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Meeting-ID: 876 4208 3613; Kenncode: 654938
Musik: De Profundis von Avo Pärt
Begrüßung (Ralf)
(Anspiel der Musik)
Tag 1 unter den neuen Corona-Bestimmungen. Angst, Chaos, Alltag. Das Ganze macht mich wirklich mürbe, müde – und wütend. Ist unser Staat nicht willens oder nicht in der Lage, die allgemeine Impfpflicht durchzusetzen? Als ‚ultima ratio‘? Die Parteien an der Macht haben es doch gerade einfach: sie sind doch auf 4 Jahre in der Regierung, wenn sie sich nicht gegenseitig zerfleischen. Es ist ja nicht so, als hätte es nicht 10 Monate intensives Werben und Überzeugen und Bitten und Betteln gegeben… Jetzt wälzt der Staat seine Verantwortung für die katastrophale Lage auf Arbeitgeber ab, Schulen, Kitas, Pflegeeinrichtungen – und ehrenamtliche Empfangsteams in Kirchen. Ich habe die politisch Verantwortlichen lange verteidigt… Aber jetzt ist die Lage dramatisch. Soll ich jetzt die Impf- oder Testpolizei bei pastoralen Mitarbeiter*innen sein, sollen das die Menschen sein, die sich noch ehrenamtlich engagieren?
Irgendwie sitzen wir in der Tiefe. Alle zusammen. Und als Einzelne. Allein.
In welcher Tiefe sitzen wir? Ihr? Du? Ich?
(Musik)
Gebet: Psalm 130
Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir. /
2 Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens!
3 Wenn du, HERR, Sünden anrechnen willst – Herr, wer wird bestehen?
4 Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.
5 Ich harre des HERRN, meine Seele harret, und ich hoffe auf sein Wort. *
6 Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen; mehr als die Wächter auf den Morgen
7 hoffe Israel auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm.
8 Und er wird Israel erlösen aus allen seinen Sünden.
(Deutsch: Martin Luther, Ü 2017)
oder :
(Martin Buber Die Bibel verdeutscht. 1929)
Persönliche Besinnung:
Trost ist für mich…..
2 Kor 2,1-7
Paulus, den Gott zum Apostel von Jesus Christus berufen hat, und sein Mitarbeiter Timotheus schreiben diesen Brief an die Gemeinde Gottes in Korinth und an alle in der Provinz Achaja, die zu Gott gehören.
2 Ich wünsche euch Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn.
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er ist der barmherzige Vater, der Gott, von dem aller Trost kommt!
4 In allen Schwierigkeiten ermutigt er uns und steht uns bei, so dass wir auch andere trösten können, die wegen ihres Glaubens angefeindet werden. Wir ermutigen sie, wie Gott uns ermutigt hat.
5 Weil wir Christus gehören und ihm dienen, müssen wir viel leiden, aber in ebenso reichem Maße erfahren wir auch seine Hilfe.
6 Deshalb kommt es euch zugute, wenn wir verfolgt werden, denn unser Leid dient zu eurer Ermutigung und Rettung. Und wenn wir getröstet werden, dann geschieht auch das zu eurem Besten. Es gibt euch Kraft, die gleichen Leiden wie wir geduldig zu ertragen.
7 Darum sind wir zuversichtlich und haben keine Angst um euch. Denn ihr werdet zwar leiden müssen wie wir, aber genauso werdet ihr auch Gottes Trost und Ermutigung erfahren wie wir.
(Übersetzung: Hoffnung für alle)
Impuls „Trost“ – zu 2 Kor 1,1-7 (Marc-Bernhard)
Im Ende meiner Schulzeit hat mich ein seltsames Lied begleitet. Der Text war so seltsam, dass ich ihn mir aus dem Englischen übersetzen musste und ihn immer vor mich her brabbelte.
Es war eine Zeit voller Anspannung und Druck. Meine familiäre Situation war angespannt. Zu Hause fühlte ich mich nicht wohl, das Abitur stand vor mir und jedes Mal, wenn ich lernen wollte, stand mein Vater in meinem Zimmer, schrie, beleidigte mich.
