ASCHERMITTWOCH 2023. „Verwundbarsein und die Kostbarkeit des Lebens“.

Persönliche Gedanken zum Aschermittwoch – von Ralf Schmitz.

Tagesgebet

Gnädiger Gott,
heute beginnen wir
die 40 Tage der Österlichen Bußzeit,
eine Zeit der Umkehr und des Neubeginns.

Wir wissen,
dass wir gebrochene Menschen sind,
wir bedauern und bereuen,
was wir falsch gemacht haben.

Wir bitten dich,
schaffe uns ein neues Herz,
gib uns einen neuen beständigen Geist.
Stärke uns in unserer Abkehr vom Bösen
und ermutige uns,
zu beten, zu fasten
und denen Barmherzigkeit zu erweisen,
die in Not sind.

Darum bitten wir durch Jesus Christus,
unsern Herrn und Bruder,
der mit dir lebt und wirkt,
in der Kraft des Heiligen Geistes.
Jetzt und in Ewigkeit. Amen.

Lesung 2 Kor 4

Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth in seinem 2. Brief:
Gott sprach:
Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!
Er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet,
damit aufstrahlt die Erkenntnis des göttlichen Glanzes
auf dem Antlitz Christi.

7 Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen;
so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft
von Gott und nicht von uns kommt.

8 Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben
und finden doch noch Raum;
wir wissen weder aus noch ein
und verzweifeln dennoch nicht;

9 wir werden gehetzt
und sind doch nicht verlassen;
wir werden niedergestreckt
und doch nicht vernichtet.

10 Immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib,
damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird.
11 Denn immer werden wir,
obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert,
damit auch das Leben Jesu
an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird.

16 Darum werden wir nicht müde;
wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird,
der innere wird Tag für Tag erneuert.

Gesang: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr GL 422,1.2

Ansprache

 Liebe Schwestern und Brüder,

ich möchte diese Ansprache ganz persönlich beginnen. Wie viele von Euch wissen, habe ich Anfang des Jahres eine neue Herzklappe bekommen. Die große Operation verlief sehr gut, alles nach Plan – sehr schnell – und 7 Tage nach der OP konnte ich schon wieder nach Hause. Ich habe gestaunt über das, was Moderne Medizin kann – und was engagierte Menschen in der Medizin und in der Pflege tun können – und tun.

Ich hatte angefangen, ein kleines Büchlein zu lesen: Verwundbar sein. Über die Kostbarkeit des Lebens. Hildegund Keul heißt die Autorin – ich kenne sie aus dem Studium und war gespannt, welchen Blick und welche Perspektive sie in dem Buch eröffnen würde. Verwundbar sein – und die Kostbarkeit des Lebens.

Ich habe mich verwundbar erlebt – in den letzten Wochen und Monaten. Bisher hatte ich persönlich damit wenig Erfahrungen. Ja, hier und da mal eine kleine gesundheitliche Herausforderung – hier und da ein Problem, das groß aussah und sich oft im Nachherein doch als ziemlich „klein“ erwiesen hat. Das Leben ist bisher zu mir persönlich sehr gut gewesen.

Ich habe natürlich das Leben von anderen gesehen – von Menschen, die viel tragen mussten und müssen: durch Krankheiten, durch Schicksalsschläge, durch den Tod von lieben Menschen, durch Unglück, Armut, Krieg, Erdbeben und vieles andere mehr. Ich habe versucht, für dieses Leid und für die Verwundungen mein Herz weit zu machen – und mitzutragen, so weit das möglich ist, wenn man selbst nicht unmittelbar betroffen ist.

Ich konnte immer wieder nur staunen, welche und wie viele Kostbarkeiten in so viel Leid AUCH zu finden waren – auch: Tapferkeit, Kampf, Widerstand, Mut, Hilfsbereitschaft, Hilfe, Solidarität, Unterstützung, Einsatz, ja, auch mal Humor – Liebe. So viel Liebe….

Bei einigen war auch in all dem Glaube an Gott zu spüren – ein Vertrauen auf die Gottesmutter Maria, die Schutzengel, die Nothelfer, die Heiligen. Ein ganz naiver Kinderglaube „es wird alles gut“ – bis hin zu der Bereitschaft anzunehmen, was kommt, was Gott schickt oder zulässt – und auch darin einen Sinn zu sehen: „dein Wille geschehe“. Und Hoffnung: Am Ende wird es gut – und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende! Unglaubliche Kostbarkeiten….

Diesen Kostbarkeiten wollte ich mit Euch nachgehen in der 40 Tage-Zeit 2023, die heute beginnt – im Licht der Schrifttexte, die an den Sonntagen gelesen werden.

Aber es ist anders gekommen.

Seit den 3 Wochen in der REHA spüre ich, dass mit mir etwas gesundheitlich nicht stimmt – ich hatte das auf die Herzklappen-OP geschoben und gedacht: das sind Nachwirkungen.

Aber es hat sich noch etwas anderes herausgestellt: in meiner Bauchspeicheldrüse wurde ein Tumor gefunden. Es liegen zwar noch nicht alle Karten der Diagnose auf dem Tisch, aber an seiner Existenz geht kein Weg vorbei. Diese Nachricht hat mich geschockt und gelähmt und voll aus der Bahn geworfen.

