Würde.Voll.Leben. – eine theatrale Expedition Happening & Soup“ am Samstag, 22. Mai, 11:30

Würde.Voll.Leben. – eine theatrale Expedition
Happening&Soup mit
Melanie Telle, Lisa Höpel und Ulrike Roller-Barthelmes
am Samstag, den 22. Mai, 11.30 Uhr
Herz Jesu Kirche (Ecke Friedrich-Wilhelm-Str./Nikolaustr.)

Schon jedem/r Künstler/in ist es schon einmal passiert, dass er/sie von einem Bekannten angerufen und gefragt wurde: „Hast Du nicht Lust zu diesem oder jenem Thema ein Stück zu machen?“ Während des Anrufes lässt man sich von der Euphorie des Anderen mitziehen, um sich dann später die Frage zu stellen: „Worauf habe ich mich da eigentlich eingelassen?“ Genauso ging es Melanie Telle als sredna herz-jesu e.V. an sie den Wunsch herantrug, sie solle eine Performance zum Thema Würde kreieren. Viele bohrende Fragen stellten sich ihr und ihrem Ensemble. Das Ergebnis ist eine philosophische Expedition zwischen Einzelnen, Gesellschaft und staatlicher Verantwortung.

Hier der Postcast zum Nachhören:

 

Der Neurobiologe Gerald Hüther lässt in seinem Buch Würde. Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft den israelischen Künstler und Überlebenden des Holocausts, Jehuda Bacon, zu Wort kommen: „Man kann mich zu Asche machen, aber es gibt etwas in mir, das unsterblich ist.“ Dieser Glaube an die Würde des Menschen als etwas Unsterbliches, eine immaterielle Existenz, die in uns wohnt, bringt unser Verständnis von Würde sehr klar zum Ausdruck: Würde ist eine Idee, die in uns wurzelt, lebt, unzerstörbar und unverfügbar ist. Sie drückt sich im Grundgesetz mit der Vokabel der Unantastbarkeit aus, sie wird in der Genesis mit dem Ebenbild, also eines Abbild, einer Spiegelung von ihrer Materialität gelöst und als unsichtbares, allgemeines, formloses Prinzip verstanden, dass unserer Seele innewohnt.

Dieser Glaube an die immaterielle Seele ist faszinierend lyrisch und unverständlich-spekulativ zugleich. Direkt schließt sich die Frage an: Wenn unsere Würde doch bedingungslos in uns ruht, warum wird sie unsichtbar gemacht? Warum wird sie geraubt, geschlagen und verstoßen? Auf diese und ähnliche Fragen stieß auch Regisseurin Melanie Telle: Mit Lisa Höpel, Schauspielerin und Theaterpädagogin, ging sie einen Weg, den sie als performatives Improtheater bezeichnet: „Ich bin mit der Bezeichnung nicht ganz glücklich. Es klingt so einfallslos, aber es bezeichnet trotzdem den Weg, auf den wir uns mit dem Thema Würde begeben haben. Am Anfang stand eine Recherche und eine Flut von Texten. Biblische Texte wie die Bergpredigt (Mt 5-7) oder die Sünderin, die Jesus die Füße gewaschen, balsamiert und mit ihren Haaren abgetrocknet hat (Lk 7,36-50), aber auch literarische, theoretische Texte und viele Interviews und Sprachnachrichten, wo wir im Bekanntenkreis nach dem Thema Würde gefragt haben.“

Improvisation war die Methode der Auseinandersetzung mit einem Thema, das Melanie Telle und Lisa Höpel ratlos machte. Die Frage wurde zu ihrem scharfen Schwert, die Vorstellungen von Würde auseinanderriss und deren Geteiltheit nun in Beziehung gesetzt werden musste: „Am Anfang kreisten wir um die Frage: Ist Würde die Beziehung des Einzelnen zum anderen? Damit waren Fragen verbunden wie: Warum ist Würde für jeden anders? Hat das nur etwas mit mir zu tun? Und aus diesen Fragen gebar sich eine neue Perspektive, die Gesellschaft und den Staat in die Verantwortung würdigen Lebens einbezog. Welche Macht haben Gesetze und Institutionen, um die Würde eines Menschen zu beeinflussen? Auf einmal war das Thema Würde für uns nicht mehr nur auf das Individuum bezogen. Gelingende Entfaltung der Würde eines einzelnes Menschen war auf einmal eingebettet in staatlichen Strukturen. Aus Fragen wie: „Kann man Würde geben/nehmen/(ver)kaufen?“ wurden Fragen: „Wie schaffen Gesetze Wirklichkeiten für die Ausübung der Würde? Wie kann man in staatlichen Einrichtungen wie beim Job-Center die Würde verlieren, wenn man zum Empfänger degradiert wird? Was ist mit der Würde eines Menschen der krank ist und im Alter beeinträchtigt wird? Wie kann da ein Gesundheitssystem würdigend und stabilisierend eingreifen? Da wurde Würde auf einmal sehr materiell und materialistisch zu einem veräußerbaren Gut.“