Ich floh, dass einzige, was mir half, war mich in der Bibliothek der Schule zu verstecken. Trost fand ich in den Wörtern: In Kunstmärchen der Romantik, Gedichten des Expressionismus. Das waren Gegenwelten. Auch die Biologie mit ihren biochemischen Formeln war tröstend, auf dem Papier war alles klar und geschützt.
Auf den Heimfahrten von Prüm nach Gerolstein fuhr der Bus durch die neblige Eifellandschaft: schwere graue Wolken hingen am Himmel, als würden sie gleich vom Himmel runterfallen und in ihrer Trägheit die Welt in ein grau und grau verwandeln. Und von unten zogen Nebelschwaden hoch. So sehr ich auf den Winter und den Schnee wartete, aus dem Busfenster sah ich nur noch verschwommene Landschaften und ein Schwaden, die sich über die Welt legten. So stellte ich mir das Weltende vor: Keine Explosionen, kein Vulkanausbruch, kein Meteor, sondern Nebelschwaden und graue Wolken, die die Wirklichkeit einfrierten, keine Sicht mehr boten und alle Konturen von Farben und Form verwischten.
Meine einzige Rettung war dieser seltsame Liedtext, den ich vor mich hinbrabbelte. 45 Minuten zwei Mal am Tag, Montags bis Freitags, November bis Dezember:
Ein Fernsehtraum
Über die Schwalben im Frühling
Träumte ich von Kindheitstagen
Umgeben von toten Dingen
Aufgewacht von dem Geräusch
Von schlafenden Maschinen
War ich doch froh, es war nur ein Traum
Menschen, die mir nahestanden, meinten ich solle aufhören, so einen depressiven Quatsch zu zitieren, verstanden sie nicht, dass gerade dieser Satz: „War ich doch froh, es war nur ein Traum“ mir Kraft gab, durchzuhalten. Die Hoffnung, dass es irgendwo schlafende Maschinen gibt, die Geräusche machen, dass ich aufwache, dass es irgendwo eine wunderbare lyrische Macht, die mich aufweckte, war tröstend in der Einsamkeit und der Zeit der Nebelschwaden.
Am zweiten Weihnachtstag wachte ich sehr früh auf, ich hatte vergessen meinen CD-Player auszustellen. Das Lied, dessen Zeilen ich ständig vor mich hinbrabbelte, lief gerade. Ein andere Liedzeile endete gerade mit
Es war ein einsames Jahr in diesem Raum.
Ich drehe nun einen Film.
Besessen schau ich auf die Szene
Aber alles, was ich Dir erzählt habe,
habe ich aus einem Buch gestohlen.
Da habe ich etwas über das Küssen
In einem naturwissenschaftlichen Buch gelesen
Das war so schön, dass man es nicht Liebesfilm einfangen kann.
In diesem Moment war mir klar, dass mir das Festklammern an die Bücher, die Sätze, die ich zwanghaft rezitierte, etwas waren, an dass ich mich klammern konnte. Etwas, das mir Stabilität gab, weil ich klammern durfte. Über diese seltsamen, verrückten Zeilen gab es eine Sicherheit und etwas in dem ich mich spürte. Genauso wenig wie diese seltsamen Zeilen aus mir kamen, kam auch nicht der Trost aus mir. Die tröstende Wirkung ergab sich in einer seltsamen Interaktion zwischen mir, dem Text, dem Festklammern und…ja, und was?
Paulus schreibt im 2. Korintherbrief (2 Kor 1,3f): „3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Erbarmens und Gott allen Trostes. 4 Er tröstet uns in all unserer Not, damit auch wir die Kraft haben, alle zu trösten, die in Not sind, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet werden.“
Mir ist dieser Text immer fremd gewesen, weil er nicht erklärt, wie Gott tröstet. Tröstet Gott denn? Nur weil ich jemanden den Gott des Trostes nenne, ist er es auch? Ich glaube dieser Text wird uns noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Vielleicht sollten wir ihn nicht verkopft verstehen, sondern ganz emotional. Vielleicht sind diese seltsamen Zeilen, die Zeilen, die Paulus vor sich in seiner Not hinbrabbelte, um Trost zu finden. Vielleicht ist das Syntagma vom „Gott des Trostes“ genauso wie das Geräusch schlafender Maschinen, die einen Alptraum beenden, ein Satz an dem man sich festhalten. Ein lyrischer Ausdruck der eigenen Verletzlichkeit, ein Aufschrei, eines „Ich kann nicht mehr“, ein Hinbrabbeln von Wörtern, damit wenigstens etwas Sinn ergibt, weil man es sich vorsagen, eine Hoffnung, das man aufwacht, dass es besser wird oder auch ein Resignieren „Es war ein einsames Jahr, Du Gott des Trostes. Ich kann nicht mehr. Ich habe Niedrigstand.“
Trost kann eine Entscheidung sein, Sinn in der Welt zu sehen, wenn man die Kraft hat.
