Ein Wort im leeren Raum um Welt und ich – Lesungsprojekt an den 5 Fastensonntagen


Das Lesungsprojekt für die Fastenzeit geht online weiter – solange es möglich ist. Leider sind die Lesungen und Inszenierungen vom ersten und zweiten Fastensonntag nicht aufgezeichnet. Leider ist die Tonqualität nicht so gut. Das tut uns leid. Aber wir meinen, es ist besser Fragmente und Nicht-Perfektes zu veröffentlichen als gar nichts! Wir schauen, was wir – unter den momentanen Umständen – nachholen können.

5. Fastensonntag: „Totenstille“
„Ich öffne Eure Gräber!“ Was für ein Versprechen, dass Gott den Menschen im Buch Ezechiel gibt. Eigentlich ein Grund sich zu freuen. Doch wir, dass Vorbereitungsteam, waren und sind skeptisch:
Gott Heilshandeln, den Menschen vom Tod zu befreien, soll dazu führen, dass die Menschen Gott erkennen. Wozu? Damit wir Glaubensgehorsam lernen? Damit unser Glauben mit der Auferstehung von den Toden belohnt wird?

Wir waren und sind skeptisch. So skeptisch wie Marta, die Schwester des verstorbenen Lazarus, als sie zu Jesus sagte: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“
In Ezechiel spricht Gott in Wiederholungen: Wie ein Chef, der seine Autorität beweist. Wie ein Verkäufer, der sein Produkt anpreist. Wie ein Glaubender, der sich durch Wiederholung immer wieder selbst versichern muss, dass Gott sie oder ihn errettet.
Glauben heißt nicht Wissen, sondern den Zweifel in uns ernst zu nehmen und in der Spannung unseres Glaubens zu leben.
Hören wir nun den Lesungstext aus der Perspektive des Chefs, der seine Autorität beweist.

Lesung aus dem Buch Ezéchiel. 
Deshalb tritt als Prophet auf und sag zu ihnen:
So spricht GOTT, der Herr:
Siehe, ich öffne eure Gräber
und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf.
Ich bringe euch zum Ackerboden Israels.
Und ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin, wenn ich eure Gräber öffne
und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole.
Ich gebe meinen Geist in euch, dann werdet ihr lebendig
und ich versetze euch wieder auf euren Ackerboden.
Dann werdet ihr erkennen, dass ich der HERR bin.
Ich habe gesprochen und ich führe es aus
Spruch des HERRN.

Und wann scheitern wir? Scheitert gerade unsere Gesellschaft, weil wir es nicht fertig bringen,trotz Corona Kinder aus dem Flüchtlingslager in Moria, in Griechenland, aufzunehmen und vor Kälter, Hunger, Tod zu bewahren? Scheitert die Solidarität, die uns auch tragen soll?

Und dann die große Frage, die vielen als unausgesprochene Angst im Kopf umhergeistert: Scheitern wir an Corona? Scheitern wir an uns? Weil wir Angst haben jemanden anzustecken, weil die Isolation uns auf einmal unsere Einsamkeit aufzeigt? Hinter dem Scheitern steckt eine große Furcht. Doch wovor?

Der Theologie Paul Tillich gibt eine Antwort: Furcht ist immer eine Furcht vor etwas und hinter der Furcht steht die Angst. Angst ist immer unbestimmt: Angst allein zu sein, Angst, dass unser Handeln sinnlos ist und nicht bewirkt. Und in der Angst vorm Alleinsein und vor der Sinnlosigkeit unseres Handelns ist die Angst vor dem Nichts, eine Angst vor dem Tod.

Zwei Wochen vor Ostern konfrontiert uns Ezechiel mit seinem verheißungsvollen „Ich öffne Eure Gräber“ mit der Angst: Der Angst vorm Alleinsein, wenn Gott uns verspricht, dass wir wieder zu einem Volk Israel werden, seinem Gottesvolk, indem wir vereint mit geliebten Menschen und Gott zusammen sind. Der Angst vor der Sinnlosigkeit unseres Tuns, wenn Gott uns verspricht, dass er uns wieder auf den Ackerboden Israels versetzt, den wir anbauen können und der sinnvoll kultiviert werden kann.

Mit unserer Gabe Menschen zu Lachen zu bringen, Projekte zu organisieren, der jede unserer Taten vom kleinen mutmachenden Händchenhalten bis zum großen Erfolg unseres Arbeitens sinnvoll erscheinen lässt.

Die Angst vor dem Tod, wenn Gott uns verspricht, dass er uns nach unserem Tod seinen Geist einhaucht und wir leben dürfen. Doch diese Versprechen nehmen uns nicht die Angst, vor der Verheißung herrscht eine Totenstille.

