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Begrüßung (Ralf)
Lied: Sieh nieder und erbarme dich, GL 834,1.2 (Anja Lenniger)
Begrüßung (Ralf)
Wenn sie mich anrufen, dann will ich sie erhören.
Ich bin bei ihnen in der Not, befreie sie und bringe sie zu Ehren. Ich sättige sie mit langem Leben und lasse sie schauen mein Heil.
Ihr Lieben,
unter diesen Worten aus dem Psalm 91 steht der erste Fastensonntag, den wir heute begehen.
Den Worten des Beters ist schwer zu glauben,
wenn wir die Menschen im Krieg sehen, die Menschen auf der Flucht, die herzzerreißenden Bilder des Abschieds – ohne Gewissheit auf ein Wiedersehen, die Zerstörung eines Landes und die Zerstörung von Menschlichkeit, die blinde Wut, das Versinken von Hoffnung.
Vielleicht können wir in diese Worte nur hören, uns sagen lassen. Vielleicht kann unsere Antwort darauf nur das Schweigen sein. Oder das Einstimmen in die Klage über all das Schreckliche, das geschieht.
Vielleicht können wir sie Gott nur – stellvertretend – entgegenschreien:
Wenn wir dich anrufen, wirst du uns erhören?
Wirst Du bei uns sein in der Not, uns befreien?
Wirst Du uns am Leben lassen und heilen?
Erbarme dich! Herr!
Herr, erbarme dich GL 161 (Anja Lenniger)
Gebet (Carsten Oergel)
Herr Jesus Christus,
wir beginnen die Heiligen 40 Tage –
eine Zeit der Buße und der Umkehr.
Du selbst hast 40 Tage in der Wüste
gebetet und gefastet
und der Versuchung widersagt und widerstanden –
und bist geblieben – beim Glauben an den Gott,
den Du Abba nanntest – Vater.
Wir bitten dich:
Steh uns bei, wenn wir schwach sind,
und sende uns deinen Geist,
damit wir erkennen und überwinden,
was uns trennt –
von dir, von den Menschen, von uns selbst.
Du lebst in Gemeinschaft dem Vater und dem Geist
alle Tage bis in Ewigkeit. Amen.
Lesung
aus dem Buch Deuteronómium (Michael Dostert)
In jenen Tagen sprach Mose zum Volk:
Wenn du die ersten Erträge
von den Früchten des Landes darbringst,
4 dann soll der Priester
den Korb aus deiner Hand entgegennehmen
und ihn vor den Altar des Herrn, deines Gottes, stellen.
5Du aber
sollst vor dem Herrn, deinem Gott,
folgendes Bekenntnis ablegen:
Mein Vater war ein heimatloser Aramäer.
Er zog nach Ägypten,
lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten
und wurde dort
zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk.
6Die Ägypter behandelten uns schlecht,
machten uns rechtlos
und legten uns harte Fronarbeit auf.
7Wir schrien zum Herrn, dem Gott unserer Väter,
und der Herr hörte unser Schreien
und sah unsere Rechtlosigkeit,
unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis.
8Der Herr führte uns mit starker Hand und hoch erhobenem Arm,
unter großem Schrecken,
unter Zeichen und Wundern aus Ägypten,
9er brachte uns an diese Stätte und gab uns dieses Land,
ein Land, wo Milch und Honig fließen.
10Und siehe, nun bringe ich hier die ersten Erträge
von den Früchten des Landes, das du mir gegeben hast, Herr.
Wenn du den Korb vor den Herrn, deinen Gott, gestellt hast,
sollst du dich vor dem Herrn, deinem Gott, niederwerfen.
Gesang: Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht, GL 450 (Anja Lenniger)
Evangelium (Claude Muller)
In jener Zeit
1 kehrte Jesus,
erfüllt vom Heiligen Geist,
vom Jordan zurück.
Er wurde vom Geist in der Wüste umhergeführt,
2 vierzig Tage lang,
und er wurde vom Teufel versucht.
In jenen Tagen aß er nichts;
als sie aber vorüber waren,
hungerte ihn.
3Da sagte der Teufel zu ihm:
Wenn du Gottes Sohn bist,
so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.
4Jesus antwortete ihm:
Es steht geschrieben:
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
5Da führte ihn der Teufel hinauf
und zeigte ihm in einem Augenblick
alle Reiche des Erdkreises.