Trost kann etwas Irrationales sein, dass entsteht.
Trost kann etwas sein, dass unverhofft ist.
Trost kann etwas sein, das einfach geschieht, wenn man aufgegeben hat, aber nicht aufgegeben wird….
…von schlafenden Maschinen.
…von einem Traum.
… vom Anblick einer Nebellandschaft.
…durch das Festklammern an den Gott des Trostes.
Das Lied, dessen Zeilen ich immer vor mich herbrabbelte, endete mit:
Und ich kann Dich ignorieren, wie zuvor
Meine Neujahrvorsätze sind mehr
Als nur sanft gesprochene Wörter.
…
Musik: Anthem von Leonard Cohen
Anthem Lyrics Übersetzung
Fang nochmal an
Hörte ich sie krächzen
Verweile nicht bei dem
Was vergangen ist
Oder noch kommen wirdJa, die Kriege werden
Weiter gehen
Die heilige Friedenstaube
Sie wird wieder eingefangen
Gekauft und verkauft
Und wieder gekauft werden
Sie wird nie frei sein.Läute die Glocken, die noch klingen
Vergiss deine wohlfeilen Gaben
Da ist ein Riss, ein Riss in allem
Das ist der Spalt, durch den das Licht einfälltWir fragen nach Zeichen
Die Zeichen wurden geschickt
Die Geburt verraten
Die Ehe erloschen
Ja, es ist ein Witwenstand
In jeder Form der Regierung
Zeichen, die wir alle sehen könnenIch kann nicht mehr fortlaufen
Inmitten der gesetzlosen Masse
Während die Mörder in den oberen Etagen
Ihre Gebete lauthals plärren
Aber sie haben etwas heraufbeschworen
Einen Gewittersturm
Und sie werden noch von mir hörenLäute die Glocken, die noch klingen
Vergiss deine wohlfeilen Gaben
Da ist ein Riss, ein Riss in allem
Das ist der Spalt, durch den das Licht einfälltDu kannst eins und eins zusammenzählen
Aber die Summe wirst du nie ziehen können
Du kannst zum Marsch aufrufen
Dazu bedarf es keiner Trommel
Jedes Herz, jedes Herz
Jedes liebende Herz wird herbeieilen
Wenn auch wie ein FlüchtlingLäute die Glocken, die noch klingen
Vergiss deine wohlfeilen Gaben
Da ist ein Riss, ein Riss in allem
Das ist der Spalt, durch den das Licht einfällt
Das ist der Spalt, durch den das Licht einfällt
Das ist der Spalt, durch den das Licht einfällt
Einleitende Gedanken zum 2. Korintherbrief (Ralf)
2 Auszüge aus: Franz Kamphaus, Der Schatz im Tongefäß. Warum wir stark sind, wenn wir schwach sind. Patmosverlag 2019.
Vorwort der Herausgeberin
Wer den zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther unbeschwert von theologischem Vorwissen liest, wird des Öfteren die Stirn runzeln und etwas ratlos den Kopf schütteln. Was ist das für ein sonderbares Schreiben? Eine seltsame Mischung von Ermutigungen und Ermahnungen, scheinbaren Rechtfertigungsversuchen und Abrechnungen mit Quertreibern lässt vermuten, dass es auch in der frühen Kirche nicht immer harmonisch und einfach zuging. Die Ärgernisse und Irritationen, Missverständnisse und Missverhältnisse, die der Apostel rügt, kommen uns durchaus bekannt vor. Dazu der obligatorische Spendenaufruf mit dem Appell an die Nächstenliebe. Der in Aussicht gestellte Lohn im Himmel für Hochherzigkeit und Gehorsam wird groß sein. Solche Hirtenbriefe kennen wir zur Genüge, und wir würden diesen Brief des Paulus vielleicht achselzuckend aus der Hand legen, gäbe es da nicht immer wieder fesselnde und faszinierende Abschnitte, die ins Auge fallen und ins Herz treffen!
