Lebenszeichen 19 – Glockenläuten aus Solidarität – Was denkt Ihr dazu?

Ich hatte vor einigen Tagen bei FACEBOOK einen Post zum Thema „Läuten aus Solidarität“ gemacht. 

Heute stand ein Artikel auf der Titelseite des Trierischen Volksfreunds, der meinen Standpunkt sehr verkürzt und nach meiner Meinung die Absicht meines Textes nicht richtig wiedergegeben hat. 

Da nicht alle Bezieher des sredna-Newsletters bei FACEBOOK sind oder den Trierischen Volksfreund bekommen, möchte ich hier meinen FACEBOOK-Beitrag zum Nachlesen anbieten.

Bisher habe es weit über 40 positive Rückmeldungen – und 3 eher negative Rückmeldungen. Wenn das so bleibt, läuten wir nicht….

 

Beitrag auf Facebook vom 22. März 2020

Läuten – ein Zeichen der ökumenischen Solidarität mit den Opfern und den Helfenden in dieser Covid19-Zeit – jeden Tag, abends um 19.30 Uhr für 15 Minuten (sorry: das war ein Fehler: es sind nur 5 Minuten!!!), mit allen Glocken. So wurde es uns von der Kirchenleitung verordnet. „Von ganz oben“ – wie ein Gemeindemitglied schrieb.Wir sind in unserem Verein sredna_herzjesu ökumenisch, solidarisch, evangelisierend und nachbarschaftlich – so gut wir können. Müssen wir deshalb mit allen Glocken läuten?
 

An unseren Früchten sollten wir erkannt werden, nicht an den Geräuschen, mit denen wir uns in die Öffentlichkeit bringen.

Ist das Läuten ein Zeichen von ökumenischer Solidarität? Wird das so verstanden?

Das Läuten hören nur diejenigen, die unmittelbar neben einer Kirche wohnen. Ob die das jetzt immer so großartig finden, wenn sie jeden Abend dauerbeschallt werden?
Wir haben unsere Kirche in einem ziemlich säkularen Viertel – und wir bemühen uns um gute Nachbarschaft. Das letzte, was wir möchten, ist mit unserem „frommen Lärm“ den Leuten auf die Nerven gehen. Die liegen sowieso schon blank.
Daher ist meine erste Frage, ob die Nachbarschaft von uns dieses Zeichen der ökumenischen Solidarität erwartet. Ob es ihr gut tut. Ob sie es überhaupt als solches versteht und wahrnimmt. Dann machen wir’s.
Wir läuten 3 x am Tag – um 8.00, um 12.00 und um 20.00… und zum ersten Mal, seit ich da wohne, beten Menschen zu diesen Zeiten: fürbittend und stellvertretend. Jeden Tag. Seit 2 Wochen. 3x täglich. Übers Telefon. Dem Team und den Mitbetenden tut das gut. Mir auch. Es strukturiert auch meinen Tag. Das Geläut kann ich rechtfertigen. Es ist bekannt und weitgehend akzeptiert.
Dann läuten wir jetzt auch wieder kurz am Samstagvorabend, wenn normalerweise die Vorabendmesse stattfindet.
Sie findet natürlich jetzt nicht statt, aber ein Wortgottesdienst am Telefon – zum Sonntag, zum Feiertag… am letzten Samstag mit ca. 40 Leuten. Das alles haben wir auch auf der Kirchentür „gepostet“, damit die Leute in der Nachbarschaft nachlesen können, was los ist.
Darüber hinaus?
Tätige Solidarität üben wir in verschiedenenen sozialen Projekten im Viertel, die haben wir in den letzten 2 Wochen organisiert – vom Gesprächsangebot über den Mittagstisch bis hin zu Einkaufsunterstützung und Beratungs-/ Betreuungsangeboten für Familien mit anderen freien Trägern aus der Nachbarschaft. Davon haben die Leute etwas, wenn sie es nutzen – und sie freuen sich zumindest, dass es das gibt, wenn sie nicht darauf angewiesen sind.
Was genau sollte jetzt das Läuten abends um 19.30 Uhr bringen?
Mich beschleicht der Verdacht, dass das Läuten die Hilflosigkeit vieler Gemeinden und Gruppen, vielleicht auch der Kirche insgesamt, überspielen soll: es läuft zwar nichts, aber wir läuten wenigstens mal – und zeigen, dass es uns noch gibt – und dass wir uns bemerkbar machen können, weitgehend ungefragt und unhinterfragt… Alte Herrlichkeit.
Es gibt Leute, denen geht diese kirchliche (Über-)Präsenz gerade in so einer Stadt wie Trier ziemlich auf den Zeiger. Und das sind nicht unbedingt die schlechtesten Zeitgenoss*innen… Läuten wir um unseretwillen? Zur Selbstvergewisserung sozusagen? Beanspruchen wir eine Relevanz in der Gesellschaft, die längst verloren ist?
Beten und solidarisch sein können wir ganz gut auch ohne Geläut.
Und noch eine letzte Frage: Wenn wir jetzt täglich 15 Minuten (Fehler: 5 Minuten!!!) mit allen Glocken um 19.30 Uhr läuten – wie wollen wir denn Ostern feiern bzw einen Akzent setzen?
Oder noch wichtiger: Wie wollen wir denn die erste Messe ankündigen, wenn die eucharistische Abstinenz endlich vorbei ist, für die Gemeinde und für mich?
Solange nicht eine signifikante Gruppe aus der Nachbarschaft von uns dieses Solidaritätszeichen einfordert, werden wir uns aufs „Beten“ und „Helfen“ beschränken.
Ralf Schmitz
 

