören wir nun voller lebendiger Lebensfreude die Lesung aus dem Sacharja, vorgetragen von…

Text (Franz-Josef)

Lesung
aus dem Buch Sachárja.

So spricht der Herr:
9Juble laut, Tochter Zion!
Jauchze, Tochter Jerusalem!
Siehe, dein König kommt zu dir.
Gerecht ist er und Rettung wurde ihm zuteil,
demütig ist er und reitet auf einem Esel,
ja, auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin.
10Ausmerzen werde ich die Streitwagen aus Éfraim
und die Rosse aus Jerusalem,
ausgemerzt wird der Kriegsbogen.
Er wird den Nationen Frieden verkünden;
und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer
und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Antwortgesang GL 474,1-3 (Kathrin)

ZWEITE LESUNG

Impuls (Marc-Bernhard)

Auch der zweite Lesungstext ist in einer Situation der Zerrissenheit geschrieben wurden. Diesmal ist es nicht das Ende des Exils, sondern die Diaspora der neuen Christen. Da schlossen sich auf einmal Juden und Nicht-Juden zu einem neuen Glauben zusammen. Sie können sich vorstellen, was das für ein Chaos gewesen sein musste. Die einen kannten die biblischen Geschichten und Heilsversprechen, andere kamen aus einem ganz anderen Kulturkreis und waren eher vertraut mit der griechischen Philosophie als mit der biblischen Schöpfungsgeschichte. Und unter diesen neuen Glaubenden befinden sich Frauen, Freigelassene und Sklaven. Was für eine bunte Truppe.

Im Gegensatz zu anderen Gemeinden, denen Paulus schrieb, hat er die römische Gemeinde nicht gegründet und kannte persönlich keinen der Glaubenden dort. Umsomehr muss Paulus die Grundlagen des Glaubens an diese Gemeinde vermitteln. Wer den Römerbrief liest, hat das Gefühl man hat einen Theologie Grundkurs vor sich, in dem Paulus alles klar und richtig stellt. Der Römerbrief ist aufgebaut wie eine Diskussion, in der Paulus sich selbst Fragen stellt, nur um nicht missverstanden zu werden.

Im Internet habe ich den Ausdruck „Pool von Problemchristen“ für diese Gemeinde gefunden. Und dann wird im moralinsauren Ton erklärt, dass diese Christen in Rom keine Ahnung von der Sündentheologie der frühen Christen hatten. Deswegen pocht Paulus darauf, dass der Körper der Ort der Sünde ist und der Geist der Ort der Befreiung. Paulus sehr erklärender Ton ist aber auch dem Sachverhalt geschuldet, dass er die ökonomisch schwierige Situation der Christen in Rom kennt. Sie sind Marginalisierte, müssen Steuern zahlen, sind Sklaven. Doch Paulus erinnert daran, dass der sündhafte Leib durch den Geist überwunden wird. Vielleicht muss man Paulus noch in Erinnerung rufen, dass dies keine Versklavung, sondern eine Frohe Botschaft ist. Durch Jesus Liebestat gab Jesus das ultimative Zeichen, dass wir Menschen von Tod und Sünde befreit ist. Für den Pool der Problemchristen heißt das auch: Egal, ob wir Sklaven seid, egal ob ihr arm seid und deswegen betteln, stehlen, Euren Körper verkaufen müsst, wenn ihr an Gott glaubt, ist das Elend der Welt nicht mehr an Euren Körper gehaftet, ihr seid frei in der Liebe Gottes.

Text (Marianne)

Lesung
aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom.

Schwestern und Brüder!
9Ihr seid nicht vom Fleisch,
sondern vom Geist bestimmt,
da ja der Geist Gottes in euch wohnt.
Wer aber den Geist Christi nicht hat,
der gehört nicht zu ihm.
11Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt,
der Jesus von den Toten auferweckt hat,
dann wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat,
auch eure sterblichen Leiber lebendig machen,
durch seinen Geist, der in euch wohnt.
12Wir sind also nicht dem Fleisch verpflichtet, Brüder und Schwestern,
sodass wir nach dem Fleisch leben müssten.
13Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt,
müsst ihr sterben;
wenn ihr aber
durch den Geist die sündigen Taten des Leibes tötet,
werdet ihr leben.