Für Bischof Franz Kamphaus ist der Zweite Korintherbrief der persönlichste Brief des Paulus. Nach dem aktiven Wirken im Bistum Limburg hat er ihn seinen Exerzitien für Priester zugrunde gelegt. »Herzblut im Briefkuvert<< nennt er ihn. Mit Präzision entwirrt er die ineinandergeflossenen Gedankengänge, bringt die mit Herzblut beschriebenen, durcheinandergeraten wirken den Seiten dieses Briefes in eine verständliche Reihen folge. In der ihm eigenen klaren Sprache markiert er die bedeutsamsten Sätze und hebt sie heraus wie einen Schatz, der sich in den Zeilen des Apostels finden lässt. Franz Kamphaus stellt diesen Schatz mitten in unsere heutige Lebensrealität. Er erweist sich als echt – auch wenn man ihn im Licht unserer Zeit gründlich betrachtet.
In 13 Kapiteln wird die Leuchtkraft in den Worten des Paulus entfaltet. Die knappen Zusammenfassungen am Schluss eines jeden Kapitels sind eine zusätzliche Orientierungshilfe. Franz Kamphaus erschließt den Le senden, dass dieses Schreiben ein Trostbrief ist. Es geht darum, den Gemeinden in Korinth Mut zuzusprechen und Resignation und Leere zu überwinden. Auch wir sind in den vielen sich auftürmenden Problemen und Schwierigkeiten des Lebens und Glaubens bedürftig nach Trost. »>Wir brauchen Trost, der nicht trügt, sondern trägt.<<
Echter Trost lässt sich nicht verordnen oder mit ein paar vorgefertigten Floskeln rasch erledigen. »Wir brauchen eine Sprachentrümpelung, wir schleppen Klischees mit uns herum, wortreich, aber inhaltsarm. Ein aus Buchstabenfuchserei zusammengeschrumpfter Glaube liest sich ebenso geistlos wie ein Buch mit den Postleitzahlen.«< Uns schmerzt der Abschied von Vertrautem, auch von der vertrauten Gestalt der Kirche. Er kann als Geburtsschmerz erfahren werden, als » Durchbruch zu neuem Leben. Das Geheimnis des Trostes in Anwesenheit<<.
Paulus beschreibt die christliche Gemeinschaft in einem berührenden Bild: Sie ist ein Brief Christi, ein offener Brief, ein Liebesbrief Gottes für alle Menschen. In Zeiten, in denen die religiöse Grammatik nicht mehr verstanden wird, sind wir alle als Briefträgerinnen und Postboten gefragt: »Gottes Wort soll zum Text unseres Lebens werden.<<
Nur wer sein Selbst gefunden hat und zu sich selber mit den eigenen Stärken und Schwächen stehen kann, ist auch in der Lage, selbstlos im Dienst der Glaubensweitergabe zu wirken. »Ich bin geliebt, also bin ich.<< In dieser Gewissheit können wir selbstbewusst und demütig christliches Profil zeigen. »Unser Auftrag ist nicht, Gott zu spielen, sondern Gott zu dienen.<< Dazu sind wir »>ein geladen, nicht vorgeladen<<.
Im vierten Kapitel findet sich das Bild, das dem vor liegenden Buch seinen Titel gibt: »Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen« (Vers 7a). Die Frohe Botschaft ist kein Besitz. Wir können sie nicht sichern oder speichern. Sie befindet sich in einem irdenen Gefäß, solch einem Tonkrug, der zum Brunnen geht, bis er bricht. Jeder Mensch ist ein solches Werk des Töpfers, geformt nach dessen Bild, von der Erde genommen wie der Ton und ihr zugehörig, vergänglich.
