ALLEN ABER DIE IHN AUFNAHMEN… Weihnachtshochamt in Oberwinter, St. Laurentius am 25. Dezember

Begrüßung

 Liebe Schwestern und Brüder,
ich freue mich, dass ich mit Ihnen und Euch heute Morgen das Christfest feiern kann –
und wünsche Ihnen und Euch von Herzen Frohe Weihnachten!

Vor einem Jahr war ich auch hier – und habe nicht geahnt,
was für ein Jahr vor mir liegt…
Dem einen oder der anderen von Euch mag es ähnlich gegangen sein.

Zumindest gefühlt nimmt die Zahl der Krisen und Katastrophen zu – im kleinen wie im großen. Und wir kommen aus diesem Krisenmodus seit Corona irgendwie nicht mehr heraus.

Aber genau dazu ist Weihnachten da –
um uns in all dem zu sagen: Ihr seid nicht allein.
Spätestens seit der Geburt des Jesus von Nazareth seid ihr nicht allein – in all dem, was Euch sorgt. „Fürchtet euch nicht!“

Das wäre viel, wenn uns diese Botschaft der Engel erreicht und erfüllt – dass wir uns nicht fürchten… und dass wir Vertrauen finden – wieder finden,
für uns selbst, für die Menschen, die uns viel bedeuten,
für die ganze Welt.
Bitten wir Gott darum, dass uns diese Botschaft erreicht –
Und erfüllt: Fürchtet euch nicht!

 Evangelium

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.
2 Dieses war im Anfang bei Gott.
3 Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.[1]
4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.[2]

9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.
10 Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
11 Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12 Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

 Predigt

 Liebe Schwestern und Brüder,

„Im Anfang war das Wort!“
Mit dem großen Weisheitslied, das Johannes seinem Evangelium voranstellt, ist wirklich Weihnachten, für mich jedenfalls. Weihnachten für Erwachsene. Für Menschen, die im Glauben erwachsen geworden sind – oder werden wollen. Da ist keine Frage des Alters.

Im Anfang war das Wort, die Weisheit, der Geist, die Kraft… wie oder was auch immer. Das Wort, die Entschlossenheit Gottes, die zur Tat wird, zu einem Menschenkind… Das ist es! Die Christnacht, die Weihnacht für Erwachsene.

Das Wort kam in die Welt – die Welt erkannte es nicht. Bis auf ein paar wenige… „die aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden – allen, die an seinen Namen glauben und die aus Gott geboren sind!“ Auf die setzt Gott!

Aber es bleibt die Frage, wer das denn wohl ist – die ihn aufnahmen… und die Macht bekommen, Kinder Gottes zu werden… was ist denn das für eine Macht? Was kann ich denn mit dieser Macht tun, was ich sonst nicht könnte?

Zu erst ist das wohl Maria, die junge Frau, die ihr ganzes Leben aus dem Konzept bringen lässt. Ein Engel hat ihr eingeflüstert, dass Gott sie ausgesucht hat, einen besonderen Weg zu gehen – einen einmaligen, einsamen Weg – von dem die Rettung der Welt abhängt. Sie verschreibt sich ganz dem Projekt, Mächtige vom Thron zu stürzen und Niedrige zu erhöhen.

Und dann ist ihr Mann, von dem wir gar nicht so viel wissen – Josef, der gerecht war, ein bisschen zurückhaltend, höchst zuverlässig aber, als es drauf ankommt.

Da ist Elisabeth, die ältere Tante, die Maria im Bergland besucht – und die eine ähnliche Geschichte erlebt hat wie sie selbst: sie ist auf das Wort des Engels hin schwanger geworden, erwartet Johannes, den sie später den Täufer nennen. Im hohen Alter wird sie noch Mutter und damit vom – gefühlten – Fluch der Kinderlosigkeit befreit.

Und da ist der Mann der Elisabeth. Zacharias. Ein alter Mann, ein Tempelpriester – einer, der sein Leben lang in der Nähe des Heiligen und des Allerheiligsten gelebt und gedient hat. Ihm legt Lukas ein wunderbares Lied in den Mund, das „Benediktus“ – das es ins tägliche Morgengebet der Kirche geschafft hat und seit Jahrhunderten tagaus tagein gebetet und gesungen wird.

Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels,
denn er hat sein Volk besucht und ihm Erlösung geschaffen.

Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes
wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe,
um allen zu leuchten,
die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes,
und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens.