Antwortgesang: Eines Tages kam einer, 1-3 (Ralf)

Halleluja: Ihr seid das Volk/HallelujaGL 483,1 (Kathrin)

Evangelium (Bruni)

Aus dem Heiligen Evangelium nach Matthäus

20 Da fing er an, die Städte zu schelten, in denen die meisten seiner Taten geschehen waren; denn sie hatten nicht Buße getan:
21 Wehe dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Wären in Tyrus und Sidon die Taten geschehen, die bei euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche Buße getan.
22 Doch ich sage euch: Es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen am Tage des Gerichts als euch.
23 Und du, Kapernaum, wirst du bis zum Himmel erhoben werden? Du wirst bis zur Hölle hinabfahren. Denn wenn in Sodom die Taten geschehen wären, die in dir geschehen sind, es stünde noch heutigen Tages.
24 Doch ich sage euch: Es wird dem Land von Sodom erträglicher ergehen am Tage des Gerichts als dir.
25 Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart.
26 Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.
27 Alles ist mir übergeben von meinem Vater, und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.
28 Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Halleluja wiederholen

Predigt (Marc-Bernhard)

Liebe Gemeinde,

Was hat Jesus denn da geritten? Wie eine Schimpfdrossel zieht Jesus gegen die Städte Chorazin und Betsaida vom Leder. Kurz übersetzt: „Meine Fresse, tut endlich Buße! Und mach dabei mal hinne!“ Und dabei bleibt es nicht: Jesus verweist auf Städte wie Tyrus und Sidon und meint, diese Städte wären viel schneller im Buße tun. Das klingt nach einem Vater, der gerade die Nerven verliert, weil Sohn Max weniger fleißig in der Schule ist als Tochter Lisa. Und Jesus bleibt nicht dabei, er eskaliert: Betsaida und Chorazin sind schlimmer als Sodom und Gomorrha. Das ist in ungefähr so schlimm als würde man dem Fleischer von nebenan um die Ohren hauen, dass er Hygienestandards wie Thönnies hat. Es ist der ultimative Schuß vor den Bug, den uns das Neue Testament hier par excellence liefert.

Man hat fast das Gefühl, man möchte mit Jesus in eine Familientherapie gehen, um sich mal richtig auszusprechen und zu fragen, woher kommt denn bitte schön diese passiv-aggressive Grundhaltung her?

Nun die Familientherapie wurde erst 1970 entwickelt, eine Klärung zwischen Jesus und seinen Schäfchen werden wir therapeutisch nicht auflösen können. Der Schuß vorm Bug sitzt und es wird leider nirgends berichtet, wie sich die Menschen aus Betsaida und Chorazin gefühlt haben, nachdem sie sich das von Jesus anhören durften.

Mir drängt sich aber der Verdacht auf, dass dieser Text ein sehr inkohärentes Jesusbild verfolgt. Denn die Textstellen, die danach folgen sind, um in der Sprache der Psychotherapie zu bleiben, etwas schizophren:

Nach dem Wutausbruch, kommt eine Lobpreisung Jesu und eine fast schon an Johannes erinnernde philosophische und höchst verwirrende Offenbarungstheologie: „Alles ist mir übergeben worden von meinem Vater; und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn, und der, dem der Sohn (ihn) offenbaren will.“

Ich gestehe, ich stehe genauso ratlos vor diesem Satz wie sie. Ich muss unwillkürlich an Christopher Moores großartig und witzigen Roman „Die Bibel nach Biff“ denken, in dem Biff, Jesus bester Freund, der es aus welchen Gründen auch immer, nicht geschafft hat in der Bibel Erwähnung zu finden, Jesus mitteilt, er solle seine Gleichnisse, doch ein wenig lebensnaher gestalten, damit man ihn auch verstehe.