Der zweite Brief des Paulus an die Korinther wird durch die Auslegung von Franz Kamphaus zur Einladung an uns, über den Inhalt unseres Gefäßes, über die Zeilen des Briefes in unserem Herzen nachzudenken.
Regina Groot Bramel
Einleitung
Ein Kompendium von Briefen
Dieser Brief ist die aufregendste Schrift im Neuen Testament, der persönlichste Brief des Paulus (»>Herzblut im Briefkuvert«<). Hier lernen wir ihn kennen mit en Ecken und Kanten, nicht zuletzt aber auch mit seinem Glauben und theologischen Denken. Er hat’s in seinem Dienst weder sich noch seinen Mitarbeitern und Gemeinden leicht gemacht. Der Zweite Korintherbrief ist über weite Strecken eine Kampfschrift.
Es ist schwer vorstellbar, dass die versöhnlichen Aussagen aus dem ersten Teil des Briefes und der Fron talangriff gegen Ende ursprünglich im selben Brief standen (dazu in dieser Reihenfolge). Wie ist der unter schiedliche Grundton in den Briefteilen zu erklären? Nach dem Weggang des Paulus aus Korinth und nach der Abfassung des Ersten Korintherbriefes treten die Gegner auf den Plan. Paulus hört davon und kommt, um Schlimmeres zu verhindern, kurz entschlossen zu einer unvorhergesehenen Visitation (von Ephesus, seinem Stütz punkt). Dieser sogenannte Zwischenbesuch (vgl. 2,5-11; 12,21) war äußerst demütigend für ihn. Er reist erregt
und angeschlagen nach Ephesus zurück und verfasst den >>Tränenbrief« (vgl. 2,1-4). Darin lässt er seiner Erbitterung und seinem Zorn freien Lauf (Kapitel 10-13). Er sendet einen bewährten Mitarbeiter (Titus) als persönlichen Boten nach Korinth (vgl. 7,13-16). Der hat wahrscheinlich den Tränenbrief überbracht. Die konzertierte Aktion von Brief und Bote tut ihre Wirkung. Die Gemeinde lenkt ein, und Paulus lässt ab von seinem Konfrontationskurs. Die übrigen Teile des Briefes sind darum versöhnlich gestimmt.
Manche Exegeten sehen in den Kapiteln 1-9 verschiedene selbständige Schreiben: einen Versöhnungsbrief, eine Apologie und zwei Kollektenbriefe. Das muss hier nicht erörtert werden. Es ist auch möglich, die Kapitel 1-9 als ein Schreiben zu betrachten, in dem verschiedene Anliegen zusammengefasst sind. Jedenfalls ist der Zweite Korintherbrief kein Schreiben aus einem Guss. Und doch geht ein roter Faden durch die verschiedenen Passagen: Paulus verteidigt gegenüber seinen Gegnern leidenschaftlich die Legitimität seines apostolischen Amtes, indem er sich auf Christus beruft.
Die Gegner
Wie soll man sich die Gegner vorstellen? Das ergibt sich aus der Argumentation des Paulus und aus zahlreichen Anspielungen seines Briefes. Urchristliche Wandermissionare jüdisch-hellenistischer Herkunft sind in die Gemeinde eingedrungen. Mit Empfehlungsbriefen reisen sie von Gemeinde zu Gemeinde und lassen sich von ihnen ihren Lebensunterhalt finanzieren. Sie betonen die
Kontinuität zu den jüdischen Ursprüngen und bestreiten Paulus das Recht, als Apostel aufzutreten und seine Interpretation des Glaubens an Christus zu verkündigen. Paulus nennt sie Falschbrüder und Diener des Satans (11,13ff). Das ist nicht von Pappe.
Die Gegner führen fortwährend den Geist im Munde: Wir bringen die Freiheit des Geistes, so sagen sie. Wir sind ausgestattet mit Wundern und Krafttaten, Ekstasen und Visionen. Die »Superapostel« (11,5) denken: Mit Jesus geht’s steil nach oben, eine glänzende Karriere. Und sie sehen nicht, dass Jesus steil nach unten gegangen ist. Sie träumen von einem leidfreien, wundlosen Christus, einem kreuzlosen Ostern. Sie kommen groß daher, unangefochten und krisenfest. Sie wissen genau, wie es geht mit dem Glauben und wie es zu gehen hat. Sie haben alles im Griff, sogar die Charismen.
