Interkulturelle Woche 2022

Wort der Kirchenleitungen zur Interkulturellen Woche 2022-Langfassung

Gekürzte Fassung:

Aus dem gemeinsamen Wort der Kirchen zur Interkulturellen Woche 2022:

“Es ist eine brutale Wirklichkeit, die uns in diesen Tagen und Wochen einholt: Krieg in Europa. Krieg nicht irgendwo, sondern vor unserer Tür. …

Erschüttert und sprachlos schauen wir auf das Leid in der Ukraine und unsere verlorenen Gewissheiten. Mit unseren Gedanken und Gebeten sind wir bei den Menschen, die nun um Leib und Leben fürchten und die erleben, wie Krieg in ihre Städte und Dörfer einzieht. Wir erleben aber auch eine enorme Hilfsbereitschaft – in vielen europäischen Ländern und auch hier in Deutschland. Wenn Millionen Menschen aus der Ukraine fliehen, sind wir alle gefordert, unser Möglichstes zu tun: durch Geld- und Sachspenden, durch unsere persönliche Hilfe oder auch durch das Bereitstellen von Unterkünften. Als Christinnen und Christen lesen wir in vielen biblischen Geschichten von Flucht und Migration. Wir finden Wegweisung in den Geboten Gottes und den Erfahrungen derer, die vor uns auf diesen befreienden Gott vertraut haben. Dieser Gott des Lebens mahnt uns: »Einen Fremden sollst Du nicht ausbeuten. Ihr wisst ja selbst, wie dem Fremden zumute ist. Denn ihr seid in Ägypten Fremde gewesen.« (Ex 23,9) Und wir glauben an Jesus Christus, der als neugeborenes Kind mit seinen Eltern nach Ägypten fliehen muss, dort Aufnahme erfährt und die Not von Millionen Kindern von heute teilt. Aktueller geht es kaum. So unterschiedlich die Geschichten, Schicksale und Wege von Geflüchteten aus aller Welt sind, so teilen sie doch dieselbe unverbrüchliche Würde, die Gott einem jeden Menschen geschenkt hat. Dieser Würde sind wir verpflichtet, und wir müssen alles dafür tun, dass sie gewahrt und geachtet wird. Dazu gehört es, geflüchtete Menschen aufzunehmen und in unserer Gesellschaft keine Spaltung zwischen verschiedenen Gruppen von Geflüchteten entstehen zu lassen. Das Recht auf Zuflucht an einem sicheren Ort ist nicht teilbar.

Angesichts des grausamen Leids in der Ukraine dürfen wir auch die Menschen nicht vergessen, die in Afghanistan und den angrenzenden Ländern seit Monaten darauf hoffen, Rettung zu finden, oder die hier sind und auf Familiennachzug für ihre Liebsten hoffen. Es ist ein Skandal, dass es nicht gelungen ist, die afghanischen Ortskräfte und weitere besonders Schutzbedürftige nach Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan im Sommer 2021 zu evakuieren, und dass die gemachten Zusagen kaum eingelöst werden. Der Familiennachzug muss beschleunigt und entbürokratisiert werden, damit Menschen eine schnelle Integrationsperspektive finden können. Dass Menschen – Kinder, Jugendliche und ihre Eltern – in Deutschland immer noch in sogenannten AnKER-Zentren bei zum Teil sehr schlechten Zuständen untergebracht sind und isoliert werden, können wir nicht hinnehmen. Die Politik muss hier zu ihrem Wort stehen und die dezentrale Unterbringung von Anfang an zum Leitprinzip für geflüchtete Menschen machen. …

 Zunehmend wird … deutlich, dass Hass und Gewalt sich nicht nur gegen geflüchtete beziehungsweise zugewanderte Menschen richten. Immer häufiger und brutaler werden die Angriffe auf die Repräsentantinnen und Repräsentanten der Demokratie. Solche verbalen und tätlichen Angriffe bedrohen nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern die freiheitliche Demokratie insgesamt. Neben einem Rechtsstaat, der schnell und konsequent reagiert, ist eine starke und mutige Zivilgesellschaft gefragt, die sich dem Hass entgegenstellt und Betroffene schützt – in Wort und Tat, vor Ort und auch im digitalen Raum. Wo immer Positionen vertreten werden, die ausgrenzen, beleidigen, herabwürdigen und spalten, braucht es Courage, gegenzuhalten – in der Familie, im Beruf, in der Nachbarschaft, im Sport und auch in der eigenen Gemeinde. Wo Menschen bedroht oder angegriffen werden, weil sie sich für die Würde anderer Menschen einsetzen, kann es keine Kompromisse geben. Als Kirchen stehen wir solidarisch an der Seite derjenigen, die zur Zielscheibe von verbaler und tätlicher Gewalt werden. …

Die Interkulturelle Woche ist ein Raum der Ermutigung. In ihrem Rahmen gelingt es immer wieder zu zeigen, dass Vielfalt nicht gefährlich ist, sondern gefeiert werden kann. …

Wir danken all jenen, die Jahr für Jahr im Rahmen der Interkulturellen Woche Partei ergreifen für die Schwachen der Gesellschaft, die einstehen für die Werte unserer Demokratie und die Freude ausstrahlen angesichts des Geschenks, gemeinsam in Frieden und Freiheit leben zu dürfen. Lassen Sie uns mit der Interkulturellen Woche in diesen schweren Tagen des Krieges ein Zeichen setzen, dass nicht Gewalt, Aggression und Brutalität das letzte Wort haben, sondern dass Freiheit, Menschenfreundlichkeit, und Liebe stärker sind.”

Bischof Dr. Georg Bätzing Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Präses Annette Kurschus Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Metropolit Dr. h.c. Augoustinos von Deutschland Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland

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