Ich versuche trotzdem mal eine Übersetzung: 1. Nur Gott Vater erkennt den Sohn. Also nur Gott weiß, wen er als Messias, als Menschenretter in die Welt schickt.

  1. Nur der Sohn erkennt den Vater. Also nur der Messias kann uns über Gottes Wesen, als Person und über seinen Willen mehr berichten.
  2. Nur die erkennen Gott, denen der Heiland Gott offenbarte.

Ich habe da jetzt mal nur ein paar Verständnisfragen:

  1. Warum zeigt sich Gott denn nicht selbst?
  2. Was passiert, wenn ich in meiner menschlichen Fehlerhaftigkeit den Messias nicht richtig verstehe. Meine Begrenztheit fängt ja schon dort an, wenn ich nur einen Ikea-Schrank nach Anleitung zusammenbauen soll. Wie soll ich da ernsthaft solche großen Mysterien verstehen, wie Jesus, der über das Geheimnis Gottes spricht.

Und 3. Kann es sein, dass wenn die Beziehung zwischen Jesus und Gott und einigen Ausgewählten so eng ist, dass die Menschen aus Betsaida und Chorazin Jesus gar nicht verstanden haben und somit gar nicht Buße tun können?

Aber es wird noch komplizierter: Nach diesem hochtheologischen Offenbarungsrätsel ruft Jesus uns zu: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde Euch Ruhe geben. Nehmt auf Euch mein Joch und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig und ihr werdet Ruhe finden für Eure Seelen, denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“

Mittlerweile kommen mir immer mehr Zweifel an Matthäus. Kann es sein, dass Jesus vielleicht all die Sachen gesagt hat, aber nicht in diesem Zusammenhang? Schauen wir uns den Text mal kritisch an und stellen uns vor, wir hätten den im Deutschunterricht abgegeben. Wir dürften mit Glück sagen, wenn die Lehrerin uns noch mal die Chance gäbe, unseren Aufsatz neu zu schreiben. Die Bilder, die Zusammenhänge, das passt nicht zusammen.

Gehen wir nur mal der Logik nach, vergessen wir unsere fromme Erziehung, die wir im Reli-Unterricht oder in den unterschiedlichen Katechetenstunden hatten: Jesus ruft die Beladenen, denen, den es schlecht geht und sagt. Ich bin sanft und demütig, nehmt mein sanftes Joch auf Euch und ihr habt Ruhe!

Nein, Matthäus so eben nicht: Einem geplagten Elternteil, dass Arbeit, Homeschooling, 24 Stunden-Betreuung von Kindern, vielleicht noch in der Nachbarschaftshilfe aktiv ist oder ein krankes Familienmitglied umsorgen muss, diesem Menschen kann man nicht noch aufdrücken, dass er jetzt Jesus Joch tragen soll. Das ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, das ist der Weg in den Burnout, dass ist alles andere als Befreiung, das ist zu viel!

Sommer der Befreiung und das Matthäusevangelium! Das passt nicht zusammen! Ich erkläre meine Predigt für hiermit gescheitert. Ich frage mich, wie wir nur so einen Titel für so ein Evangelium finden konnten. (Tief ein und ausatmen)

Und jetzt habe ich mich in Rage geredet… geschimpft wie ein Rohrspatz und mir damit ein wenig Erleichterung verschafft. Ich hoffe, Sie konnten meinen Gedanken trotzdem folgen.

Aber was machen wir jetzt mit diesem Text? Wie passt er in unser Projekt „Sommer der Befreiung“? Die ganze Zeit wie ich den Text lese, habe ich eine ganz andere Assoziation. Ich muss an den schwedischen Film „Wie im Himmel“ denken.

Probieren wir es. Ich lasse Sie an meinen Assoziationen teilhaben.