6Und er sagte zu ihm:
All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche
will ich dir geben;
denn sie sind mir überlassen
und ich gebe sie, wem ich will.
7Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest,
wird dir alles gehören.
8Jesus antwortete ihm:
Es steht geschrieben:
Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen
und ihm allein dienen.
9Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem,
stellte ihn oben auf den Tempel
und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist,
so stürz dich von hier hinab;
10denn es steht geschrieben:
Seinen Engeln befiehlt er deinetwegen, dich zu behüten;
11und:
Sie werden dich auf ihren Händen tragen,
damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
12Da antwortete ihm Jesus:
Es ist gesagt:
Du sollst den Herrn, deinen Gott,
nicht auf die Probe stellen.
13Nach diesen Versuchungen
ließ der Teufel bis zur bestimmten Zeit von ihm ab.
Gesang: Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht, GL 450 (Anja Lenniger)
Predigt (Ralf)
Liebe Schwestern und Brüder,
bei den vielen Post in den Sozialen Netzwerken habe ich ein Bild gesehen, das mich zutiefst angerührt hat. Ein Alltagsbild. Eine alte Frau sitzt vor einem Fenster in einer U-Bahn und schaut stoisch geradeaus. Ihr Mund ist geschlossen, ihr Gesicht ausdruckslos. Sie trägt einen gelben Regenmantel und ein blaues Kopftuch. Der Begleittext sagt, dass dieses Bild aus einer U-Bahn in Moskau stammt. Widersprechend bleiben.
Die alte Dame widerspricht – ohne auch nur ein Wort zu sagen. Sie widerspricht ohne ein Protestschild, ohne einen Slogan. Sie widerspricht mit ihrer einfachen, zweckmäßigen Kleidung – in den Farben der Ukraine. Sie widerspricht mit ihrer Körperhaltung – die auf den ersten Blick nichts aussagt. Und mit ihrem Blick – der auf mich ernst, sorgenvoll, erfahren und entschieden wirkt. Sie widerspricht der russischen Regierung, dem Despoten an der Spitze – sie widerspricht allen Landsleuten, die der Propaganda glauben. Sie widerspricht – mit ihrem puren Da-Sein und So-Sein, mit ihrer Existenz. Und sie bleibt.
Vielleicht hat sie keine andere Wahl, keine Verwandten im Westen, sicher kein Geld, um sich auf oligarchische Weise abzusetzen und aus der Verantwortung zu entziehen. Ob sie bleiben will oder ob sie bleiben muss – das wissen wir nicht. Ob nun so oder so: sie gestaltet ihr Bleiben – nach ihrem Willen, ihrer Überzeugung – irgendwie ohne Angst. Und kreativ. Schöpferisch. Frei. Das ist das Großartige an diesem Bild.
Widersprechend bleiben. Jesus widerspricht dem Versucher in der Wüste. Er widerspricht mit Worten: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ „Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. dienen.“ „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen!“ Er widerspricht dem Bösen mit seiner Existenz – seinem Glauben, seinem Tun und seinem Lassen. Und widersprechend bleibt Jesus – erstmal in der Wüste und dann schon bald in Galiläa, wo er die Ankunft des Reiches Gottes predigt und erlebbar macht – mit Wundern und Zeichen.
Jesus widerspricht dem pharisäischen Denken – dass man sich das Heil selbst erwerben kann, wenn man nur lange genug im Gesetz liest und jedes kleine Gebot beachtet. Er widerspricht dem unbarmherzigen Gottesbild, das dem Menschen keine zweite Chance gibt. Er widerspricht dem Tempelkult, dass man sich dort einen gnädigen Gott erkaufen kann. Und dennoch bleibt Jesus – bei dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er bleibt im Volk Israel und arbeitet an seiner Erneuerung.
Viele von uns stehen seit Jahren vor der Frage: Gehen oder bleiben? In der Kirche. In der katholischen Kirche. Viele waren angetan und mitgerissen vom Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils – und dem Programm der Verheutigung. Viele Priesteramtskandidaten waren fest davon überzeugt, dass der Pflichtzölibat fällt – und dass sie Priester sein und eine Familie gründen könnten – um nur ein Thema zu nennen.