Zum ersten Mal fühle ich mich körperlich und seelisch bis in die Eingeweide hinein „verletzt“ – damit umzugehen ist schwer. So viele Fragen tauchen in mir auf – und natürlich Angst. Sicher, auch Hoffnung – und die Bereitschaft zu kämpfen. Als ich am Samstagabend hier den Inklusiven Gottesdienst zu Karneval mitgefeiert habe, dachte ich: „Hier gehöre ich hin! Und hier will ich wieder hin! Ich werde alles dafür tun!“  Die Gefühlslagen schwanken – mal ist das eine stärker, mal das andere – mal versuche ich einfach, „Alltag“ zu leben – und nicht daran zu denken. Das ändert sich sicher nochmal, wenn der Weg klar ist, der vor mir liegt – Zeiten und Schritte. Im Moment ist alles „Kopfkino“.

Warum erzähle ich Euch das, heute, am Aschermittwoch?

Zum einen, um Euch die Frage zu beantworten, wie es mir geht – eine Frage, die viele mir gestellt haben, beim Wiedersehen am Samstag. Ich möchte nichts zurückhalten – und ich möchte nichts dramatisieren. Ich möchte Euch gegenüber ehrlich sein. Ich will damit auch erklären, warum ich in der nächsten Zeit nicht hier sein werde.

Zum anderen möchte ich sagen: Euer Leid, Eure Herausforderungen, Eure Sorgen spiegeln sich in meinen Geschichten. Weil ich eine „öffentliche Person“ bin, wird es damit „öffentlich“. Meine Oma hat immer gesagt: „Unter jedem Dach ein „Ach“. So viele von Euch haben dasselbe erlebt: eine schockierende Diagnose, ein schwieriger Weg, das Hin- und Hergeworfen sein zwischen Verzweiflung und Hoffnung – zwischen Angst und Zuversicht. Ihr habt es selbst erlebt, oder bei Euren Lieben – den Ehepartnern, den Kindern, den Geschwistern, guten Freundinnen und Freunden. Viele von Euch haben mir diese Erfahrungen voraus. Ihr seid/wir sind verbundbar – und haben uns verwundbar gemacht, für andere.

Und ich bin mir sicher, dass viele von Euch auch die Kostbarkeiten des Lebens erlebt haben, von denen ich eben gesprochen habe:
Tapferkeit, Kampf, Widerstand, Mut, Hilfsbereitschaft, Hilfe, Solidarität, Unterstützung, Einsatz, ja, auch mal Humor – Liebe. So viel Liebe….

Ein Glaube an Gott, ein Vertrauen auf die Gottesmutter Maria, die Schutzengel, die Nothelfer, die Heiligen. Ein ganz naiver Kinderglaube „es wird alles gut“ – bis hin zu der Bereitschaft anzunehmen, was kommt, was Gott schickt oder zulässt – und auch darin einen Sinn zu sehen: „dein Wille geschehe“. Und Hoffnung: Am Ende wird es gut – und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende! Unglaubliche Kostbarkeiten….

Das entdecke ich auch in der Schriftlesung aus dem 2. Brief von Paulus nach Korinth. Der Text ist nicht für heute vorgesehen, aber er ist mir sehr wichtig. Wir haben diesen Tränen- und Trostbrief im Advent 2021 miteinander gelesen – unter dem Thema „Niedrigstand“.

Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben
und finden doch noch Raum;
wir wissen weder aus noch ein
und verzweifeln dennoch nicht;
wir werden gehetzt
und sind doch nicht verlassen;
wir werden niedergestreckt
und doch nicht vernichtet.

Immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib,
damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird.
Darum werden wir nicht müde;
wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird,
der innere wird Tag für Tag erneuert.

Ihr Lieben,
in diesem Sinn lasse ich mir heute die Asche auflegen:

Vielleicht habt Ihr Euch etwas vorgenommen für die 40-Tage-Zeit – vielleicht steht das noch aus – und Ihr wollt das in den nächsten Tagen tun. Vielleicht können meine Gedanken eine Anregung sein.

Ich will mich in meiner Hoffnung, in meinem Glauben und in meiner Liebe von Gott erneuern lassen – In der Bereitschaft, in der Verwundbarkeit die Kostbarkeiten des Lebens zu entdecken.
Gebe Gott dazu seinen Geist und seine Kraft, Tapferkeit – und Hoffnung. Amen.

Gesang: Ich steh vor dir GL 422,3

2 Antworten auf „ASCHERMITTWOCH 2023. „Verwundbarsein und die Kostbarkeit des Lebens“.“

  1. Lieber Herr Schmitz,
    Ihnen wünsche ich – und bitte unseren Schöpfer darum – Genesung.
    Ihre Gedanken zu Aschermittwoch haben mich sehr betroffen gemacht. Da ich mich selbst in einer ähnlichen Situation befunden habe, weiß ich, was Gottvertrauen bewirken kann.
    Ihr mitfühlender
    Hans-Peter Bach

  2. Lieber Ralf Schmitz,
    Beide Predigten haben nachdenklich gemacht; aber auch einen starken Implus gegeben.
    Bin in guten Gedanken bei Dir und bitte Gott um seine Kraft.

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