Daniel Daréus ist ein international erfolgreicher Dirigent aus Schweden. Kurze Rückblenden zeigen zunächst prägende Stationen des Heranwachsenden: Der Junge wächst ohne Vater in Ljusåker auf, einem Dorf in Nordschweden. Während seiner Schulzeit wird er von seinen Mitschülern gehänselt und verprügelt. Später kommt sein außergewöhnliches musikalisches Talent als Geigenvirtuose zum Vorschein. Im Alter von acht Jahren zieht er mit seiner Mutter in die Stadt, wo ihn der Musikagent Mircea unter die Fittiche nimmt. Als Jugendlicher muss er mitansehen, wie seine Mutter infolge eines Autounfalls stirbt, als er gerade im Begriff ist, an einem internationalen Jugendmusikwettbewerb teilzunehmen. Schließlich – als Mittvierziger – wird Daniel Daréus ein gefeierter Stardirigent. Während eines Konzerts erleidet Daréus einen Herzinfarkt; er legt deshalb seine Arbeit nieder.

Daréus zieht sich zurück nach Ljusåker, den Ort seiner Kindheit, wo er die ehemalige Dorfschule kauft und dort einzieht. Da Daniel Daréus nur sein Künstlername ist, erkennt ihn in dem Dorf zunächst niemand wieder. Daniel träumt von einer Musik, die die Herzen der Menschen öffnet und verbindet. Er lernt die junge Verkäuferin Lena kennen, die im örtlichen Kirchenchor singt. Der Sportladen-Besitzer des Dorfes, Arne, will ihn als Leiter für diesen Chor gewinnen. Daniel besucht zunächst widerwillig eine Chorprobe, entscheidet sich dann jedoch, die vakante Stelle des Kantors zu übernehmen, den Chormitgliedern Gesangsunterricht zu erteilen und sie für die Musik zu begeistern. Der anfangs kleine und schlechte Chor wächst. Auch der geistig behinderte Tore darf mitmachen, da er eine ursprüngliche Herangehensweise an das Singen hat. Daniel erhält von den Chormitgliedern großen Zuspruch, auch da er eigenwillige Unterrichtsmethoden einführt, die den Chormitgliedern helfen, sich zu öffnen und den Zugang zur Musik zu finden.

Daniel erlebt intensive Stunden mit dem Chor, und der Zusammenhalt wächst durch die gegenseitige Unterstützung bei den Sorgen und Problemen Einzelner, die der Enge des Dorflebens geschuldet sind und die eindrücklich in Nebenschauplätzen oder Einzelschicksalen dargestellt werden. Immer mehr geht die Handlung des Films von Daniel weg und thematisiert die existentiellen Probleme der Chormitglieder. Ganz intensiv wird die Geschichte der begabten Sängerin Gabriella und ihres gewalttätigen Manns Conny offengelegt.

Mitten in der Chorprobe taucht Gabriella mit ihren Kindern auf. Sie hat Gesichtsverletzungen und verkündet, nicht mehr zu ihrem gewalttätigen Mann zurückzukehren. Kurze Zeit später taucht dieser auf und will seine Frau mit Gewalt zurückholen, wird aber von der Gruppe daran gehindert. Er droht daraufhin, sich zu rächen, und als er Daniel einige Zeit später im Fluss baden sieht, prügelt er ihn bewusstlos. Conny wird festgenommen und landet im Gefängnis. Daniel offenbart der Gruppe, wer er wirklich ist und dass er seine Kindheit in Ljusåker verbracht hat.

Doch bevor der Chor eine Gemeinschaft wird, sich für andere einsetzt, wird man Zeuge von unappetitlichen Szene: Der Verkäuferin Lena wird vorgeworfen, sie sei ein Flittchen, weil sie die Männer wie Unterhosen wechsle. Der Behinderte Thore wird wie ein Dummer wegen seiner Behinderung behandelt und soll ausgeschlossen werden. Arne will den Chor für einen Gesangswettbewerb anmelden und spielt sich wie ein Pascha auf, der alle anderen Mitglieder des Chores beleidigt. Die Situation eskaliert, es kommt zu einer Schlägerei. Bis Gabriella explodiert und danach mit Tränen im Gesicht auf den Boden kauert.