Es ist immer wieder wunderbar und herzzerreißend gleichermaßen, wenn ich die Beschlüsse der Würzburger Synode in die Hand nehme – des Bundesdeutschen Konzils von 1972 – 1975. Nicht nur den gelben Band mit den Beschlüssen, sondern den roten Band mit den Arbeitspapieren, die nicht beschlossen wurden – meist, weil die Bischöfe ihre Zustimmung verweigerten Sie machen deutlich, dass bestimmte Themen seit 50 Jahren auf der Tagesordnung sind: Das katechetische Wirken der Kirche, die Not der Gegenwart und der Dienst der Kirche, Sinn und Gestaltung menschlicher Sexualität, Aufgaben der Kirche in Staat und Gesellschaft, Kirche und gesellschaftliche Kommunikation: Alles unerledigte Themen, die in den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XIV immer wieder abgewürgt wurden.
Die Aufdeckung des tausendfachen Missbrauchs und seiner Vertuschung haben eine Lawine losgetreten. Das Widersagen hat Gesichter bekommen: Maria 2.0, 125 Menschen von OutinChurch, Schwester Philippa Rath und in gewisser Weise auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz Georg Bätzing machen deutlich, dass zum Katholischsein auch der Widerspruch und der Widerstand gehören.
Widerspruch und Widerstand gehören zu meiner Glaubensgeschichte als Christ und Katholik dazu. Es hat angefangen in meiner Zeit als Messdiener – da habe ich eine Ohrfeige von einem Diakon bekommen, weil ich mich in einer Andacht an Ewiggebet beim Vorbeten des Rosenkranzes verzählt hatte und weil eine glühende Kohle aus dem Rauchfass über den billigen grünen Velorsteppich gelaufen ist, der dann sofort Feuer fing. Nach der Ohrfeige habe ich auf der Stelle den Kittel ausgezogen, mitten in der Andacht und bin nach Hause gegangen. Ich habe die Offenlegung der Finanzen des Zeltlagers durch den Pastor gefordert – und wurde deshalb und wegen einiger anderer Aufmüpfigkeiten außer Gruppenleiterrunde verbannt. Ich habe für mein Bleiben gekämpft – unterstützt von Kolleg*innen – wir haben es geschafft. Trotzdem bin ich widerständig geblieben….
Ich habe jahrelang aus meinem Glauben an die Menschenrechte, die Gott jeder und jedem Menschen geschenkt hat, keinen Hehl gemacht. Das ist für mich das Zeichen der Zeit, das der Heilige Geist in unserer Generation wirkt. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, wo unsere katholische Kirche die Würde von Menschen mit Füßen tritt. Widersprechend bin ich geblieben.
Warum? Weil ich mich von Gott hierhin gerufen und gestellt fühle – weil ich glaube, dass Gott etwas von mir erwartet, dass ich eine Mission habe – seit meiner Taufe und meiner Firmung, an die ich mich gar nicht oder kaum erinnern kann. Für mich war die Weihe zum Diakon das entscheidende Erlebnis: Gott gibt mir eine Mission – in dieser Kirche, bestätigt durch die Menschen, für die ich da bin und mit denen ich unterwegs bin.
Diese Mission lasse ich mir von keinem Bischof und keinen selbsternannten ehrenamtlichen Glaubenswächterinen ausreden. Die Kirche gehört nicht den Bischöfen und ihren Verwaltungen – sie ist eine Genossenschaft der Getauften.
Am Aschermittwochabend ist ein Mitglied unserer Gemeinde nach einem Kirchenaustritt vor … Jahren wieder in die katholische Kirche eingetreten – weil sredna@herzjesu für ihn eine geistliche Heimat ist – und weil er zu dieser widersprechenden Kirche gehören möchte, die sich in outinchurch zeigt. Das hat viele an dem Abend und auch mich berührt. Lassen wir uns seine und unsere Berufung von niemandem ausreden – schon gar nicht mit dem Verweis auf „Rechtgläubigkeit“.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich kehre nochmal zurück zu dieser tapferen Frau in der Moskauer U-Bahn mit dem gelben Mantel und dem blauen Kopftuch – und vielen tapferen Menschen in Russland, die gegen ihr barbarisches Regime aufstehen – zu den tapferen Verteidiger*innen ihrer Freiheit und ihrer Selbstbestimmung in der Ukraine, die ihren Widerstand und ihren Widerspruch und ihr Bleiben mit dem Leben bezahlen.