 

 

 

 

 

 

 

3 Antworten auf „Lebenszeichen 19 – Glockenläuten aus Solidarität – Was denkt Ihr dazu?“

  1. Hi, habe Deinen Text zum Läuten hier im Viertel gelesen. Ich muss sagen, dass ich das Glockenläuten richtig liebe!! Ich öffne jedes Mal das Fenster, um es besser hören zu können.
    Aber wie Du denke ich, dass das Glockengeläut 3x am Tag völlig okay ist. Häufiger würde mich nicht direkt stören, aber diese Strukturierung durch 8 Uhr, 12 Uhr und dann 20 Uhr ist ausreichend – und ganz wunderbar! Zeichen von Verbundenheit mit anderen in einem Größeren.

    Vielen Dank für so vielfältigen Einsatz so vieler❣️
    Marianne

  2. Als ich die Glocken das erste Mal bewusst läuten hörte, stutzte ich und fragte mich innerlich, was passiert sei. Irgendwie hatte ich bislang von dieser Aktion nichts mitbekommen. Mein 8-jähriger Sohn meinte, es sei bestimmt jemand gestorben. Alles in Allem hatten wir in diesem Moment offenbar alle kein so gutes Gefühl bei dem Geläut.
    Unmittelbar danach erfuhr ich den eigentlichen Sinn und Zweck des Geläuts. Nun stelle ich mir die Frage, ob das tägliche „Zusatzläuten“ nicht vielleicht einigen Leuten mehr Angst macht als Ihnen Trost zu spenden oder Kraft zu geben. Es macht uns abermals bewusst, dass wir und das Corona-Virus in trauriger Weise in die Geschichtsbücher eingehen werden.
    Ich persönlich höre das Läuten sehr gerne und empfand es schon immer als etwas sehr Schönes und beruhigendes. Von mir aus könnten die Glocken also immer so häufig erklingen 🙂

  3. Hallo,
    auch ich liebe das Läuten. Es erinnert mich mitten in meinen Tätigkeiten, dass es noch was anderes gibt, das auch wichtig ist. Es ist oft ein ganz unerwarteter Anlass für mich, kurz an Gott zu denken.
    Es gibt in diesen Tagen viele Zeichen der Ermutigung und Solidarität mit den Kranken, mit Pflegern und Ärzten und vielen anderen: Plakate mit Herzen, Regenbogen, „Alles wird gut“, Gebete, Kerzen und eben auch Läuten. Die Menschen brauchen solche Zeichen in diesen Tagen.

    Warum aber zum Gedenken an die Leidtragenden der Corona-Krise feierlich alle Glocken läuten sollen, das verstehe ich nicht. Wenn alle Glocken läuten, dann ist Sonntag oder Feiertag, dann ist Ostern und das Gloria wird gesungen.
    Passender wäre das besinnliche Läuten mit einer Glocke, um an die Corona-Opfer zu denken.

    Das Läuten und das Gebet um 20 Uhr in Herz-Jesu schließt sicherlich das gemeinsame Anliegen in Solidarität mit ein und deshalb finde ich es in diesem Fall die richtige Entscheidung, nur einmal innerhalb einer halben Stunde am Abend zu läuten.
    Maria Kronenberg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.