4. Fastensonntag: „Eine Liebesgeschichte“
Gott  hat genug von seinem Diener Saul. Er will die Erneuerung des Volkes. Er hat genug von den gängigen Herrschercliquen, von denen, die sich für unersetzlich halten. Deshalb schickt er seinen Propheten Samuel in die tiefste Provinz, aufs Land – und er nimmt aus der Familie den Kleinsten. Den hatte niemand „auf dem Schirm“.  Ihn salbt Samuel an Ort und Stelle zum König, mitten in seiner Familie, die wahrscheinlich staunend zusah und die Welt nicht verstand. Die Salbung ist eine Liebeserklärung Gottes, wie sie einem Menschen selten zuteil geworden ist.  – So kann man die Geschichte lesen.

Aus dem 1. Buch Samuel

Gott ist ganz begeistert von der Idee, einen neuen König zu installieren – jemand, der neu und unverbraucht ist. Dazu muss Samuel ihn zum König salben.
Samuel war davon nicht begeistert. Gott schickt ihn auf ein Himmelfahrtskommando. Wenn Saul das herausfindet, wird er ihn töten. Und bei Isai ziehen sich Dinge auch noch hin…
Wie soll Gott mit solchen Menschen wie Samuel arbeiten, um seine Liebeserklärung an David zu überbringen?

Der HERR sagte zu Samuel:
Wie lange willst du noch um Saul trauern?
Ich habe ihn doch verworfen;
er soll nicht mehr als König über Israel herrschen.
Fülle dein Horn mit Öl
und mach dich auf den Weg!

Ich schicke dich zu dem Betlehemiter Isai;
denn ich habe mir einen von seinen Söhnen als König ausersehen.
Samuel erwiderte: Wie kann ich da hingehen?
Saul wird es erfahren und mich umbringen.
Der HERR sagte:
Nimm ein junges Rind mit und sag:
Ich bin gekommen, um dem HERRN ein Schlachtopfer darzubringen.
Lade Isai zum Opfer ein!
Ich selbst werde dich dann erkennen lassen,
was du tun sollst:
Du sollst mir nur den salben,
den ich dir nennen werde.

Samuel tat, was der HERR befohlen hatte.
Als er nach Betlehem kam,
gingen ihm die Ältesten der Stadt zitternd entgegen und fragten:
Bedeutet dein Kommen Frieden?
Er antwortete: Frieden.
Ich bin gekommen, um dem HERRN ein Schlachtopfer darzubringen.
Heiligt euch und kommt mit mir zum Opfer!
Dann heiligte er Isai und seine Söhne und lud sie zum Opfer ein.
Als sie kamen und er den Eliab sah, dachte er:
Gewiss steht nun vor dem HERRN sein Gesalbter.
Der HERR aber sagte zu Samuel:
Sieh nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt,
denn ich habe ihn verworfen;
Gott sieht nämlich nicht auf das,
worauf der Mensch sieht.
Der Mensch sieht, was vor den Augen ist,
der HERR aber sieht das Herz.
Nun rief Isai den Abinadab und ließ ihn vor Samuel treten.
Dieser sagte: Auch ihn hat der HERR nicht erwählt.
Isai ließ Schima kommen.
Samuel sagte: Auch ihn hat der HERR nicht erwählt.
So ließ Isai sieben seiner Söhne vor Samuel treten,
aber Samuel sagte zu Isai:
Diese hat der HERR nicht erwählt.

Und er fragte Isai: Sind das alle jungen Männer?
Er antwortete: Der jüngste fehlt noch,
aber der hütet gerade die Schafe.
Samuel sagte zu Isai:
Schick jemand hin und lass ihn holen;
wir wollen uns nicht zum Mahl hinsetzen,
bevor er hergekommen ist.
Isai schickte also jemand hin und ließ ihn kommen.
David war rötlich, hatte schöne Augen
und eine schöne Gestalt.
Da sagte der HERR:
Auf, salbe ihn! Denn er ist es.
Samuel nahm das Horn mit dem Öl
und salbte David mitten unter seinen Brüdern.

Und der Geist des HERRN
war über David von diesem Tag an.
Samuel aber brach auf
und kehrte nach Rama zurück.
1 Samuel 16,1-13

Inszenierung

Wir können diese Geschichte aber auch ganz anders lesen: Machtkämpfe und Intrigen zwischen Alpha-Männchen – und Gott mittendrin, fast wie einer von ihnen…. Ob die Geschichte anders verlaufen wäre, wenn Frauen die Protagonistinnen wären? Wenn Gott das „schwache Geschlecht“ zur Rettung des Volkes eingesetzt hätte? Wie würde sich das überhaupt anhören?
Eine feministische Perspektive entsteht.
Das inszenieren Bruni Werner und Marianne Granjean.