Sie spornen mich an – meiner Mission zu trauen, in unserer Kirche zu widersagen und zu widersprechen, wo es notwendig ist – durch Worte, durch Gesten und durch Taten. Und in diesem Widerspruch – in unserer Kirche zu bleiben – und mich von niemandem vertreiben zu lassen.
„Nur vor dem Herrn, meinem Gott, will ich mich niederwerfen!“ Lk 4,8
Tauferinnerung (Ralf)
Am Aschermittwoch haben viele von uns ihren 40-Tage-Weg durch die Österliche Bußzeit begonnen – und sich die Asche auflegen lassen als Zeichen ihrer Umkehrbereitschaft.
Heute wollen wir uns an die Taufe erinnern – und an das Bekenntnis, das dem 1. Fastensonntag in unserer Fastenreihe das Thema gegeben hat: „Widersagend bleiben“.
In der traditionellen Form widersagt man zuerst dem Bösen und bekennt danach seinen Glauben an den dreieinen Gott.
Ich meine, dass es eher umgekehrt läuft:
Aus dem Glauben an den dreieinen Gott kommt der Entschluss und die Kraft, dem Bösen in allen seinen Formen zu widersagen, ob es uns nun außerhalb oder innerhalb der Kirche begegnet.
So lade ich alle ein, die sich an ihre Taufe erinnern und ihren Entschluss bekräftigen möchten, jetzt aufzustehen und ihren Glauben zu bekennen und dem Bösen zu widersagen.
Gesang: Wenn Glaube bei uns einzieht, GL 847 (Anja Lenniger)
Fürbitten (Heidi Rischmer)
Mitfühlender Gott,
fassungslos sehen und fühlen wir das Leid, das Menschen in der Ukraine zugefügt wird:
– Menschen, die sich nach Freiheit und Selbstbestimmung sehnen und dafür ihr Leben einsetzen und denen der Tod droht
– Frauen, Kindern und Alten, die sich von ihren Lieben verabschieden müssen – die in Bussen und Zügen in eine unbestimmte Zukunft fahren, ohne die sichere Hoffnung auf ein Wiedersehen.
– Russische Soldaten, die auf ihre ukrainischen Nachbarn schießen müssen.
(Stille)
Gott, o Gott, erbarme dich!
Gott, o Gott, erbarme dich!
Bei uns und in vielen europäischen Ländern bereiten sich Menschen auf die Ankunft der Geflüchteten vor. Andere schicken Hilfsgüter aller Ort in die Ukraine. Ein langer Atem wird notwendig sein – ein offenes Herz und ein klarer Verstand. Stimmungen können so schnell kippen, wie wir 2015/2016 erlebt haben.
(Stille)
Gott, o Gott, erbarme dich!
Gott, o Gott, erbarme dich!
Der Krieg um die Ukraine lässt die vielen anderen Konflikte und menschlichen Tragödien auf der Erde aus dem Blickfeld geraten – in Afrika, in Arabien, auf den griechischen Inseln, an den Außengrenzen der EU. Woher soll die Entschlossenheit und die Kraft kommen, all diese Herausforderungen anzugehen?
(Stille)
Gott, o Gott, erbarme dich!
Gott, o Gott, erbarme dich!
Die explodierenden Preise machen Menschen mit kleinen Einkommen zu schaffen. Es ist kein Ende abzusehen.
Vielleicht werden wir bald auch andere Formen von Solidarität in unserem Land brauchen, die die Menschenwürde und das Selbstbestimmungsrecht von Hilfesuchenden wahren.
Als christliche Gemeinden müssen wir darauf achten, niemanden aus wirtschaftlichen Gründen auszuschließen und solidarisch zu sein.
(Stille)
Gott, o Gott, erbarme dich!
Gott, o Gott, erbarme dich!
In der 40-Tage-Zeit versuchen viele von uns, ihr Leben und ihren Glauben zu überprüfen und sich neu am Evangelium auszurichten. Das kann Widerspruch und eine neue Entschiedenheit zum Bleiben bedeuten. Es wird Zeit!
(Stille)
Gott, o Gott, erbarme dich!
Gott, o Gott, erbarme dich!
Wenn wir dich anrufen, wirst du uns erhören?
Wirst Du bei uns sein in der Not, uns befreien?
Wirst Du uns am Leben lassen und heilen?
Erbarme dich! Herr! Amen.
Vaterunser (Carsten Oergel)
Segensgebet (Ralf)
Schlusslied: Bewahre uns Gott GL 453,1-4 (Anja Lenniger)