Es ist der emotionale Befreiungsschlag, der Gabriella gelingt. Denn hinter den Aggressionen, hinter den Abwertungen der anderen, steckt die Beengung des Dorfes, die Narben, die das Leben schlug, eine tiefe Verletzlichkeit, die in Wut umgeschlagen ist, statt sich ihren Weg in Tränen und Trauer zu Bahnen.

Das ist widersprüchlich, das ist irrational, das ist verrückt, das ist…zutiefst menschlich. Wenn wir Matthäus Evangelium unter dem Titel „Den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen geoffenbart.“ Als Befreiungsschlag lesen wollen, dann ist es ganz wichtig, dass wir unsere Verletzlichkeit erkennen: Corona war eine Belastungsprobe für uns und sie war der Tropfen, den das Fass unserer alltäglichen Sorgen zum Überlaufen brachte. Da hilft eben keine Intellektualisierung, keine wissenschaftliche Erklärung, keine Besserwisserei, nur die Anerkennung unserer verletzten Seele, unsere Schwäche und Unmündigkeit.“

Jesus sagt in Matthäus 29: „Ihr werdet Ruhe finden für Eure Seelen!“ Aber eben in der Widersprüchlichkeit unseres Lebens, diese zu tragen, zu ertragen und den Befreiungsschlag darin zu begehen, nicht unsere Widersprüchlichkeit durchzutrennen zu wollen, sondern sie zu leben, ihr Ausdruck in Wut, Trauer, Belehrung, Zuwendung zum anderen, Buße, nicht verstanden als Anerkennung unsere Sünden, sondern als Anerkennung unserer Begrenztheit  und Unmündigkeit zu erkennen.

Im Film „Wie im Himmel“ kommt nach der Eskalation und den Tränen, die Erkenntnis aller Mitglieder dieses Chores, wie verletzt und beschränkt sie sind, wie sehr sie sich und den anderen zur Heilung brauchen. Und aufeinmal offenbart der Befreiungsschlag etwas Wunderschönes. Gabriella singt und ihr Lied ist ein Aufbruch, Befreiung aus ihrer Begrenztheit, ihrer Trauer und Wut. Gabriellas Lied:

Genau jetzt in diesem Moment, gehört mein Leben mir
Und ich habe nur wenig Zeit hier auf Erden
Doch meine Sehnsucht trug mich hier hin,
zu dem, was ich vermisste und dem, was ich fand

Das ist dennoch das Leben, das ich wählte
Mein Vertrauen ist zwar vergraben unter den Worten
Die ein wenig zeigen
Von dem Himmel, den ich nie erreichte.

Ich habe nie vergessen, wer ich war
Ich ließ es einfach nur etwas schlummern
Vielleicht hatte ich ja gar keine Wahl
Nur meinen Willen habe ich zurückgelassen

Ich will glücklich leben, weil ich ich bin
Könnte stark und frei sein
Sehen wie die Nacht dem Tag weicht
Ich bin hier und meinen Leben gehört nur mir
Und den Himmel, den ich glaubte, zu finden,
auf den werde demnächst stoßen

Ich will fühlen, dass ich lebe
All die Zeit, die mir zur Verfügung steht,
werde leben, wie ich will.
Ich will fühlen, dass ich lebe,
und wissen, dass was, ich tue, vollkommen genügt.
Ich will spüren, dass ich mein Leben gelebt hab.

Zum Nachhören/Ansehen:

https://www.youtube.com/watch?v=u2Vr1ODCUag

Glaubensbekenntnis (Franz-Josef)

Wir glauben an Gott, der die Liebe ist,
der die Welt allen Menschen geschenkt hat.
Wir glauben nicht
an das Recht des Stärkeren, an die Stärke der Waffen,
die Macht der Unterdrückung.
Wir glauben an Jesus Christus, der gekommen ist, uns zu heilen.
Und uns aus allen tödlichen Abhängigkeiten befreit.
Wir glauben nicht,
dass Kriege unvermeidlich sind, dass Friede unerreichbar ist.
Wir glauben an die Gemeinschaft der Heiligen,
die berufen ist, im Dienste der Menschheit zu stehen.
Wir glauben, dass Gott für die Welt eine Ordnung will,
die auf Gerechtigkeit und Liebe gründet,
und dass alle Männer und Frauen gleichberechtigte Menschen sind.
Wir glauben an Gottes Verheißung eines neuen Himmels
und einer neuen Erde,
wo Gerechtigkeit und Friede sich küssen.
Wir glauben an die Liebe mit offenen Händen.
Amen.

