Sechs Dörfer vor der Neuport: Löwenbrücken, St. Barbara, Heiligkreuz, St. Matthias, St. Medard und Feyen – von A. Heintzen

aus: Neues Trierisches Jahrbuch 1966, S. 40-42, A. Heintzen

St. Barbara, Barbeln

„Bilder aus St. Barbeln“ hat schon Cläre Prem vor mehr als 30 Jahren nachgezeichnet, und sie steht damit nicht allein. Trotzdem, ich darf meinen alten Schulort, das Zwillingskind in der „Civil­gemeinde“, nicht ganz übergehen.

Alle Trierer hatten das fröhliche Schiffsleutdorf gern, ob sie sich am Kirmestag in das Gewimmel der Uferstraße stürzten oder in kleinerem Kreis bei Fisch und Viez sich zu den Eingeborenen setzten, etwa im „Striehdaochen“ (Strohdach), wie eine bekannte Wrrtschaft in ganz alter Zeit geheißen hatte.

Die Barbelser Frauen zog nicht zuletzt die „Bleiche“ an, wo sie den Wäschestaat der Städterfrauen bewundern konnte, und uns Kinder die Seilerei am oberen Dorfende, gegenüber dem „Warf“, der Schiffswerft, wo die Kanalschiffe gebaut oder geflickt wurden. Was war das etwas,  wenn so ein großes Schiffsgerippe auf dem Stapel stand. Da sab man die ausgedienten Schiffleute, wie sie den ganzen Tag herumpatrouillierten und dem Bau zusaben. Und wenn ein fertiger Kalm in die Mosel gelassen wurde, war ganz Barbeln dabei.

Einmal, „Milliune Menschen“ waren da, alles war gut vorbereitet, aber der Kasten wollte nicht rutschen. Der Herr Pastor Kewenig von St. Mattbias kam gerade über den Leinpfad und sab auch interessiert zu. Die Schiffleute waren ganz nervös und hatten rote Köpfe. „Ging doch nuren dä Pastor weider, dat mer maol ordentlich fluche könnt!“ Schließlich wurde ihm’s zu lang. Wie er außer Hörweite war, ging das Gewitter mit Fluchen los, und im Nu saß das Schiff auf dem Wasser.

Das Fluchen war ihnen angeboren, es war nicht so bös gemeint, wie es sich anhörte. Einmal kam der Gervasiuser Pastor zu einem Schiffer und sagte, sein Sohn sei ja ein prächtiger Junge, bloß, er fluche so fürchterlich. „Wat Dir elao net saot, Herr Pasdor! Wu soll dä Lausert dann nuren dat Fluche gelehrt haon? Bei ons hei heert dän esu neist. Awer dat saon ich Eich: Et Milliunelaad soll dä Kerl verschlaon, wenn eich dän emaol heere fluchen!“ Eine deftige Sprache führte auch eines Schiffers Frau, der, von der Gicht verzogen, auf dem Krankenbett lag und versehen werden sollte: „Schorsch, streck de Ban, de kries den helljen Olig, dän dut dir gut.“

Wer hat noch das traute Barheiser Kapeilehen (rund 1690) in der Erinnerung, links auf der untersten Ecke der Kirchstraße (1888 Kapellenstraße). Es hat den Alten so viel bedeutet wie den Dornherren ihr Dom. Welch Gedränge, wenn da „Ewig Gebet“ war. „Milliune Keerzen“ auf dem dunklen Barockaltar, die mächtige Falme der Schifferbruderschaft, die fast bis an die Decke reichte. Da konnte einer hören und sehen, daß die Schiffer außer zu fluchen auch zu beten verstanden. Jetzt erhoben sie die Stimmen zum Gesang, man hätte glauben können, die Mauern müßten bersten. Um das Kapelleben lag der ältere Friedhof.

Manchen aale Schöffmann sielig waor aanst bei zeletzt gelännt, aane kaom su nao däm annern, kaane mieh hihr Naome kennt. (Heinrich Scherer)

Aber die Mosel war den Alten auch treu geblieben. Sie kam jedes Jahr ein oder mehrere Male an ihre Gräber. – Der neue Friedhof entstand in späteren Jahren schräg gegenüber, auf dem Grundstück des neuerdings erbauten Kindergartens der jungen Pfarrei St. Barbara-Herz-Jesu. Hier erhoben sich nun schon Familiengräber, die der Bayer, Effertz, Erang, Hausen, Herrig, Marx, Hohenbild, Kaiser, Föhr u.a. Unser Schulweg führte durch die „Gartenstraße“ (heute Hommerstraße), einen oft zum Teil schlammigen Feldweg, von dem aus wir links hin über Ackerfelder und eine große Gärtnerei den Friedhof übersehen konnten.

So wurden wir 1897 Zeugen eines Begräbnisses „der alten Frau Föhr“. Das Begräbnis einer Frau mit militärischen Ehren, das hatte die Stadt noch nicht erlebt. Soldaten bildeten Spalier vom Sterbehaus bis zum Friedhof und trugen den Sarg, Offiziere aller Regimenter waren anwesend. Trauermärsche, Falmen am Kriegerdenkmal, das später auch den Namen der Verstorbenen trug. Und warum dies? Frau Föhr hatte 1870/71 ihr geräumiges Haus am Ufer als Lazarett eingerichtet und Verwundete verpflegt, die zu Schiff von den Schlachtfeldern um Metz gebracht wurden. Nach Aufhebung auch dieses jüngeren  Friedhofs wurde das Grab an die Ruwerer Straße verlegt. Die Inschrift nennt 2 Auszeichnungen,  die sie wegen dieser Verdienste erhielt. –

Unter einer Sandsteinplatte ruhten nahe am Barheiser Friedhofseingang  die Gebeine des Pastors Thewalt von St. Gervasius. 1849, kurz nach seiner Ernennung, brach die Cholera aus, in seiner Pfarrei war die Zahl der Toten besonders groß, nach aufreibender Tätigkeit wurde er selbst ein Opfer der Seuche. Auf den städtischen Friedhof umgebettet wurde 1911 der Erfinder Ludwig Gall, „in der Zeit ein Streiter voll Feuereifer für das Wohl der Menschheit, für Wahrheit und WISsenschaft, ein Erfinder, der Tausende bereichert hat und arm gestorben ist“ (Grabinschrift)

In Kürze werden die letzten Uferhäuser dieses stadttrierischen Moseldorfs buchstäblich unter den Boden müssen. Das einst so fröhliche Barbeln ist ausradiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.