3. Fastensonntag: „Zweifle an allem!“
Wir sehen und hören die Lesung –
aus der Perspektive des Moses, der sich über das störrische Volk aufregt…
und aus der Perspektive des Volkes, das sich von Moses betroben fühlt…
„Zweifle an allen!“

Aus dem Buch Exodus.
Die ganze Gemeinde der Israeliten zog von der Wüste Sin weiter,

einen Tagesmarsch nach dem anderen,
wie es der HERR jeweils bestimmte.
In Refidim schlugen sie ihr Lager auf,
aber das Volk hatte kein Wasser zu trinken.
2 Da geriet es mit Mose in Streit und sagte:
Gebt uns Wasser zu trinken!
Mose antwortete ihnen:
Was streitet ihr mit mir?
Warum stellt ihr den HERRN auf die Probe?
3 Das Volk dürstete dort nach Wasser
und murrte gegen Mose.
Sie sagten:
Wozu hast du uns überhaupt aus Ägypten heraufgeführt,
um mich und meine Söhne und mein Vieh
vor Durst sterben zu lassen?
4 Mose schrie zum HERRN:
Was soll ich mit diesem Volk anfangen?
Es fehlt nur wenig und sie steinigen mich.

5 Der HERR antwortete Mose:
Geh am Volk vorbei und nimm einige von den Ältesten Israels mit;
nimm auch den Stab in die Hand,
mit dem du auf den Nil geschlagen hast, und geh!
6 Siehe, dort drüben auf dem Felsen am Horeb
werde ich vor dir stehen.
Dann schlag an den Felsen!
Es wird Wasser herauskommen
und das Volk kann trinken.
Das tat Mose vor den Augen der Ältesten Israels.

7 Den Ort nannte er Massa und Meriba, Probe und Streit,
weil die Israeliten gehadert
und den HERRN auf die Probe gestellt hatten,
indem sie sagten:
Ist der HERR in unserer Mitte oder nicht?
Ex 17,3-7

Die Inszenierung ist geprägt von einer Erfahrung vor einigen Wochen: US-Präsident Trump hielt – in seinem üblichen Stil – seine Regierungserklärung zur Lage der Nation. Hinter ihm saß die Vorsitzende des Repräsentatenhauses Nancy Pelosi, die sein Redemanuskript wortlos in Stücke riss.

Von diesem Erlebnis inspiriert sind Ralf Schmitz und Birgit Müller zu sehen. Ralf Schmitz sieht sich auch in Zeiten von Covid-19 in der Heilsgewissheit und Allmacht durch die Gnadenmittel der katholischen Kirche, einschließlich Katechismus und Kirchenrecht, die durch den katholischen Priester vermittelt werden. Birgit Müller bezweifelt diese Selbsteinschätzung und verweist auf das, was wirklich zählt: Zuhören, Mitgefühl, Solidarität an der Seite der Menschen. Die Haltung des Gekreuzigten.

In der 40-Tage-Zeit 2020 sollen die Lesungen aus dem Alten Testament im Mittelpunkt der Eucharistiefeier zu den Fastensonntagen stehen.
Eine Gruppe von 12 Lektor*innen haben sich in einem Workshop intensiv mit den Texten beschäftigt. Ihre Ergebnisse werden in den Gottesdiensten zu hören und zu sehen sein.
Die Glocken läuten 5 Minuten früher als sonst – also um 16:40
Um 16:45
wird die Lesung aus dem Alten Testament von 2 Lektor*innen nacheinander vorgetragen. Zwischen dem ersten und dem zweiten Vortrag ist eine Stille von drei Minuten.
In der Eucharistiefeier ist eine Inszenierung der Lesung durch die Lektor*innen zu sehen.
Im Anschluss an die Eucharistiefeier können bei der Begegnung „Unter der Empore“ Erfahrungen und Eindrücke ausgetauscht werden.
Herzliche Einladung!
Eindrücke vom 1. Fastensonntag: „Der Sündenfall“

Sredna-Theaterprojekt: Ein Wort – im leeren Raum – um Welt – und Ich

Theater im Kirchenraum! In der Herz-Jesu-Kirche in Trier wird die Lesung in der Fastenzeit um ein szenisches Spiel ergänzt. Die Lektorinnen und Lektoren haben sich zur Vorbereitung mit Regisseur Marc-Bernhard Gleißner getroffen und sich intensiv mit den Lesungstexten auseinandergesetzt. Dabei haben sie in den alten Texten durchaus neue Aspekte entdeckt. Diese setzen sie während des Gottesdienstes szenisch um. Damit der Text dabei dennoch präsent ist, lesen ihn die beiden Lektoren vor Beginn des Gottesdienstes vor – allerdings nicht unbedingt in der bekannten Übersetzung.Weitere Termine sind: Samstag, 7., 14., 21., 28. März, 16,45 UhrSredna

Gepostet von Bistum Trier am Mittwoch, 4. März 2020

Hier der Link zum Projekt für Lektor*innen.

 

 

 

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