 Was für eine Hoffnung, was für Aussichten für die, die im Todesschatten sitzen… Da kommt zum Vorschein, was die anders machen, die das Wort aufnahmen und aufnehmen: sie singen Hoffnung – und gehen Wege des Friedens. Trotz allem.

Und vielleicht sind da noch ein paar Menschen, von denen in den biblischen Geschichten gar nicht die Rede ist, die es aber gegeben hat – gegeben haben müsste. Die Aachener feministische Theologin Annette Jantzen hat mich drauf gebracht, vorgestern morgen – bei der Lektüre eines kleinen Beitrages im „Christ in der Gegenwart“. Ihre Texte sind immer wieder für eine Überraschung und eine Störung des Gewohnten gut. Die einen lieben sie, die anderen rollen die Augen….

Annette Jantzen weis darauf hin, dass Lukas nicht viel über die eigentliche Geburtsstätte Jesu schreibt. Maria gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. Von „Stall“ steht da nichts.

Annette Jantzen beschreibt die kleinen Ein-Raum-Häuser der damaligen Zeit, die es überall am östlichen Mittelmeer gab: Sie bestanden aus einem großen Raum, manchmal mit einem erhöhten Bereich für die Menschen, mal mit einer halbhohen Trennwand zwischen Menschen und Tieren. In diese Wand war dann auch die Futterkrippe für die Tiere eingelassen.

Wer ein wenig sparen konnte, baute an dieses Haus einen zweiten Raum an, um ihn zu vermieten. Dieser Anbau ist „die Herberge“, von dem im Evangelium die Rede ist.

Für die ersten Leser*innen des Evangeliums war klar: der Raum für die zahlenden Gäste, die Herberge, war belegt – also wurden Maria und Josef und das Kind in das Wohnhaus aufgenommen – die Familie rückte einfach ein bisschen näher zusammen. Auf 2 Personen mehr oder weniger kommt es nicht an. Die werden auch noch satt. An Schlafen ist sowieso nicht zu denken. Das Neugeborene wurde in die Futterkrippe gelegt, damit es nicht zwischen die Hufe der Tiere geriet.

Mich hat diese Erklärung verwundert und angerührt. Ja, es stimmt: genauso sahen die Häuser aus, die ich einmal in einem jüdischen Freilichtmuseum in Galiläa gesehen habe – und es ist wunderbar, dass am Anfang der Rettung nicht die einsame Geburt in einem zugigen Stall (von dem nirgendwo die Rede ist), sondern die Geburt in einem kleinen Haus, mitten in einer gastfreundlichen fremden Familien, mit ihren Tieren stattgefunden hat – die Gäste aus der Herberge im Anbau kamen sicher auch mal schauen, was da los ist – und dann die Hirten, die der Engel von Feld ins Häuschen geschickt hatte… Ein Netzwerk der Solidarität.

Einfache, normale Leute, Mittelstand – immerhin hatten sie es zu einem Herbergsanbau gebracht – die sich menschlich verhalten und so „die Weisheit Gottes aufnahmen“.

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn wir genau hinschauen, sind es gar nicht so wenige, die das Wort Gottes aufnahmen… sie stehen nicht unbedingt in der ersten Reihe – sie schafften es in kein Geschichtsbuch – noch mal so richtig ins Evangelium, wie die Familie aus dem Ein-Raum-Haus mit ihren Tieren – aber sie waren ins Herz hinein angerührt von der Gegenwart und der Weisheit Gottes, die ein Kind geworden ist – und sie ließen ihre Schritte lenken auf Wege des Friedens.

Es gibt sie – die Guten. Zur Zeit Jesu, zu allen Zeiten, in unserer Zeit. Es gibt sie in Gaza – und in Tel Aviv, es gibt sie in Saudi Arabien und im Iran. Es gibt sie in der Ukraine, in Russland, in den USA – und in Europa. In Polen, wie wir freudig sehen, und sicher auch in Ungarn. Und hier bei uns.

In Deutschland. In Oberwinter. Und Bandorf. Und Unkelbach. Und in Birgel und auf der Rheinhöhe.

Es gibt die Guten, die die Weisheit Gottes aufnehmen, die einfach versuchen, gottes- und menschenwürdig zu leben.

Sie tragen in sich die Macht, Kinder Gottes zu werden – allen, die an seinen Namen glauben und die aus Gott geboren sind!“

Ihnen singen die Engel das „Ehre in der Höhe – und Friede denen hier unten“. Ob wir dazu gehören? Möglich ist es!

Oder umgekehrt: Es ist möglich! Amen. 

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