Die Korinther sind ins Wanken gekommen. Die Sucht nach Wundern in der hellenistischen Welt, nach Geistes-Großtaten, das Nicht-warten-Können auf die Früchte des Geistes, die Zeit zum Wachsen brauchen, das mangelnde Zutrauen in die kleinen, scheinbar schwachen Anfänge hat sie durcheinandergebracht. Sie sind Paulus gegenüber skeptisch geworden: Was für ein armseliger Mann ist doch dieser Paulus, stark nur aus der Ferne in Briefen. Was hat er denn aufzuweisen? So einer soll Apostel sein? Er muss sich ja seinen Lebensunterhalt selbst verdienen, statt dass er als Genie auftritt. Und dann redet er ständig vom Kreuz, statt allein von der Auferstehung zu sprechen.<
Paulus sieht sich aufs Äußerste herausgefordert. Er kommt in der Auseinandersetzung zu theologisch und
geistlich sehr steilen Aussagen. Seine apostolische Sendung sieht er nicht in großartigen Auftritten (Events). Sein Ruhm ist gerade die von den Gegnern verdächtigte Mühsal seiner Arbeit, sind seine Leiden und Verfolgungen (11,23ff). Er sieht das Besondere und Einmalige des Evangeliums gerade darin, dass hier die Wirklichkeit nicht länger halbiert werden muss. Sie wird weder verteufelt noch schöngeredet. Wie durchkreuzt werden alle Bemühungen von Menschen, letzte Stimmigkeit und die erwünschte Ganzheit selbst zu schaffen. Nur jene Lebenseinstellung, die sich auch dem Sperrigen und Widrigen stellt und es mit Jesus durchschmerzt, ist realistisch und heilsam.
Das Christusverständnis
In der Auseinandersetzung in Korinth geht es letztlich um Christus. Paulus durchlebt in seinem Dienst als Apostel das Geschick Jesu, sein Kreuz und seine Auferstehung. Im Leidensweg Jesu offenbart sich die Kraft Gottes. Das unterscheidet das Auftreten Jesu und seines Apostels von jeder Art Guru, alt oder neu. Die >>Lügenapostel<< präsentieren der Gemeinde einen Heroen-Christus, einen himmlischen Wundermann, der von Armut, Leiden und Tod, von den Widersprüchen des Lebens im Ernst nichts weiß. Das aber ist – so Paulus – ein falscher, ein >>anderer Christus« (11,4). Der wirkliche ist arm geworden, hat gelitten und ist am Kreuz gestorben. Gott hat ihn allen Härten und Abgründen des menschlichen Lebens ausgesetzt. In diesem Christus allein liegen Rechtfertigung und Versöhnung begründet; durch diesen Christus ist die grundsätzliche Veränderung eingeleitet, die neue Schöpfung.
Hans-Josef Klauck sagt: »Auf die Frage nach dem schwierigsten Schriftstück im Neuen Testament würde ich mit vielen Fachkollegen ohne Zögern antworten: Das ist der Zweite Korintherbrief. Er setzt dem Verstehen un gewöhnliche Widerstände entgegen. Aber, wie so oft, lohnt sich die Mühe, denn der Zweite Korintherbrief gehört ebenso über weite Strecken hin zu den theologischen Höhepunkten des Neuen Testaments. Wer sich in ihn vertieft, kann am Ende eines nicht immer leichten Verstehensprozesses reichen geistlichen Gewinn davon tragen.<<
Franz Kamphaus
Rückmeldungen der Teilnehmenden
Was macht mich neugierig? Was lässt mich zögern?
Abschlusslied: Kent, Cowboys
Weitere „Trost-Musik…. von Teilnehmer*innen des Bibelgesprächs:
Für mich immer wieder ein echter Trost gewesen, ein Konzert von Keith Jarrett: „the köln concert“
(Conny)
Trostmusik und Trostworte für mich gleichermaßen, seit ich das Deutsche Requiem vor mehr als 40 Jahren zum ersten Mal im Trierer Bachchor singen durfte…
(Bruni) – Trostbilder….