Weltversammlung der Christen in Seoul 1990 „Bekenntnis zu Frieden und
Gerechtigkeit“

Fürbitten (Marianne)

Jesus, Du, der unsere Zerrissenheit kennst, weil Du uns so sehr liebst, dass Du Gott selbst Mensch geworden bist, Dich bitten wir:

Für all die, für die Corona-Zeit eine Belastung war. Die viele Tränen noch nicht geweint haben und die Lasten ihres Alltags immer in sich tragen.

(Stille)

Jesus Christus, sei Du mit uns in der Mitte unseres Lebens.

Für alle, deren berufliche Existenz auf dem Spiel steht und die um ihre Zukunft bangen. Für alle, die nach neuen Wegen suchen unter den veränderten Umständen zu leben. Für all die Beschäftigen bei Karstadt, die mit Unsicherheit ihrer Zukunft entgegensehen.

(Stille)

Jesus Christus, sei Du mit uns in der Mitte unseres Lebens.

Für alle Familien, die jetzt in den Ferien nach Entspannung und Ausgleich suchen.

(Stille)

Jesus Christus, sei Du mit uns in der Mitte unseres Lebens.

Für uns, die in der Widersprüchlichkeit unseres Alltags manchmal zerrissen werden

(Stille)

Jesus Christus, sei Du mit uns in der Mitte unseres Lebens.

Für alle, diejenigen, die traurig, wütend und verletzt sind, aus welchem Grund auch immer.

(Stille)

Jesus Christus, sei Du mit uns in der Mitte unseres Lebens.

Jesus, wir sind zutiefst widersprüchliche Menschen, zeige uns den Weg, uns in dieser Vielfalt zu lieben, wie Du es tust. Hilf uns, dass wir uns von dem Befreien können, was uns an uns selbst zweifeln lässt. Gebe uns die Kraft uns selbst zu lieben, um daraus Freude zu schöpfen unsere Unterschiede in Freude, Freundschaft und Liebe anzuerkennen, damit unser Widersprüchlichkeit uns bunt, vielfältig und kreativ mache, damit wir gemeinsam Gutes, Schönes und Wahres vollbringen können.

Jesus Christus, Heiland und Erlöser,
erbarme dich über uns und über die ganze Welt.
Gedenke deiner Christenheit
und führe zusammen, was getrennt ist. Amen.

Vaterunser (Bruni)

Vater unser im Himel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Gebet (Marc-Bernhard)

Gott, unser Leben ist geprägt von Exil und Diaspora,
von Verworfenheit und Zerrissenheit.
Gott, unser Leben ist geprägt von Gemeinschaft und intimer Nähe,
von Mut und Stärke.
Sei Du bei in der Vielfalt unseres Lebens, helfe uns zu uns zu kommen,
damit wir Dich finden.

Segen (Marc-Bernhard)
Es segne und behüte euch der allmächtige und barmherzige Gott,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist!

Lied zum Schluss Herr unser Herr GL 414,1-3

Verabschiedung (Marc-Bernhard)

 

 

Eine Antwort auf „Den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen geoffenbart“ Mt 11,25-30. Telefongottesdienst am Samstag, 04. Juli 19:00“

  1. Die Befreiung lag für mich in der provokativen, ungewöhnlichen und erfrischenden Auslegung des Evangeliums. Danke!
    Zu Jesu Joch tragen: Als ich ganz unten war, entdeckte ich eine Zeichnung, auf der Jesus mit dem ihm Nachfolgenden im gleichen Joch geht. Dieser Gedanke hilft mir sehr, da ich in dem Augenblick begriff, dass sein Joch keine Zusatzbelastung, sondern zu Ruhe und Erquickung führen kann.

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