Mit der Improvisation wurde eine Haltung, eine Figur geschaffen: Lisa Höpel verkörpert eine Forscherin, die die Ausstellung WÜRDIG!!! ICH | DU | WIR besucht und ihre Fragen an die Ausstellung und ihrer Besucher/innen stellt. Die Auseinandersetzung mit der idealistischen Vorstellung von Würde als Teil unserer Seele erhält ein Echo mit der materialistischen Dimension der Zerstörbarkeit von Würde. In ihrer philosophischen Expedition gerät Lisa Höpel mit ihren Fragen in Konflikt: mit der normativen Faktizität von Gesetzen, die Würde ermöglichen oder rauben; mit materiellen Bedürfnissen, die ein Leben in Würde erst möglich machen und die es ohne einen fürsorgenden Staat nicht geben kann. Und genau an diesem Punkt wird die Frage als Mittel der Improvisation zum roten Faden der theatralen Darstellung: Würde wird ihrer Immaterialität als Wort beraubt und performativ gegenständlich: in der Verkörperung von Fragen, Hören, Nachdenken, Schreiben und Atmen. Dabei ist diese Performanz nicht hermetisch geschlossen: Ulrike Roller-Barthelmes ist die stille Begleiterin von Lisa Höpel. Sie nimmt neue Gedanken auf, verschriftlicht sie, fasst Ideen zusammen und konfrontiert die Forscherin mit neuen Fragen zwischen idealistischer Tuchfühlung einer göttlich, uneinnehmbaren Würde und der dialektischen Entgegnung der Verfügbarkeit, Verletzbarkeit und materiellen Bedürftigkeit, was wir Würde nennen. Das Wortspiel würde.voll.leben verändert Würde/würde vom Konjunktiv hin zum Wunsch: „Ich will würdevoll leben.“ Die Immaterialität des Wortes und der Frage wird materiell, durch Befragung und Interaktion mit dem Publikum. Wenn das gesprochene Wort verschriftlicht wird, kann der Titel des Stückes nicht mehr als Optativ, Indikativ oder grammatisch gar als Konjunktiv gelesen werden. Er ist gegen jede Grammatik ein Imperativ.

Infobox

Melanie Telle (Regisseurin)

(Foto: Stefan Seffrin)

Melanie ist seit 2005 Teil der Freien Theaterszene in Trier. Sie ist als Theaterpädagogin, Regisseurin und Schauspielerin tätig. Ihre Ausbildung als Theaterpädagogin BUT® absolvierte sie an der aisthetos akademie in Neuwied. Melanies jüngste Inszenierungen Geschlossene Gesellschaft und Dreck waren 2019/2020 im Kasino Kornmarkt zu sehen. Mit ihren beiden theaterpädagogischen Projekten Mutiges Herz und Der kleine Prinz sorgte sie im Druckwerk Trier-Euren für Begeisterung. Des Weiteren bietet sie Workshops im Bereich Kommunikation & Körpersprache und Achtsamkeits-Trainings an. Weitere Infos unter www.telleme.de

Lisa Höpel (Schauspielerin)

Im Studium Regisseurin und Schauspielerin beim NTT /(7 JAhre) , Theaterpädagogin BUT Abschluss 2017 Heidelberg, Angestellt in der Tufa als Theaterpädagogin, Freiberuflich Theaterseminare und Workshops, Schauspiel (u.a. Geschlossene Gesellschaft, Das Dschungelbuch im Lottoforum im Rahmen des Sommerheckmeck) 1. Vorsitzende des Impro Vereins Kombinat Qualle. Schwerpunkte: Impro, Biographisches Theater, Theater als Mittel zum Selbstsausdruck.

Ulrike Roller-Barthelmes (Schauspielerin)

Gebürtig ausSaarbrückerin und seit mittlerweile 20 Jahren mit Herz und Wohnsitz in Trier. 2007 spielte Ulrike erstmals auf der TUFA Bühne das Hugo Claus Drama Zu Hause. Es folgten sowohl Komödien (Neil Simons California Suite 2008) als auch gesellschaftskritische Stücke (Schwester Ignatia 2011). Seit geraumer Zeit ist sie in der freien Theaterszene Trier sowohl auf der Bühne (Mutige Herzen 2018) als auch in der Soufflage  aktiv. 

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